Papier: 01.04.05 Digitale Monopole, Manipulation und Zensur

Originalversion

1 Die Herausforderungen für die Demokratie in der digitalen
2 Gesellschaft – neben der Teilhabe – liegen in der
3 Ausgestaltung der technischen Gegebenheiten im Internet und
4 des Internets. Die Entstehung von digitalen Monopolen,
5 Manipulation durch technische Möglichkeiten, sowie eine
6 Zensur im Internet müssen diskutiert und abgewendet werden.
7
8 Das Internet ist als Netz aus Netzen entstanden. Dies war
9 möglich, da Datenpakete innerhalb der Netze, wie auch von
10 Netz zu Netz ohne Diskriminierung übertragen wurden und
11 werden. So konnten sich immer wieder Innovationen gegenüber
12 vorhandenen Strukturen und Angeboten durchsetzen, dies gilt
13 es zu bewahren (Siehe Projektgruppe Netzneutralität).
14
15 Zensur im Internet gilt es zunächst juristisch zu
16 definieren: Das Grundgesetz stellt in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG
17 fest, dass in Deutschland eine Zensur nicht stattfindet.
18 Nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung (Urteil vom
19 25.04.1972 – 1 BvL 13/67; BVerfGE 33,52 [53]) und Schrifttum
20 (vgl. Franke, UFITA 2002, 89 [96] m. w. N.) ist das
21 Zensurverbot kein eigenes Grundrecht, sondern eine Grenze
22 für mögliche staatliche Grundrechtseinschränkungen
23 (Schranken-Schranke). Die ursprüngliche Zielsetzung der
24 Verfassungsgeber mit dieser Regelung war der Schutz der
25 Presseerzeugnisse vor behördlicher Prüfung und Genehmigung.
26 Aufgrund der vergleichbaren Interessen- und Gefährdungslage
27 muss es aber auch in entsprechender Anwendung für die heute
28 verbreiteten Massenkommunikationsmittel nach Art. 5 Abs. 1
29 S. 2 GG gelten (vgl. Franke, UFITA 2002, 89 [100] m. w. N.).
30
31 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird
32 Zensur als Vorschaltung eines präventiven Verfahrens, vor
33 dessen Abschluss ein Werk nicht veröffentlicht werden darf,
34 verstanden (zuletzt Beschluss des BVerfG vom 20.10.1992 – 1
35 BvR 698/89; BVerfGE 87, 209 [230]). Adressat der Regelung
36 ist der Staat, aber auch die sonstigen vom Staat abhängigen
37 Träger der öffentlichen Gewalt (vgl. Franke, UFITA 2002, 89
38 [108] m. w. N.). Auf Rechtsverhältnisse zwischen
39 Privatpersonen ist das Zensurverbot nicht anwendbar.
40
41 Der Regelungsbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG erstreckt
42 sich somit lediglich auf die sog. Vor- oder Präventivzensur
43 (Urteil vom 25.04.1972 – 1 BvL 13/67; BVerfGE 33,52 [71] m.
44 w. N.). Die Nachzensur in Form einer Kontroll- oder
45 Repressivmaßnahme fällt ebenfalls nicht in den
46 Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Sie setzt erst
47 nach der Veröffentlichung eines Werkes ein (vgl. Franke,
48 UFITA 2002, 89 [104] m. w. N.). Staatliche Kontroll- oder
49 Repressivmaßnahmen sind demnach anhand des Schutzbereiches
50 von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und der Schrankenregelung des Art.
51 5 Abs. 2 GG auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen.
52
53 Allerdings ist auch festzuhalten, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG
54 vor dem Hintergrund eines damaligen Presse- und
55 Rundfunkbegriffs entwickelt wurde. Das Internet führt in
56 diesem Bereich zu zahlreichen Einordnungsproblemen,
57 insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen in Art. 5
58 GG genannten Grundrechte, aber auch im Hinblick auf die
59 Frage, wann eine Vorzensur vorliegt.
60 In einigen Ländern der Welt (z. B. China, Iran, Kuba,
61 Myanmar, Weißrussland) wird auch heute noch immer Zensur
62 durch die dortigen staatlichen Stellen ausgeübt und
63 durchgeführt. Sie erstreckt sich auch auf das Internet (vgl.
