Papier: 04.04.04 Probleme bei einer digitalen Aktenführung

Originalversion

1 Der Einsatz elektronischer Akten bei Gericht verändert
2 grundlegend die Betriebsabläufe und Arbeitsweise der
3 Richter, Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Es gibt bisher
4 keine hinreichenden praktischen Erfahrungen um sicher
5 einschätzen zu können, wie die elektronische Akte beschaffen
6 sein muss und mit welchen Funktionen sie ausgestattet sein
7 muss, um auf dieser Basis z. B. eine öffentliche Verhandlung
8 durchzuführen. Solche Erfahrungen müssen erst gewonnen
9 werden. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass die
10 elektronische Akte vor allem ein brauchbares Arbeitsmittel
11 für die Richter ist und diese bei ihren Aufgaben
12 unterstützt. Nur dann wird man erwarten können, dass eine
13 elektronische Gerichtsakte ergonomisch ist und Akzeptanz
14 finden wird. Hier steht noch ein langer Weg bevor, bei dem
15 auch die Industrie Aufgaben zu erledigen hat. Die heute am
16 Markt verfügbaren Endgeräte sind für eine den Einsatz einer
17 elektronischen Gerichtsakte optimierungsbedürftig.
18
19 In diesem Zusammenhang spielt ferner die Schaffung sog.
20 "E-Justice-Kompetenz" eine Rolle, die derzeit auf
21 Amtschefebene diskutiert wird. Um es auf den Punkt zu
22 bringen: Die elektronische Gerichtsakte darf nicht den in
23 Informationstechnik ausgebildeten Juristen voraussetzen.
24 Andererseits wird die Arbeit mit einer elektronischen
25 Gerichtsakte ohne intensive Schulung und Routine für den
26 Richter eher eine Erschwerung seiner Arbeit darstellen. Auch
27 insoweit stehen also noch beachtliche Aufgaben bevor und
28 reicht es nicht aus, die Probleme allein auf eine rechtliche
29 Thematik zu beschränken.
30
31 Gleichzeitig tauchen aber auch Probleme bei der digitalen
32 Aktenführung auf. So stellt sich in diesem Zusammenhang
33 insbesondere das Problem der Umwandlung eines elektronischen
34 Dokumentes in ein Papierdokument durch Ausdrucken sowie
35 eines Papierdokumentes in ein elektronisches Dokument durch
36 Einscannen. Soweit in einem auf herkömmliche Art geführten
37 gerichtlichen Verfahren besondere Formvorschriften gelten
38 wie z. B. die Schriftform oder die Unterschriftserfordernis,
39 so gelten auch für das elektronische Pendant besondere
40 Anforderungen. Denn die ausgedruckten Papierdokumente müssen
41 die gleiche Rechtsqualität haben wie die zugrundeliegenden
42 elektronischen Originaldokumente und umgekehrt. [FN:
43 Viefhues, Wolfram, in: Kilian, Wolfgang/Heussen, Benno
44 (Hrsg.). Computerrecht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Rn
45 80.]
46
47 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 298 Abs. 1 ZPO,
48 wonach ein bei Gericht eingegangenes oder im Gericht
49 erstelltes elektronisches Dokument für die Akten ausgedruckt
50 werden kann. Gemäß §. 298 Abs. 2 ZPO muss der Ausdruck
51 allerdings den Vermerk enthalten, welches Ergebnis die
52 Integritätsprüfung des Dokumentes ausweist, wen die
53 Signaturprüfung als Inhaber der Signatur nachweist und
54 welchen Zeitpunkt die Signaturprüfung für die Anbringung der
55 Signatur beglaubigt.
56
57 Probleme ergeben sich im umgekehrten Falle, also der
58 Transformation eines Papieroriginals in ein elektronisches
59 Dokument, im Hinblick auf die Beweiskraft der eingescannten
60 elektronischen Kopie. Hierbei sind zwei mögliche Varianten
61 denkbar: Zum einen könnte die elektronische Kopie zum
62 maßgeblichen Beweisstück werden. Das Original in Papierform
63 verliert sodann seine Bedeutung. Für diese Variante besteht
64 allerdings bislang keine gesetzliche Regelung. [FN:
