Papier: 05.04.01 Empirische Befunde

Originalversion

1 5.4.1.1. Bürger Online
2 Mittlerweile liegen Langzeit-Befunde zur Veränderung
3 politischer Kommunikation durch das Internet in Deutschland
4 vor. Es lassen sich folgende generelle Schlüsse ableiten
5 (Emmer/Vowe/Wolling 2011, S. 299 ff.):
6 ► Es ist keine grundsätzliche Abkehr von den traditionellen
7 Formen politischer Kommunikation festzustellen, wohl aber
8 Verschiebungen in der politischen Mediennutzung. Eine
9 Verdrängung oder Substitution traditioneller
10 Informationsmedien durch das Internet lässt sich nicht
11 beobachten, allerdings wird deutlich, dass vor allem junge
12 Nutzer mittels Internet-Angeboten eine ganz eigene
13 politische Öffentlichkeit zu formen beginnen.
14 ► Zudem lässt sich eine politische Mobilisierung durch die
15 Internetnutzung be-obachten. Betrachtet man den Bereich der
16 Informationsaktivitäten, so haben sich diese (On- und
17 Offline) in Folge der Erweiterung des
18 Kommunikationsrepertoirs durch einen Internetzugang
19 intensiviert.
20 ► Betrachtet man die gelegentlich als „bedeutsam“ angeführte
21 direkte Interaktionsmöglichkeit mit Politikern so hat sich
22 deren Nutzung verhältnismäßig wenig verändert; die
23 offline-Ansprache steht weiterhin im Vordergrund. Fasst man
24 online- und offline-Kommunikation zusammen, so zeigt sich,
25 dass bislang keine nennenswerte Verbreiterung der
26 Mobilisierungsbasis erfolgt ist. Das heißt dass diejenigen,
27 die früher offline Kontakt mit Politikern gesucht haben,
28 diejenigen sind, die auch die online-Möglichkeiten nutzen.
29 Anderes gilt allerdings für themenspezifische Mobilisierung.
30 Gerade, aber nicht nur bei Internet-Themen nimmt die
31 Bereitschaft, sich zu engagieren, offenbar zu.
32 ► Die Internetnutzung erweist sich insgesamt als weitgehend
33 indifferent gegenüber den Kommunikationsaktivitäten, mit
34 denen Bürger ihre politischen Meinungen öffentlich zum
35 Ausdruck bringen. Zwar hat die Durchsetzung des Internets
36 nachweislich keinen Rückgang des herkömmlichen
37 bürgerschaftlichen Engagements zur Folge, aber die
38 Untersuchungen finden auch keine Hinweise darauf, dass sich
39 durch die neuen Möglichkeiten die partizipativen Aktivitäten
40 unmittelbar verstärkt hätten.
41
42 5.4.1.2. Selektivität der aktiven Nutzung
43 Was die soziale Differenzierung bei der Partizipation
44 angeht, so zeigt sich zunächst der Befund, dass das Alter
45 eine zentrale Rolle spielt. Die Nutzung des Netzes auch für
46 politische Kommunikation und Interaktion ist vor allem in
47 den jungen Altersgruppen verbreitet.
48 Über die Zusammensetzung der Gruppe der besonders Aktiven
49 weiß man bislang noch nicht hinreichend viel. Studien zur
50 Aneignung der Internet-Kommunikation insgesamt zeigen, dass
51 es durchaus eine Differenzierung in Jugendliche gibt, die
52 das Internet oder einzelne Internet-bezogene Aktivitäten
53 intensiv als eine Art Hobby betreiben, und einer großen
54 Gruppe, die (nur) die Basisfunktionalitäten in ihren Alltag
55 integriert hat (HBI 2010) [FN: Die im Jahr 2012 vorgestellte
56 DIVSI-Studie identifiziert zudem zwei signifikante Gräben,
57 die unsere Gesellschaft spalten. Der erste Graben trennt die
58 Digital Outsiders auf der einen von den Digital Immigrants
59 und den Digital Natives auf der anderen Seite. Die Digital
60 Outsiders sind entweder offline oder stark verunsichert im
61 Umgang mit dem Internet. Das Internet stellt für sie eine
62 digitale Barriere vor einer Welt dar, von der sie sich
63 ausgeschlossen fühlen und zu der sie keinen Zugang finden.