64 S. 4 Freedom on the Net 2011, A global assessment of
65 Internet and Digital Media vom 18. April 2011). Der sog.
66 arabische Frühling in Ägypten und Tunesien hat jedoch auch
67 gezeigt, dass das Internet trotz vorhandener totalitärer
68 Regime als Mittel zum Umgehen einer staatlichen Zensur
69 verwendet werden kann.
70
71 Ein staatliches oder privates Verändern oder Unterdrücken
72 einzelner Inhalte ist technisch relativ einfach und
73 effizient möglich. [FN: Vgl.: Dragan Espeschied, Alvar C.H.
74 Freude: insert_coin – Verborgene Mechanismen und
75 Machtstrukturen im freisten Medium von allen; Stuttgart,
76 2001; online verfügbar unter http://odem.org/insert_coin/
77 (abgerufen am 11. Januar 2012)] Zwar ist aufgrund der
78 Architektur des Internets auch eine Umgehung von
79 Zensur-Techniken einfach möglich: eine unkontrollierte
80 Verbindung (dies kann beispielsweise auch über eine
81 Modem-Verbindung ins Ausland erfolgen) reicht für den
82 Zugriff auf das gesamte Internet aus. Für die meisten
83 Menschen ist dies aber unpraktikabel und wird vor allem dann
84 genutzt, wenn es ihnen besonders wichtig erscheint. Mehr
85 praktische Bedeutung haben aufgrund der einfacheren
86 Bedienung (anonyme) Proxy-Server [FN:
87 http://de.wikipedia.org/wiki/Proxy_(Rechnernetz)] und
88 dedizierte Anonymisierungsdienste wie beispielsweise Tor
89 [FN: https://www.torproject.org/] und i2p [FN:
90 http://www.i2p2.de/].
91
92 Sowohl der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für
93 das Recht auf Meinungsfreiheit Frank La Rue in seinem
94 Bericht vom 16. Mai 2011 (Report of the Special Rapporteur
95 on the promotion and protection of the right to freedom of
96 opinion and expression, A/HRC/17/27) als auch die G8-Staaten
97 haben in ihrer Abschlusserklärung des Gipfels in Deauville,
98 Frankreich vom 26.05/27.05.2011 (G8 Declaration renewed
99 Commitment for Freedom and Democracy) noch einmal diese
100 besondere freiheitliche Funktion des Internets hervorgehoben
101 und als besonders schützenswert angesehen.
102
103 Neben der dargestellten „klassischen Zensur“ kann es auch
104 aus anderen Gründen zum Löschen von Inhalten im Internet
105 kommen. Die Gründe hierfür sind allerdings äußerst
106 vielseitig. Verstoßen eingestellte Inhalte gegen
107 strafrechtliche Vorschriften so sind sie von den
108 Diensteanbietern und Host-Providern zu löschen. In der
109 Praxis kommt es zudem vor, dass Diensteanbieter oftmals
110 unsicher sind, ob sie Inhalte zu löschen haben. Viele
111 entscheiden sich in solchen Fällen für eine Löschung, weil
112 sie ansonsten befürchten, im Falle einer Nicht-Löschung
113 verantwortlich gemacht zu werden.
114
115 Aber auch Online-Zeitungen oder Blogs haben die Möglichkeit,
116 das Veröffentlichen von Inhalten zu verzögern oder zu
117 blockieren. Wenn diese ehrabschneidend oder beleidigend
118 sind, kommen sie damit ihren gesetzlichen Verpflichtungen
119 nach, da sie ansonsten auf dem Zivilrechtsweg von
120 Geschädigten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden
121 könnten (vgl. BGH Urteil v. 25.10.2011 – Az.: VI ZR 93/10).
122 Hiervon losgelöst zu betrachten, ist die von manchen Nutzern
123 als bevormundend empfundene Moderation von Diskussionsformen
124 und vergleichbaren Angeboten im Sinne der "Netiquette".
125 Anbieter von Suchmaschinen unterliegen als Diensteanbieter
126 ebenfalls den bereits erwähnten rechtlichen Verpflichtungen.
