Zitat: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich bereits aus Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 (BVerfGE 65, 1) als Grundrecht anerkannt.
Es ist ein vom Bundesverfassungsgericht konstatiertes, jedoch vom Gesetzgeber nicht in einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren verabschiedetes Grundrecht. Um es als Grundrecht mit Verfassungskraft im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG behandeln zu können, wäre eine Grundgesetzänderung gemäß Art. 79 Abs. 2 GG notwendig. Bis dahin ist es eine Absichtserklärung bzw. Staatszielbestimmung und kein eigenständiges Grundrecht, da es seine Rechtskraft einfachgesetzlich aus § 31 BVerfGG (Bundesverfassungsgerichtsgesetz) bezieht und nicht aus einer dazu benötigten konstitutiven Ermächtigung im Sinne des Art. 79 Abs. 2 GG. Die in § 31 BVerfGG enthaltende Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kann in keinem Falle eine ein neues Grundrecht konstitutiv begründende sein, da es auch dem Bundesverfassungsgericht an dieser verfassunggebenden Macht mangelt (vgl. BVerfGE 1,1 4 - Südweststaat, Leitsatz 20, 21), sie hat demnach allenfalls eine einfachgesetzliche Wirkung. Der Bezug zur EMRK kann hier dahingestellt bleiben, da diese nicht dem Verfassungsrang des ihr vorgehenden Grundgesetzes entspricht und darüber hinaus selten erfolgreich eingeklagt werden kann.
Zitat: Diese Rechtsprechung wurde beispielsweise in BVerfGE 109, 279 bestätigt. Selbstverständlich ist dieses Grundrecht über Art. 2 Abs. 1 GG einklagbar. Leitsatz 2 des Urteils vom 15.12.1983 ist im Lichte des Art. 19 Abs. 1 GG zu verstehen - das BVerfG musste hier die Regelung des Art. 19 Abs. 1 GG nicht noch einmal wiederholen, weil sich diese von selbst ergibt. Daher besteht bereits ein effektiver Grundrechtsschutz.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist judikativ, hat also vorbehaltlich § 31 BVerfGE weder legislative (gesetzgeberische), jedoch auf keinen Fall konstitutive (verfassunggebende) Macht, wei weiter oben ausgeführt. Eine eventuell grundrechtsfreundliche Auslegung des 2. Leitsatzes nach erfolgter Verletzung des angeblichen Grundrechts ersetzt in keinem Fall das Erfordernis der Voraussetzung der Erfüllung der in Art. 19 Abs. 1 GG zwingend vorgeschriebenen zweifachen Gültigkeitsvoraussetzungen für dieses Grundrecht einschränkende Gesetze, sofern es sich hier um ein Grundrecht handelt. Der Normtext ist eindeutig und unzweifelhaft. Er geht allem vor, hier sogar mit Verfassungskraft. Auch hat nicht das Bundesverfassungsgericht die einschlägige Regelung des Art. 19 Abs. 1 GG zu befolgen, sondern der Gesetzgeber, da sich diese Norm unmittelbar an den Gesetzgeber wendet und nicht umsonst bei den Beratungen des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 08.02.1949 zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG als "Fessel des Gesetzgebers" bezeichnet wurde (vgl. HptA. 47. Sitz. StenBer S.620 lks., Abg. Dr. Dehler: "Wir wollen diese Fessel des Gesetzgebers ...").
Die weiterhin herbeigeredete Selbsterfüllung der Vorschriften gemäß Art. 19 Abs. 1 GG ist eine beliebte Ausrede der öffentlichen Gewalt zum Zwecke der Vermeidung der deklaratorischen Feststellung der Ungültigkeit vieler Gesetze, welche diese Vorschriften nicht erfüllen und demnach formell nichtig sind. Es wird dahingehend eine Offenkundigkeit erklärt, welche die Erfüllung der Vorschriften des Art. 19 Abs. 1 GG vermeiden helfen soll. Dahingehend geht Ihr o.a. Argument ins Leere. Ein garantierter und effektiver Grundrechtsschutz, welcher ausschließlich auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abstellt, besteht also mangels Erfüllung des grundgesetzlich vorgeschriebenen Charakters eines Grundrechts nicht. Aus diesem Grunde ist auch eine Klage gegen die Erfassung von Daten dahingehend ergebnislos, als dass sie nicht dazu führt, dass dieses Grundrecht erst gar nicht unzulässigerweise verletzt wird. Es existiert eben keine unmittelbare Rechtsbindung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG
Zitat: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist keineswegs "durch jede Exekutivhandlung" einschränkbar. Daher besteht kein Bedarf für die vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes, welche im Übrigen aufgrund der benötigten Mehrheiten nur sehr schwer durchsetzbar wäre.