64 Der zweite Graben verläuft zwischen den Digital Natives auf
65 der einen Seite und den Digital Immigrants und den Digital
66 Outsiders auf der anderen Seite. Die Digital Natives
67 begreifen das Internet als Teil ihres Lebensraums, in dem
68 sie sich frei und ganz selbstverständlich bewegen. Für sie
69 stellt die digitale Welt einen wesentlichen Teil des Lebens
70 dar. Sie stehen ihr sehr positiv gegenüber und können nicht
71 nachempfinden, dass sich die anderen Gruppen nicht ebenso
72 zuhause fühlen.]. Dies wird sich auch in der Nutzung von
73 Partizipationsmöglichkeiten niederschlagen.
74 Für die Deutung und Bewertung von Kommunikation und
75 Interaktionen im politischen System ist das Wissen über die
76 Aktiven hoch bedeutsam, etwa bei der Frage, inwieweit man
77 dort geäußerte Auffassungen als "öffentliche Netzmeinung"
78 hochrechnen kann. Handelt es sich um eine bestimmte Gruppe,
79 kann es sonst zu einer verzerrten Wahrnehmung und der
80 Überbewertung von Einzelinteressen kommen.
81 Die Selektivität der Mobilisierung wird in der Wissenschaft
82 auch als normatives Problem gesehen (Emmer/Vowe/Wolling
83 2011, S. 315). Bislang ist kein Trend erkennbar, dass etwa
84 bildungsbedingte Unterscheide in der politischen
85 Kommunikation durch das Internet eingeebnet würden. [Verweis
86 Medeinkompetenz-PG]
87 Zudem zeigt sich, dass die Nutzung von
88 Partizipationsmöglichkeiten in vielen Bereichen – nicht nur
89 der Politik – quantitativ eher hinter den Erwartungen zurück
90 bleibt. In der Wissenschaft wird allerdings davor gewarnt,
91 dies sofort als Scheitern zu deuten (Mayer-Schönberger
92 2011). Schließlich lässt sich alleine aus der quantitativen
93 Teilnahme keine unmittelbare Aussage zur inhaltlichen
94 Wertigkeit der eingereichten Vorschläge ableiten. Die
95 Qualität des Input ist oftmals hoch. [FN: Vgl.:
96 http://www.bundestag.de/internetenquete/Stand_der_Dinge_Buer
97 gerbeteiligung_der_Enquete_April_2012/index.jsp ]

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 5.4.1.1. Bürger Online
2 Mittlerweile liegen Langzeit-Befunde zur Veränderung
3 politischer Kommunikation durch das Internet in Deutschland
4 vor. Es lassen sich folgende generelle Schlüsse ableiten
5 (Emmer/Vowe/Wolling 2011, S. 299 ff.):
6 ► Es ist keine grundsätzliche Abkehr von den traditionellen
7 Formen politischer Kommunikation festzustellen, wohl aber
8 Verschiebungen in der politischen Mediennutzung. Eine
9 Verdrängung oder Substitution traditioneller
10 Informationsmedien durch das Internet lässt sich nicht
11 beobachten, allerdings wird deutlich, dass vor allem junge
12 Nutzer mittels Internet-Angeboten eine ganz eigene
13 politische Öffentlichkeit zu formen beginnen.
14 ► Zudem lässt sich eine politische Mobilisierung durch die
15 Internetnutzung be-obachten. Betrachtet man den Bereich der
16 Informationsaktivitäten, so haben sich diese (On- und
17 Offline) in Folge der Erweiterung des
18 Kommunikationsrepertoirs durch einen Internetzugang
19 intensiviert.
20 ► Betrachtet man die gelegentlich als „bedeutsam“ angeführte
21 direkte Interaktionsmöglichkeit mit Politikern so hat sich
22 deren Nutzung verhältnismäßig wenig verändert; die
23 offline-Ansprache steht weiterhin im Vordergrund. Fasst man
24 online- und offline-Kommunikation zusammen, so zeigt sich,
25 dass bislang keine nennenswerte Verbreiterung der
26 Mobilisierungsbasis erfolgt ist. Das heißt dass diejenigen,
27 die früher offline Kontakt mit Politikern gesucht haben,
28 diejenigen sind, die auch die online-Möglichkeiten nutzen.