127 Bei ihnen wird jedoch darüber hinaus diskutiert, ob sie auch
128 zu einer neutralen Darstellung der Ergebnisse einer
129 Suchanfrage verpflichtet sind (Suchmaschinenneutralität).
130 Dies ist für Nutzer, Inhalte- und Diensteanbieter bedeutsam
131 und hat nicht zuletzt auch wettbewerbsrechtliche Gründe
132 ("inhaltliche Netzneutralität", vgl. hierzu PG
133 Netzneutralität).

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Die Herausforderungen für die Demokratie in der digitalen
2 Gesellschaft – neben der Teilhabe – liegen in der
3 Ausgestaltung der technischen Gegebenheiten im Internet und
4 des Internets. Die Entstehung von digitalen Monopolen,
5 Manipulation durch technische Möglichkeiten, sowie eine
6 Zensur im Internet müssen diskutiert und abgewendet werden.
7
8 Das Internet ist als Netz aus Netzen entstanden. Dies war
9 möglich, da Datenpakete innerhalb der Netze, wie auch von
10 Netz zu Netz ohne Diskriminierung übertragen wurden und
11 werden. So konnten sich immer wieder Innovationen gegenüber
12 vorhandenen Strukturen und Angeboten durchsetzen, dies gilt
13 es zu bewahren (Siehe Projektgruppe Netzneutralität).
14
15 Zensur im Internet gilt es zunächst juristisch zu
16 definieren: Das Grundgesetz stellt in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG
17 fest, dass in Deutschland eine Zensur nicht stattfindet.
18 Nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung (Urteil vom
19 25.04.1972 – 1 BvL 13/67; BVerfGE 33,52 [53]) und Schrifttum
20 (vgl. Franke, UFITA 2002, 89 [96] m. w. N.) ist das
21 Zensurverbot kein eigenes Grundrecht, sondern eine Grenze
22 für mögliche staatliche Grundrechtseinschränkungen
23 (Schranken-Schranke). Die ursprüngliche Zielsetzung der
24 Verfassungsgeber mit dieser Regelung war der Schutz der
25 Presseerzeugnisse vor behördlicher Prüfung und Genehmigung.
26 Aufgrund der vergleichbaren Interessen- und Gefährdungslage
27 muss es aber auch in entsprechender Anwendung für die heute
28 verbreiteten Massenkommunikationsmittel nach Art. 5 Abs. 1
29 S. 2 GG gelten (vgl. Franke, UFITA 2002, 89 [100] m. w. N.).
30
31 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird
32 Zensur als Vorschaltung eines präventiven Verfahrens, vor
33 dessen Abschluss ein Werk nicht veröffentlicht werden darf,
34 verstanden (zuletzt Beschluss des BVerfG vom 20.10.1992 – 1
35 BvR 698/89; BVerfGE 87, 209 [230]). Adressat der Regelung
36 ist der Staat, aber auch die sonstigen vom Staat abhängigen
37 Träger der öffentlichen Gewalt (vgl. Franke, UFITA 2002, 89
38 [108] m. w. N.). Auf Rechtsverhältnisse zwischen
39 Privatpersonen ist das Zensurverbot nicht anwendbar.
40
41 Der Regelungsbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG erstreckt
42 sich somit lediglich auf die sog. Vor- oder Präventivzensur
43 (Urteil vom 25.04.1972 – 1 BvL 13/67; BVerfGE 33,52 [71] m.
44 w. N.). Die Nachzensur in Form einer Kontroll- oder
45 Repressivmaßnahme fällt ebenfalls nicht in den
46 Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Sie setzt erst
47 nach der Veröffentlichung eines Werkes ein (vgl. Franke,
48 UFITA 2002, 89 [104] m. w. N.). Staatliche Kontroll- oder
49 Repressivmaßnahmen sind demnach anhand des Schutzbereiches
50 von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und der Schrankenregelung des Art.
51 5 Abs. 2 GG auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen.
52
53 Allerdings ist auch festzuhalten, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG
54 vor dem Hintergrund eines damaligen Presse- und
55 Rundfunkbegriffs entwickelt wurde. Das Internet führt in
56 diesem Bereich zu zahlreichen Einordnungsproblemen,
57 insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen in Art. 5
58 GG genannten Grundrechte, aber auch im Hinblick auf die
59 Frage, wann eine Vorzensur vorliegt.
60 In einigen Ländern der Welt (z. B. China, Iran, Kuba,
61 Myanmar, Weißrussland) wird auch heute noch immer Zensur
62 durch die dortigen staatlichen Stellen ausgeübt und
63 durchgeführt. Sie erstreckt sich auch auf das Internet (vgl.
