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Volksentscheid im Internet


Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Legislative, Exekutive und Judikative liegen damit schlussendlich einzig und allein in den Händen des Volkes. Das Volk lässt sich bei seiner Willensbildung zwar von einzelnen Organen vertreten, ohne dabei jedoch seine originäre Verantwortlichkeit für die Geschicke des Staates aus der Hand zu geben. Von dieser Grundvoraussetzung war die Bundesrepublik in ihren Gründerjahren freilich Lichtjahre entfernt. Eine Lähmung der Staatsgeschäfte wäre die Folge gewesen, hätte man vor wichtigen Entscheidungen jedesmal die Wahlberechtigten eines 60-Millionen-Volkes durch Abgabe einer schriftlichen Erklärung nach ihrer Meinung befragt. Das Meinungsbildungssystem in Form politischer Parteien war die logische Konsequenz, allerdings mit der Folge, dass das staatliche Handeln im Wesentlichen von abgeschotteten Zirkeln zwar demokratisch gewählter aber ansonsten autark handelnder Personengruppen geprägt wird. Der Bürger darf den Abgeordneten seines Wahlkreises wählen und auch eine Partei, ob allerdings sein politischer Wille letztlich im Einzelnen respektiert wird, darauf kann er allenfalls vertrauen. Eine Gewissheit gibt es letztlich nicht. Bereits die Bildung von Koalitionen je nach Wahlausgang verfälscht den Wählerwillen, eine politische Neuorientierung der politischen Machtstrukturen nach Misstrauensanträgen im Parlament erst recht. Der Bürger würde zwar gerne in die politische Meinungsbildung auch ausserhalb der Wahltermine eingreifen, das parlamentarische System lässt dies jedoch nicht zu. Ein Widerspruch in sich, denn die Macht soll vom Volke ausgehen und nicht von Parteivorsitzenden.

Inzwischen bieten Internet und mobile Funknetze ganz andere Möglichkeiten der individuellen und zudem auch noch raschen Meinungsfindung des einzelnen Wahlberechtigten. Was Ende der Vierzigerjahre von Wissenschaftlern nicht einmal als kühne Vision angedacht war, ist längst Realität. Mit wenigen Mausklicks loggt man sich in Diskussionsforen ein und kann quasi in Echtzeit zu dem einen oder anderen Thema seine Meinung kundtun. Warum sollte das nicht auch in Realpolitik möglich sein? So könnten beispielsweise Volksentscheide mit Hilfe von Wahl- bzw. Abstimmterminals in den Rathäusern der Kommunen oder online per Computer erfolgen. Zur Identifikation erhielte jeder stimmberechtigte Bürger mit der Vollendung seines 18. Lebensjahres eine 16-stellige Identifikationsnummer und ein 16-stelliges Passwort. Für die Sicherheit der Datenübertragung und -sicherheit hat die Parlamentsverwaltung zu sorgen.

Ein Volksentscheid könnte entweder auf Initiative von einem Zehntel der Bürger durch Volksbegehren oder einem Zehntel der Abgeordneten im Parlament oder durch Entscheidung des Bundespräsidenten erfolgen. Abgesehen von den Votierungen der Bundestagsabgeordneten oder des Bundespräsidenten muss zudem jedem wahl- und abstimmungsberechtigten Bürger die Möglichkeit gegeben sein, zum Zwecke einer Gesetzesinitiative oder wegen einer Entscheidung von nationaler Bedeutung ein Volksbegehren anzuregen. Seinen Vorschlag unterbreitet er beispielsweise online auf einem von der Bundestagsverwaltung eigens hierfür eingerichteten Speichermedium (Server). Die übrigen wahl- und abstimmungsberechtigten Bürger können für oder gegen diesen Vorschlag abstimmen. Die Stimmabgabe ist geheim. Im Zuge der Stimmabgabe werden lediglich die Übereinstimmung von Identifikationsnummer und Passwort geprüft und diese Daten nach Ablauf der Frist für das Volksbegehren umgehend gelöscht. Ergibt sich eine Mehrheit von 10% der wahl- und abstimmungsberechtigten Bürger für den Vorschlag, gilt er als angenommen für die Durchführung eines Volksentscheids.

Eine Gesetzesinitiative oder eine Entscheidung von nationaler Bedeutung gilt als beschlossen, sofern mehr als die Hälfte aller wahl- und abstimmungsberechtigten Bürger in dem Volksentscheid hierfür votiert. Änderungen der Verfassung bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Zwischen Volksbegehren und Volksentscheid dürfen nicht mehr als 14 Tage liegen. Nachdem eine Gesetzesinitiative durch Volksentscheid beschlossen ist, erlässt der Bundestag mit einfacher Mehrheit ein neues Gesetz oder ändert oder schafft ein bestehendes Gesetz ab. Sollten durch den Erlass, die Änderung oder Abschaffung eines Gesetzes andere Rechtsvorschriften berührt sein, hat der Bundestag in Abstimmung mit der Bundesregierung für eine Anpassung solcher Rechtsvorschriften an die geänderte Rechtslage zu sorgen. Entscheidungen von nationaler Bedeutung sind seitens der Bundesregierung unverzüglich umzusetzen.


