Netzwerkbefähigung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter
Die Verwaltungsausbildung auf allen Ebenen umfasst bislang keine oder kaum aktive Hilfestellungen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen einen souveränen und sicheren Umgang mit neuen Medien und sozialen Netzwerken im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Während sich die Gesellschaft in Richtung hoch dynamischer Netzwerke entwickelt, orientieren sich die Verwaltungsstrukturen und -abläufe weiterhin an mehr als zweihundertjährigen Grundsätzen und Traditionen. Den Verwaltungsmitarbeitern und der Verwaltung insgesamt muss die Chance gegeben werden, die Potenziale der Netzwerkgesellschaft aktiv zu nutzen und selber Teil dieser Netzwerke zu werden. Die Verwaltungsausbildung soll daher in Zukunft - mit Spezialisierung auf die unterschiedlichen Verwaltungslaufbahnen - Module für Transparenz (Benchmarks, Score Cards, Leistungskennziffern, Offene Daten, Informationsfreiheitsgesetz IFG, Informationsweiterverwendungsgesetz IWG), Partizipation (hier ist nicht die Beteiligung im politischen Sinne gemeint, sondern insbesondere die Beteiligung im Rahmen exekutiver Verfahren), und Kollaboration umfassen. Hierzu gehören auch Trainings zu Medienkompetenz (im modernen Sinne), aktivem Innovations-Monitoring, Community Management u.v.a.
ChristianClemensWerth ist dafür
Dieser sehr begrüßenswerte, auf einen strukturell-formal fundamentalen Aspekt der theoretischen Möglichkeiten zukünftiger Strukturen politischer Teilhabe und Kommunikation hinweisende Vorschlag stellt eine wesentliche Voraussetzung zur Einhaltung und Gewährleistung von in diesem Zusammenhang grundlegend relevanten Kriterien und Rechten dar.
Zur Erklärung:
Verwaltungsmitarbeiterinnen und - mitarbeitern kommt in vielen Positionen zwangsläufig die Rolle einer Instanz der primären Selektion, einer "Schleusenwärterin", eines "Schleusenwärters" zu, die im Bedarf zur Umsetzung technisch-formaler Bedingungen, Regeln und Richtlinien begründet ist.
Für die mit dieser Umsetzung vorwiegend formaler Ansprüche im Zusammenhang mit politischer Partizipation und Kommunikation beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein hohes Maß an Kompetenz (s. im Vorschlag angesprochene Kompetenzbereiche) eine wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit und das Ausmaß der demokratischen Wirklichkeit der von seiten des Bundestages zur Verfügung gestellten Module politischer Partizipation und Kommunikation u.a. in Hinblick auf die bewußte und auch (durch Verfahrensgrundsätze zu regelnde) unbewußte, im angesprochenen Kontext obligatorisch zu gewährleistende Neutralität.
Ist ein solches Kompetenzsoll nicht gegeben, droht eine Überforderung mit der im Einzelfall potentiell fatalen Konsequenz einer unbewüßten (oder sogar bewußten) Einflußnahme auf die Wirklichkeit des demokratischen Prozesses bzw. einer diese Defizite nutzenden Manipulierbarkeit desselben.
In der Konsequenz droht (v.a. im extremen Einzelfall) die Situation einer "Demokratie- bzw. Partizipations-Simulation", die im übrigen eine als grundsätzlich wesentlich zu erachtende Gefahr im Themenkomplex der (nicht nur) digitalen politischen Partizipation und Kommunikation darstellt.
Diese Darstellung hat zugegebenermassen das Potential als übertrieben klassifiziert bzw. bloßes "worst-case"-Szenario interpretiert zu werden.
Dieser Verdacht löst sich jedoch v.a. bei der Betrachtung einzelner Beispiele umgehend auf.
Ein den akuten Handlungsbedarf sehr deutlich veranschaulichendes Beispiel:
Die Moderation des Forums des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages ist bei der Umsetzung und Auslegung der Richtlinien des genannten Forums, trotz offensichtlicher Bemühungen und Verbesserungstendenzen, augenblicklich hoffnungslos überfordert.