29 Anderes gilt allerdings für themenspezifische Mobilisierung.
30 Gerade, aber nicht nur bei Internet-Themen nimmt die
31 Bereitschaft, sich zu engagieren, offenbar zu.
32 ► Die Internetnutzung erweist sich insgesamt als weitgehend
33 indifferent gegenüber den Kommunikationsaktivitäten, mit
34 denen Bürger ihre politischen Meinungen öffentlich zum
35 Ausdruck bringen. Zwar hat die Durchsetzung des Internets
36 nachweislich keinen Rückgang des herkömmlichen
37 bürgerschaftlichen Engagements zur Folge, aber die
38 Untersuchungen finden auch keine Hinweise darauf, dass sich
39 durch die neuen Möglichkeiten die partizipativen Aktivitäten
40 unmittelbar verstärkt hätten.
41
42 5.4.1.2. Selektivität der aktiven Nutzung
43 Was die soziale Differenzierung bei der Partizipation
44 angeht, so zeigt sich zunächst der Befund, dass das Alter
45 eine zentrale Rolle spielt. Die Nutzung des Netzes auch für
46 politische Kommunikation und Interaktion ist vor allem in
47 den jungen Altersgruppen verbreitet.
48 Über die Zusammensetzung der Gruppe der besonders Aktiven
49 weiß man bislang noch nicht hinreichend viel. Studien zur
50 Aneignung der Internet-Kommunikation insgesamt zeigen, dass
51 es durchaus eine Differenzierung in Jugendliche gibt, die
52 das Internet oder einzelne Internet-bezogene Aktivitäten
53 intensiv als eine Art Hobby betreiben, und einer großen
54 Gruppe, die (nur) die Basisfunktionalitäten in ihren Alltag
55 integriert hat (HBI 2010) [FN: Die im Jahr 2012 vorgestellte
56 DIVSI-Studie identifiziert zudem zwei signifikante Gräben,
57 die unsere Gesellschaft spalten. Der erste Graben trennt die
58 Digital Outsiders auf der einen von den Digital Immigrants
59 und den Digital Natives auf der anderen Seite. Die Digital
60 Outsiders sind entweder offline oder stark verunsichert im
61 Umgang mit dem Internet. Das Internet stellt für sie eine
62 digitale Barriere vor einer Welt dar, von der sie sich
63 ausgeschlossen fühlen und zu der sie keinen Zugang finden.
64 Der zweite Graben verläuft zwischen den Digital Natives auf
65 der einen Seite und den Digital Immigrants und den Digital
66 Outsiders auf der anderen Seite. Die Digital Natives
67 begreifen das Internet als Teil ihres Lebensraums, in dem
68 sie sich frei und ganz selbstverständlich bewegen. Für sie
69 stellt die digitale Welt einen wesentlichen Teil des Lebens
70 dar. Sie stehen ihr sehr positiv gegenüber und können nicht
71 nachempfinden, dass sich die anderen Gruppen nicht ebenso
72 zuhause fühlen.]. Dies wird sich auch in der Nutzung von
73 Partizipationsmöglichkeiten niederschlagen.
74 Für die Deutung und Bewertung von Kommunikation und
75 Interaktionen im politischen System ist das Wissen über die
76 Aktiven hoch bedeutsam, etwa bei der Frage, inwieweit man
77 dort geäußerte Auffassungen als "öffentliche Netzmeinung"
78 hochrechnen kann. Handelt es sich um eine bestimmte Gruppe,
79 kann es sonst zu einer verzerrten Wahrnehmung und der
80 Überbewertung von Einzelinteressen kommen.
81 Die Selektivität der Mobilisierung wird in der Wissenschaft
82 auch als normatives Problem gesehen (Emmer/Vowe/Wolling
83 2011, S. 315). Bislang ist kein Trend erkennbar, dass etwa
84 bildungsbedingte Unterscheide in der politischen
85 Kommunikation durch das Internet eingeebnet würden. [Verweis
86 Medeinkompetenz-PG]
87 Zudem zeigt sich, dass die Nutzung von
88 Partizipationsmöglichkeiten in vielen Bereichen – nicht nur
89 der Politik – quantitativ eher hinter den Erwartungen zurück
90 bleibt. In der Wissenschaft wird allerdings davor gewarnt,
91 dies sofort als Scheitern zu deuten (Mayer-Schönberger
92 2011). Schließlich lässt sich alleine aus der quantitativen
93 Teilnahme keine unmittelbare Aussage zur inhaltlichen
94 Wertigkeit der eingereichten Vorschläge ableiten. Die
95 Qualität des Input ist oftmals hoch. [FN: Vgl.:
96 http://www.bundestag.de/internetenquete/Stand_der_Dinge_Buer
97 gerbeteiligung_der_Enquete_April_2012/index.jsp ]

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