Diskussionen

  • Soweit ich das bisher mitverfolgt habe gibt es zwei Probleme, die man mit einer Online-Abstimmung (oder bei Wahlcomputern) nicht gleichzeitig lösen kann (egal wie viel Kryptographie man nach dem Problem wirft): Jeder muß überprüfen können, daß die Abstimmung nicht manipuliert wurde (also insbesondere die eigene Stimme korrekt registriert wurde) und es muß unmöglich sein, jemand anders zu beweisen wie man abgestimmt hat (sonst droht Einflußnahme)

  • Technisch möglich ist sehr wohl die schnelle Abgabe von Stimmen.

    Für die nicht manipulierbare oder gar anonyme Abgabe von Stimmen sind allerdings dezentralisierte Netzwerke möglich, die bisher nicht in akzeptabler Form entwickelt wurden.

    Daher muss, bevor diese Art der Abstimmung umgesetzt werden darf, die technische Grundlage einer fälschungssicheren (obwohl im Endeffekt an einer zentralen Stelle in Empfang genommene) Meinungsbefragung erörtert bzw. geschaffen werden.

  • Freeyourmind ist dagegen
    +3

    Abstimmungen per Internet kann ich nicht befürworten, weil 1. diese Vorgehensweise immer noch einen Teil der Bevölkerung, die nicht im Internet sind, oder nicht teilnehmen wollen, auschließt. 2. ist Datenübertragung anfällig für Manipulation und auch die Auswertung der Daten wäre manipulierbar.

    • ad 1.) Leute, die heute noch offline sind, können ihre Stimme via Abstimmungsterminal bequem im Rathaus abgeben. Pflegebedürftige, denen dieser Weg nicht zuzumuten ist, können via Computer z.B. per tragbarem Laptop im Pflegeheim abstimmen. Die Offline-Gesellschaft wird zwangsläufig immer kleiner. In spätestens 10 Jahren wird Deutschland eine reine Online-Gesellschaft sein. Der Handel beispielsweise wird nur noch über das Internet abgewickelt. Bereits heute hat doch bei näherem Hinsehen eigentlich kaum einer mehr eine Chance beispielsweise zum Banking, der nicht online ist oder wenigstens das Banking per Terminal beherrscht. Oder er zahlt sündhaft hohe Bankgebühren.

      ad 2.) Kernaufgabe der Parlamentsverwaltung ist in diesem Zusammenhang, die Datensicherheit bei der Stimmabgabe zu gewährleisten. Dies erfordert natürlich einigen Aufwand. Entsprechende Firewalls und Sicherheitssoftware zu konzipieren dürfte jedoch für die Softwareindustrie kaum ein Problem darstellen. Die Auswertung der Stimmen müsste anschließend unter Aufsicht von Vertretern des Parlaments und des Bundesverfassungsgerichts stattfinden. Von administrativer Seite her wäre eigentlich alles sicher. Und wer wirklich manipulieren sollte, der wandert ohne Wenn und Aber ins Gefängnis. Wegen Landesverrats. Alleine diese Aussicht dürfte Abschreckung genug sein.

      Man muss sich mal vor Augen halten, welche Unsummen alleine die konservative Stimmabgabe bei den alle paar Jahren stattfindenden Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen verschlingt. Gelder des Steuerzahlers, die durchaus für sinnvollere Aufgaben verwendet werden könnten, wenn man seine Stimme online oder per Wahlcomputer in den Rathäusern abgeben würde. Selbst die Briefwahl ist teuer. Und ist im Prinzip genauso manipulierbar, denn wer gewährleistet, dass man bei der Auszählung nicht ein paar Kartons mit Briefwahlunterlagen irgendwo 'vergisst'? Letztens erst wieder passiert.

      • "Abstimmungsterminal" Du hast schon mitbekommen, welchen Ärger wir mit Wahlcomputern hatten?

        "Kernaufgabe der Parlamentsverwaltung ist in diesem Zusammenhang, die Datensicherheit bei der Stimmabgabe zu gewährleisten." Wie soll das gehen???

        "Dies erfordert natürlich einigen Aufwand." Unglaubwürdig. Das wird nicht billiger als Papierwahlen.

        "Entsprechende Firewalls und Sicherheitssoftware zu konzipieren dürfte jedoch für die Softwareindustrie kaum ein Problem darstellen." Doch. Das ist technisch ein riesiges Problem.