65 Ausnahme: § 110 b Abs.3 OWiG.] Das JKomG entschied sich mit
66 der Neuregelung des § 298a Abs. 2 ZPO vielmehr für die
67 zweite Lösung. Danach sollen eingereichte Schriftstücke
68 eingescannt werden, wobei die Unterlagen, sofern sie in
69 Papierform weiter benötigt werden, bis zum rechtskräftigen
70 Abschluss des Verfahrens aufzubewahren sind. [FN: Viefhues:
71 Das Gesetz über die Verwendung elektronischer
72 Kommunikationsformen in der Justiz, NJW 2005, 1009 (1013).]
73 An diese Regelung knüpfen sich allerdings eine Vielzahl
74 praktischer Probleme, da für das weiterhin aufzubewahrende
75 Dokument ggf. eine parallele Papierakte geführt werden muss,
76 wodurch die Vorteile einer elektronischen Aktenführung
77 konterkariert werden. Zudem lässt sich die Frage, ob das
78 einzuscannende Papierdokument ggf. aufzubewahren ist, beim
79 Eingang des Dokuments kaum sicher beantworten. [FN:
80 Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.).
81 Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4
82 Justizkommunikation, Rn. 70.
83 ] Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens wiederum,
84 sind gewisse Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen zu
85 vernichten, was zu dem Problem führen kann, dass zahlreiche,
86 teilweise an verschiedenen Stellen gelagerte Dokumente
87 herausgesucht und einzeln vernichtet werden müssen. [FN:
88 Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.).
89 Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4
90 Justizkommunikation, Rn. 70.] Vor dem Hintergrund der
91 aufgezählten Probleme wird teilweise vertreten, dass die
92 gesetzliche Regelung des § 298a ZPO - aus vermeintlichen
93 Sicherheitsgründen – über die in der Praxis notwendigen
94 Anforderungen weit hinausgehe. [FN: So Viefhues, in: Hoeren,
95 Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29.
96 Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn.
97 71.]
98
99 Kritisiert wird auch die Regelung des § 298a Abs. 3 ZPO,
100 wonach das elektronische Dokument den Vermerk enthalten
101 muss, wann und durch wen die Unterlagen in ein
102 elektronisches Dokument übertragen worden sind. [FN: Vgl.
103 Degen, in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno (Hrsg.).
104 Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage 2011, § 65
105 Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 15.] Diese Anforderungen
106 entsprächen nicht den Gegebenheiten eines „Massenbetriebs“,
107 in denen Dokumente vollautomatisch eingescannt würden. Es
108 sei weder sachgerecht noch notwendig, an dieser Stelle eine
109 vom Menschen vorgenommene, inhaltliche Überprüfung
110 vorzutäuschen. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber,
111 Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung
112 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 73.]
113
114 2010 hat jedoch der BGH als Dienstgericht des Bundes
115 entschieden, dass eine rein elektronische Vorlage von Akten
116 die richterliche Unabhängigkeit nicht verletzt [FN:
117 Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2010 - RiZ (R) 5/09,
118 abrufbar unter
119 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/doc
120 ument.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54374&pos=0&anz=1 ]. Damit
121 hob er eine Entscheidung des OLG Hamm [FN: Oberlandesgericht
122 Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 1 DGH 2/08. Abrufbar
123 unter:
124 http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_1-DGH-208_OLG-Hamm
125 -Richter-darf-Arbeit-mit-dem-PC-verweigern.news9538.htm.]
126 auf, nach der keine Verpflichtung zur Nutzung elektronischer
127 Akten für Richter bestehen sollte.
128
129 Eine elektronische Aktenführung ist auch allgemein mit
130 einigem Aufwand verbunden; so setzt sie in der Regel ein
131 leistungsfähiges Dokument-Management-System (DMS) voraus,
132 welches mit erheblichen Kosten und einigem Anpassungsaufwand
133 verbunden sein kann. Zudem sind die bereits angesprochenen,
134 strengen formalen Vorschriften für das Verfahrensrecht zu
135 beachten. [FN: Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich
136 (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011,
137 Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 30.] Voraussetzung für die
138 Effektivität einer elektronischen Aktenführung im Bereich
139 des Justizwesens ist überdies die Kompatibilität der
140 vorhandenen DMS mit den übrigen Fachsystemen der Justiz, wie
141 Datenverwaltungs- und Geschäftsstellenprogrammen, sowie den
142 Texterzeugungsprogrammen, dem elektronischen
143 Gerichtspostfach und den erforderlichen Signaturkomponenten.
144 [FN: Hierauf aufmerksam machend: Viefhues, in: Hoeren,
145 Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29.