Insbesondere betroffen ist die Moderation in Hinblick auf die Sachlichkeit und Themenbezogenheit von Beiträgen der Forumteilnehmer und die damit assoziierte Löschung einzelner Beiträge oder sogar Schließung ganzer Diskussionsstränge.
Die Richtlinien des Forums sehen solche Löschungen bzw. Schließungen unter bestimmten Bedingungen explizit vor.
Die subjektiv empfundene Notwendigkeit in einzelnen Fällen einzugreifen, überstieg in vielen Fällen bei weitem das erforderliche Maß bzw. wurde in anderen, wesentlich eindeutig gelagerteren Fällen nicht gesehen.
In Diskussionen zu einzelnen Petitionen hat diese Problematik in Kombination mit den teilweise auch aus nachvollziehbaren Gründen überbordenden Reaktionen der Forumteilnehmer zu einer regelrechten Auslöschung der eigentlichen Diskussion in bezug auf das Petitionsanliegen geführt.
Paradoxerweise ist dieses Resultat jedoch genau jenes, welches eine Moderation durch Ihr Eingreifen u.a. zu verhindern versucht.
Findet dann eine Diskussion über das Petitionsanliegen aufgrund des Kompetenzmangels der Moderation nicht mehr statt, erfolgt eine sehr massive Beeinflussung der demokratischen Behandlung des Petitionsanliegens und der diesbezüglichen Möglichkeit zur politischen Partizipation.
In diesem Zusammenhang gilt es zu erwähnen, dass die besonderen Anforderungen an die Kompetenzen der Moderation des genannten Forums jedoch auch in der Formulierung der Richtlinie jenes Forums liegen.
So ist beispielsweise die Löschung eines "themenfremden" Beitrages sicherlich schwer objektiv beurteilbar.
Zudem geht eine Beitragslöschung automatisch mit einer aus Sicht der Teilnehmer unwiderbringlichen Löschung einher, es existiert keine ausgelagerte einsehbare Historie der Inhalte gelöschter Beiträge.
Hierdurch erreicht der Status der Moderation strenggenommen faktisch sogar den eines Zensors.
Dieser Zustand ist im Rahmen der Anwendung und Entwicklung von Modulen politischer Partizipation und Kommunikation durch den Deutschen Bundestag schlichtweg inakzeptabel und bedarf dringender Korrekturen.
Da auch nicht nur direkt die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffende, sondern auch formal-strukturelle Aspekte tangiert sind, sehe ich jedoch den Vorschlag vielmehr als Bestandteil einer dringend zu fordernden und längst überfälligen übergeordneten Qualitätssicherung.
Eine entsprechende Anregung für das Gebiet der Moderation habe ich auch bereits im Forum des Petitionsausschusses unter dem Titel "Qualitätssicherung auf dem Gebiet der Moderation" (https://epetitionen.bundestag.de/index.php?topic=12446.0) getätigt.
Ebenso thematisiert in einem Beitrag zum Diskussionsstrang der Anregung "Regelwerk - Anwendung auf die Moderation" (https://epetitionen.bundestag.de/index.php?topic=12403.msg200880#msg200880).
Das österreichische Beispiel von Leitlinien zur Qualitätssicherung
Am 2. Juli 2008 hat der österreichische Ministerrat die „Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung“ beschlossen und damit der österreichischen Bundesverwaltung zur Anwendung empfohlen.
Im Jahre 2011 wurde diese Initiative des österreichischen Bundeskanzleramtes und des Lebensministeriums um den noch umfangreicheren "Praxisleitfaden zu den Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung" erweitert.
Ich habe noch nur eingeschränktes Wissen über die Frage, ob im Bundestag bereits ähnliche Leitlinien existieren.
Sie wären jedoch mit Sicherheit obligat im Sinne einer "guten Praxis", und eines der denkbaren Resultate der Arbeit dieser Enquete-Kommission.