Der Nachweis der Unstimmigkeit Ihrer im ersten Halbsatz aufgestellten Behauptung wird schon durch die im Moment laufende Volkszählung sowie durch faktische Vorratsdatenspeicherung widerlegt, durch welche die Exekutive sehr wohl durch unkontrollierte Datenerfassung in dieses angebliche Grundrecht eingreift ohne dass sich der Bürger vorab und erfolgreich gegen solche Eingriffe wehren kann, da er diesbezgl. der einfachen Gesetzgebung unterworfen ist, eben weil dieses Grundrecht keines im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG ist. Da es aber eben deshalb auch nicht als eigenständiges Grundrecht im Grundgesetz selbst verankert ist, geht natürlich der Hinweis aus Art. 19 Abs. 1 GG leer, denn es existiert ja nur als Definition ohne Normwert und ist dahingehend eben auch nicht als unmittelbar geltendes Recht im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG durchsetzbar.
Die in Halbsatz 2 getroffenen Annahme eines mangelnden Bedarfs der Einfügung dieses Grundrechts in den Grundrechtekatalog als selbständiges Grundrecht mangels Eingriffen durch die Exekutive entspricht nicht der Rechtswirklichkeit und ihr kann also dahingehend nicht gefolgt werden. Die Annahme eines bestehenden Mangels einer für eine solche Grundgesetzänderung benötigten Mehrheit im Sinne des Art. 79 Abs. 2 GG entbehrt hier jeder Grundlage, es sei denn, Sie wären Abgeordneter des Deutschen Bundestages und wüssten von mindestens einer 2/3-Mehrheit Ihrer Kollegen, dass sie ein solches Bürgerbegehren a priori ablehnen würden, was - im Falle einer nicht zu erwartenden Annahme - nichtsdestotrotz durch eine offizielle Abstimmung zu verifizieren wäre.
Aber selbst unter hilfsweiser Herbeiziehung der Richtigkeit Ihrer Annahmen stünde der Einfügung eines solchen eigenständigen Grundrechts nichts entgegen. Wenn es wirklich bereits heute ein einklagbares Grundrecht mit unmittelbarer Rechtsbindung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG wäre und die es einschränkenden einfachgesetzlichen Normenen ihm nachrangig wären und die Gültigkeitsvoraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 GG erfüllen würden (was alles nachweislich nicht der Fall ist), warum sollte es dieser angenommenen Tatsache entgegenstehen, einen kleinen einfachen Satz in das Grundgesetz einzufügen? Nur so zur Sicherheit für den "juristisch durchschnittlich gebildeten Laien", wie der Grundrechtsträger von den Grundrechtsverpflichteten so gern in einschlägigen Kreisen genannt wird. Immerhin wird Sicherheit heute als Allheilmittel angepriesen und dieser Sicherheit die Grundrechte untergeordnet. Warum also nicht ein kleines bisschen Grundrechtssicherheit auch für den Grundrechtsträger? Die Kosten sind überschaubar und die Wirkung wäre um so größer. Vom Zuwachs an Vertrauen gegenüber dem Staat ganz zu schweigen.
Wenn diese von Ihnen behauptete Sicherheit eine reale Tatsache ist, dann ist eine Einfügung um so weniger ein Problem und würde so nur zu Recht der Rechtswirklichkeit entsprechen. Entsprechen Ihre Bekundungen jedoch nicht der Rechtswirklichkeit, dann ist es umso wichtiger, ein solches Grundrecht in das Grundgesetz einzufügen.