146 Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn.
147 32.]
148 Im Hinblick auf die elektronische Aktenführung in der
149 anwaltlichen Praxis können spezifische Probleme auftauchen.
150 [FN: Vertiefend hierzu Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber,
151 Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung
152 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 33.] So ist es
153 aufgrund der berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten zum
154 einen strittig, ob das Bundesdatenschutzgesetz im Verhältnis
155 zwischen Rechtsanwalt und Mandant anzuwenden ist. Zum
156 anderen können sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen
157 Verschwiegenheitspflicht Probleme ergeben, da eine
158 anwaltliche E-Mail je nach Inhalt unterschiedlichen
159 rechtlichen Regelungen unterworfen sein kann. [FN: Härting,
160 Niko: E-Mail und Telekommunikationsgeheimnis. CR 2007, 311
161 ff.] Regelungen hinsichtlich der elektronischen Aktenführung
162 in der anwaltlichen Praxis müssen sowohl den Zugriff der in
163 den Kanzleien beschäftigten Mitarbeiter auf die Daten
164 bedenken, als auch mögliche Zugriffe von außen auf, im
165 konkreten Fall nicht relevante, Mandantendaten, bspw. durch
166 Strafverfolgungsbehörden, im Blick haben. [FN: Vgl. hierzu
167 den Beschluss des BVerfG vom 12. April 2005, 2 BvR 1027/02,
168 NJW 2005, 1917 zur Beschlagnahme von Datenträgern in
169 Anwaltskanzleien.]
170 Um diese aufgezeigten Defizite aufzufangen sollen praktische
171 Anregungen zur rechtskonformen Modellierung der „E-Akte“ auf
172 der Basis umfangreicher technischer Erhebungen gegeben
173 werden. [FN: Vgl. Bundesministerium der Justiz:
174 Projektgruppe "Elektronische Akte in Strafsachen".
175 http://www.bmj.de/cln_154/DE/Recht/Rechtspflege/Projektgrupp
176 eElektronischeAkteStrafsachen/_node.html]

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Der Einsatz elektronischer Akten bei Gericht verändert
2 grundlegend die Betriebsabläufe und Arbeitsweise der
3 Richter, Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Es gibt bisher
4 keine hinreichenden praktischen Erfahrungen um sicher
5 einschätzen zu können, wie die elektronische Akte beschaffen
6 sein muss und mit welchen Funktionen sie ausgestattet sein
7 muss, um auf dieser Basis z. B. eine öffentliche Verhandlung
8 durchzuführen. Solche Erfahrungen müssen erst gewonnen
9 werden. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass die
10 elektronische Akte vor allem ein brauchbares Arbeitsmittel
11 für die Richter ist und diese bei ihren Aufgaben
12 unterstützt. Nur dann wird man erwarten können, dass eine
13 elektronische Gerichtsakte ergonomisch ist und Akzeptanz
14 finden wird. Hier steht noch ein langer Weg bevor, bei dem
15 auch die Industrie Aufgaben zu erledigen hat. Die heute am
16 Markt verfügbaren Endgeräte sind für eine den Einsatz einer
17 elektronischen Gerichtsakte optimierungsbedürftig.