        "Die Auswertung der Stimmen müsste anschließend unter Aufsicht von Vertretern des Parlaments und des Bundesverfassungsgerichts stattfinden." Die zählen dann die Bits? Oder werden sie nicht gezählt sondern gleich gewertet. Die ist gut und die eher nicht. Das Parlament überwacht die Wahl. Lang lebe der Diktator! Das Bundesverfassungsgericht ist aktuell eine Instanz, die über großes Vertrauen in der Bevölkerung verfügt. Aber die haben schon mit ihren Aufgaben zu tun. Das ist ein Gericht, weißt Du?

        "Von administrativer Seite her wäre eigentlich alles sicher." Haha.

        "Und wer wirklich manipulieren sollte, der wandert ohne Wenn und Aber ins Gefängnis. Wegen Landesverrats. Alleine diese Aussicht dürfte Abschreckung genug sein." Viva la revolucion!

        Ich nehm Deine Ausführung mal besser humoristisch.

  • TimFox ist dagegen
    +1

    Das soll mal schön auf Papier passieren. Oder gibt es schon Papier Torjaner, Viren? Kreuz im Kringel kapiert auch jeder. Mal abgesehen davon glaube ich das der der die Medien regiert auch dass Volk regiert. Medien sind Mächtiger als legislative. Wenn man jederzeit Volksentscheide machen könnte kämen sehr emotionale Entscheidungen durch, gemacht von Medien. Volksentscheide auf kommunaler Ebene finde ich voll ok.

  • TimFox ist dagegen
    +1

    VIEL ZU UNSICHER.

    Internet ist noch lange nicht sicher genug um wahlen abzuhalten. Obendrein ist die Bevölkerung noch lange nicht dazu in der lage. Millionen Rentner haben keinen Zugang zum Internet, womit man eh wieder flächendeckend Offline Wahlangebote geben müsste. Wo spart man den dann, wenn man 2 Wahlverfahren anbieten muss?

    Wahlen sind derzeit nur schriftlich sicher und transparent. Ich denke das dauert auch noch etliche Jahre bis eine technische Lösung etabliert ist.

  • cschoen ist dagegen
    +1

    Doppelter Vorschlag. Bitte hier weiter: Volksabstimmungen im Internet

  • MKlar ist dafür
    -1

    Die Idee an sich finde ich hervorragend, denn das Internet gibt jedem ohne hohe Kosten die Möglichkeit, sich in Ruhe über jedes Thema zu informieren und auch sich dazu zu äußern, z. B. hier.. Die Beteiligungsdemokratie darf nicht zu umständlich werden, sonst wirkt das hemmend, wie man heute schon bei komplizierten Volksbegehrensverfahren auf Länderebene feststellen kann. Außerdem gibt es mittlerweile viele Sicherungs- bzw. Verschlüsselungstechnologien, wie sie z. B. im Bankenwesen angewendet werden. Allerdings bedarf das vorgeschlagene Verfahren meiner Ansicht nach einiger Verbesserungen. Besonders wichtig erscheint mir, dass zwischen der Ankündigung eines Begehrens oder einer Gestzesinitative und dem tatsächlich stattfindenden Volksentscheid hinreichend Zeit für öffentliche Diskussionen und eine faire Information durch die Vertreter von Für und Wider besteht. Es besteht sogar eine große Gefahr, sollten die Fristen zu kurz sein, nä,lich die Gefahr der emotinalen, vorzeitigen Entscheidungen,. ohne das hinreichend Informationen vorliegen. Die Zeit zwischen Ankündigung und Entscheid sollte etwa sechs Monate betragen, aber nicht länger, als ein Jahr.

    • Es gibt folgenden Unterschied zum Bankwesen:

      • Beim Online-Banking führt man identifiziert eine Aktion aus.
      • Bei demokratischen (also geheimen) Wahlen wird man identifiziert und führt eine Aktion aus, dies wird aber voneinander getrennt, d. h. die Aktion kann nicht der ausführenden Person zugeordnet werden.
  • HLemke SV ist dagegen
    -1

    Das Thema ist in Deutschland bereits mehrere Tode gestorben. Alle Argumente sind bereits zusammengetragen und abgewogen, eine politische und gesellschaftliche Mehrheit ist nicht absehbar.

  • joergbuehmann ist dagegen
    -1

    Nach dem Bundesverfassungerichtsurteil zum Einsatz von Wahlcomputern macht der ganze Vorschlag keinen Sinn. Wahlcomputer gefährden die gleiche, geheime und nachvollziehbare Wahl. Wahlfälschungen sind sehr leicht vorzunehmen und nur sehr schwer nachzuweisen.

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