64 S. 4 Freedom on the Net 2011, A global assessment of
65 Internet and Digital Media vom 18. April 2011). Der sog.
66 arabische Frühling in Ägypten und Tunesien hat jedoch auch
67 gezeigt, dass das Internet trotz vorhandener totalitärer
68 Regime als Mittel zum Umgehen einer staatlichen Zensur
69 verwendet werden kann.
70
71 Ein staatliches oder privates Verändern oder Unterdrücken
72 einzelner Inhalte ist technisch relativ einfach und
73 effizient möglich. [FN: Vgl.: Dragan Espeschied, Alvar C.H.
74 Freude: insert_coin – Verborgene Mechanismen und
75 Machtstrukturen im freisten Medium von allen; Stuttgart,
76 2001; online verfügbar unter http://odem.org/insert_coin/
77 (abgerufen am 11. Januar 2012)] Zwar ist aufgrund der
78 Architektur des Internets auch eine Umgehung von
79 Zensur-Techniken einfach möglich: eine unkontrollierte
80 Verbindung (dies kann beispielsweise auch über eine
81 Modem-Verbindung ins Ausland erfolgen) reicht für den
82 Zugriff auf das gesamte Internet aus. Für die meisten
83 Menschen ist dies aber unpraktikabel und wird vor allem dann
84 genutzt, wenn es ihnen besonders wichtig erscheint. Mehr
85 praktische Bedeutung haben aufgrund der einfacheren
86 Bedienung (anonyme) Proxy-Server [FN:
87 http://de.wikipedia.org/wiki/Proxy_(Rechnernetz)] und
88 dedizierte Anonymisierungsdienste wie beispielsweise Tor
89 [FN: https://www.torproject.org/] und i2p [FN:
90 http://www.i2p2.de/].
91
92 Sowohl der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für
93 das Recht auf Meinungsfreiheit Frank La Rue in seinem
94 Bericht vom 16. Mai 2011 (Report of the Special Rapporteur
95 on the promotion and protection of the right to freedom of
96 opinion and expression, A/HRC/17/27) als auch die G8-Staaten
97 haben in ihrer Abschlusserklärung des Gipfels in Deauville,
98 Frankreich vom 26.05/27.05.2011 (G8 Declaration renewed
99 Commitment for Freedom and Democracy) noch einmal diese
100 besondere freiheitliche Funktion des Internets hervorgehoben
101 und als besonders schützenswert angesehen.
102
103 Neben der dargestellten „klassischen Zensur“ kann es auch
104 aus anderen Gründen zum Löschen von Inhalten im Internet
105 kommen. Die Gründe hierfür sind allerdings äußerst
106 vielseitig. Verstoßen eingestellte Inhalte gegen
107 strafrechtliche Vorschriften so sind sie von den
108 Diensteanbietern und Host-Providern zu löschen. In der
109 Praxis kommt es zudem vor, dass Diensteanbieter oftmals
110 unsicher sind, ob sie Inhalte zu löschen haben. Viele
111 entscheiden sich in solchen Fällen für eine Löschung, weil
112 sie ansonsten befürchten, im Falle einer Nicht-Löschung
113 verantwortlich gemacht zu werden.
114
115 Aber auch Online-Zeitungen oder Blogs haben die Möglichkeit,
116 das Veröffentlichen von Inhalten zu verzögern oder zu
117 blockieren. Wenn diese ehrabschneidend oder beleidigend
118 sind, kommen sie damit ihren gesetzlichen Verpflichtungen
119 nach, da sie ansonsten auf dem Zivilrechtsweg von
120 Geschädigten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden
121 könnten (vgl. BGH Urteil v. 25.10.2011 – Az.: VI ZR 93/10).
122 Hiervon losgelöst zu betrachten, ist die von manchen Nutzern
123 als bevormundend empfundene Moderation von Diskussionsformen
124 und vergleichbaren Angeboten im Sinne der "Netiquette".
125 Anbieter von Suchmaschinen unterliegen als Diensteanbieter
126 ebenfalls den bereits erwähnten rechtlichen Verpflichtungen.
127 Bei ihnen wird jedoch darüber hinaus diskutiert, ob sie auch
128 zu einer neutralen Darstellung der Ergebnisse einer
129 Suchanfrage verpflichtet sind (Suchmaschinenneutralität).
130 Dies ist für Nutzer, Inhalte- und Diensteanbieter bedeutsam
131 und hat nicht zuletzt auch wettbewerbsrechtliche Gründe
132 ("inhaltliche Netzneutralität", vgl. hierzu PG
133 Netzneutralität).

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