18
19 In diesem Zusammenhang spielt ferner die Schaffung sog.
20 "E-Justice-Kompetenz" eine Rolle, die derzeit auf
21 Amtschefebene diskutiert wird. Um es auf den Punkt zu
22 bringen: Die elektronische Gerichtsakte darf nicht den in
23 Informationstechnik ausgebildeten Juristen voraussetzen.
24 Andererseits wird die Arbeit mit einer elektronischen
25 Gerichtsakte ohne intensive Schulung und Routine für den
26 Richter eher eine Erschwerung seiner Arbeit darstellen. Auch
27 insoweit stehen also noch beachtliche Aufgaben bevor und
28 reicht es nicht aus, die Probleme allein auf eine rechtliche
29 Thematik zu beschränken.
30
31 Gleichzeitig tauchen aber auch Probleme bei der digitalen
32 Aktenführung auf. So stellt sich in diesem Zusammenhang
33 insbesondere das Problem der Umwandlung eines elektronischen
34 Dokumentes in ein Papierdokument durch Ausdrucken sowie
35 eines Papierdokumentes in ein elektronisches Dokument durch
36 Einscannen. Soweit in einem auf herkömmliche Art geführten
37 gerichtlichen Verfahren besondere Formvorschriften gelten
38 wie z. B. die Schriftform oder die Unterschriftserfordernis,
39 so gelten auch für das elektronische Pendant besondere
40 Anforderungen. Denn die ausgedruckten Papierdokumente müssen
41 die gleiche Rechtsqualität haben wie die zugrundeliegenden
42 elektronischen Originaldokumente und umgekehrt. [FN:
43 Viefhues, Wolfram, in: Kilian, Wolfgang/Heussen, Benno
44 (Hrsg.). Computerrecht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Rn
45 80.]
46
47 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 298 Abs. 1 ZPO,
48 wonach ein bei Gericht eingegangenes oder im Gericht
49 erstelltes elektronisches Dokument für die Akten ausgedruckt
50 werden kann. Gemäß §. 298 Abs. 2 ZPO muss der Ausdruck
51 allerdings den Vermerk enthalten, welches Ergebnis die
52 Integritätsprüfung des Dokumentes ausweist, wen die
53 Signaturprüfung als Inhaber der Signatur nachweist und
54 welchen Zeitpunkt die Signaturprüfung für die Anbringung der
55 Signatur beglaubigt.
56
57 Probleme ergeben sich im umgekehrten Falle, also der
58 Transformation eines Papieroriginals in ein elektronisches
59 Dokument, im Hinblick auf die Beweiskraft der eingescannten
60 elektronischen Kopie. Hierbei sind zwei mögliche Varianten
61 denkbar: Zum einen könnte die elektronische Kopie zum
62 maßgeblichen Beweisstück werden. Das Original in Papierform
63 verliert sodann seine Bedeutung. Für diese Variante besteht
64 allerdings bislang keine gesetzliche Regelung. [FN:
65 Ausnahme: § 110 b Abs.3 OWiG.] Das JKomG entschied sich mit
66 der Neuregelung des § 298a Abs. 2 ZPO vielmehr für die
67 zweite Lösung. Danach sollen eingereichte Schriftstücke
68 eingescannt werden, wobei die Unterlagen, sofern sie in
69 Papierform weiter benötigt werden, bis zum rechtskräftigen
70 Abschluss des Verfahrens aufzubewahren sind. [FN: Viefhues:
71 Das Gesetz über die Verwendung elektronischer
72 Kommunikationsformen in der Justiz, NJW 2005, 1009 (1013).]
73 An diese Regelung knüpfen sich allerdings eine Vielzahl
74 praktischer Probleme, da für das weiterhin aufzubewahrende
75 Dokument ggf. eine parallele Papierakte geführt werden muss,
76 wodurch die Vorteile einer elektronischen Aktenführung
77 konterkariert werden. Zudem lässt sich die Frage, ob das
78 einzuscannende Papierdokument ggf. aufzubewahren ist, beim
79 Eingang des Dokuments kaum sicher beantworten. [FN:
80 Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.).
81 Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4
82 Justizkommunikation, Rn. 70.
83 ] Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens wiederum,
84 sind gewisse Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen zu
85 vernichten, was zu dem Problem führen kann, dass zahlreiche,
86 teilweise an verschiedenen Stellen gelagerte Dokumente
87 herausgesucht und einzeln vernichtet werden müssen. [FN:
88 Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.).
89 Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4
90 Justizkommunikation, Rn. 70.] Vor dem Hintergrund der
91 aufgezählten Probleme wird teilweise vertreten, dass die
92 gesetzliche Regelung des § 298a ZPO - aus vermeintlichen
93 Sicherheitsgründen – über die in der Praxis notwendigen
94 Anforderungen weit hinausgehe. [FN: So Viefhues, in: Hoeren,
95 Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29.
96 Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn.
97 71.]
98
99 Kritisiert wird auch die Regelung des § 298a Abs. 3 ZPO,
100 wonach das elektronische Dokument den Vermerk enthalten
101 muss, wann und durch wen die Unterlagen in ein
102 elektronisches Dokument übertragen worden sind. [FN: Vgl.
103 Degen, in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno (Hrsg.).
104 Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage 2011, § 65
105 Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 15.] Diese Anforderungen
106 entsprächen nicht den Gegebenheiten eines „Massenbetriebs“,
107 in denen Dokumente vollautomatisch eingescannt würden. Es
108 sei weder sachgerecht noch notwendig, an dieser Stelle eine
109 vom Menschen vorgenommene, inhaltliche Überprüfung
110 vorzutäuschen. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber,
111 Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung
112 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 73.]
113
114 2010 hat jedoch der BGH als Dienstgericht des Bundes
115 entschieden, dass eine rein elektronische Vorlage von Akten
116 die richterliche Unabhängigkeit nicht verletzt [FN:
117 Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2010 - RiZ (R) 5/09,
118 abrufbar unter
119 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/doc
120 ument.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54374&pos=0&anz=1 ]. Damit
121 hob er eine Entscheidung des OLG Hamm [FN: Oberlandesgericht
122 Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 1 DGH 2/08. Abrufbar
123 unter:
124 http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_1-DGH-208_OLG-Hamm
125 -Richter-darf-Arbeit-mit-dem-PC-verweigern.news9538.htm.]
126 auf, nach der keine Verpflichtung zur Nutzung elektronischer
127 Akten für Richter bestehen sollte.
128
129 Eine elektronische Aktenführung ist auch allgemein mit
130 einigem Aufwand verbunden; so setzt sie in der Regel ein
131 leistungsfähiges Dokument-Management-System (DMS) voraus,
132 welches mit erheblichen Kosten und einigem Anpassungsaufwand
133 verbunden sein kann. Zudem sind die bereits angesprochenen,
134 strengen formalen Vorschriften für das Verfahrensrecht zu
135 beachten. [FN: Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich
136 (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011,
137 Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 30.] Voraussetzung für die
138 Effektivität einer elektronischen Aktenführung im Bereich
139 des Justizwesens ist überdies die Kompatibilität der
140 vorhandenen DMS mit den übrigen Fachsystemen der Justiz, wie
141 Datenverwaltungs- und Geschäftsstellenprogrammen, sowie den
142 Texterzeugungsprogrammen, dem elektronischen
143 Gerichtspostfach und den erforderlichen Signaturkomponenten.
144 [FN: Hierauf aufmerksam machend: Viefhues, in: Hoeren,
145 Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29.
146 Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn.
147 32.]
148 Im Hinblick auf die elektronische Aktenführung in der
149 anwaltlichen Praxis können spezifische Probleme auftauchen.
150 [FN: Vertiefend hierzu Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber,
151 Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung
152 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 33.] So ist es
153 aufgrund der berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten zum
154 einen strittig, ob das Bundesdatenschutzgesetz im Verhältnis
155 zwischen Rechtsanwalt und Mandant anzuwenden ist. Zum
156 anderen können sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen
157 Verschwiegenheitspflicht Probleme ergeben, da eine
158 anwaltliche E-Mail je nach Inhalt unterschiedlichen
159 rechtlichen Regelungen unterworfen sein kann. [FN: Härting,
160 Niko: E-Mail und Telekommunikationsgeheimnis. CR 2007, 311
161 ff.] Regelungen hinsichtlich der elektronischen Aktenführung
162 in der anwaltlichen Praxis müssen sowohl den Zugriff der in
163 den Kanzleien beschäftigten Mitarbeiter auf die Daten
164 bedenken, als auch mögliche Zugriffe von außen auf, im
165 konkreten Fall nicht relevante, Mandantendaten, bspw. durch
166 Strafverfolgungsbehörden, im Blick haben. [FN: Vgl. hierzu
167 den Beschluss des BVerfG vom 12. April 2005, 2 BvR 1027/02,
168 NJW 2005, 1917 zur Beschlagnahme von Datenträgern in
169 Anwaltskanzleien.]
170 Um diese aufgezeigten Defizite aufzufangen sollen praktische
171 Anregungen zur rechtskonformen Modellierung der „E-Akte“ auf
172 der Basis umfangreicher technischer Erhebungen gegeben
173 werden. [FN: Vgl. Bundesministerium der Justiz:
174 Projektgruppe "Elektronische Akte in Strafsachen".
175 http://www.bmj.de/cln_154/DE/Recht/Rechtspflege/Projektgrupp
176 eElektronischeAkteStrafsachen/_node.html]

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