Papier: 04.04.04 Probleme bei einer digitalen Aktenführung
Originalversion
1 | Der Einsatz elektronischer Akten bei Gericht verändert |
2 | grundlegend die Betriebsabläufe und Arbeitsweise der |
3 | Richter, Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Es gibt bisher |
4 | keine hinreichenden praktischen Erfahrungen um sicher |
5 | einschätzen zu können, wie die elektronische Akte beschaffen |
6 | sein muss und mit welchen Funktionen sie ausgestattet sein |
7 | muss, um auf dieser Basis z. B. eine öffentliche Verhandlung |
8 | durchzuführen. Solche Erfahrungen müssen erst gewonnen |
9 | werden. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass die |
10 | elektronische Akte vor allem ein brauchbares Arbeitsmittel |
11 | für die Richter ist und diese bei ihren Aufgaben |
12 | unterstützt. Nur dann wird man erwarten können, dass eine |
13 | elektronische Gerichtsakte ergonomisch ist und Akzeptanz |
14 | finden wird. Hier steht noch ein langer Weg bevor, bei dem |
15 | auch die Industrie Aufgaben zu erledigen hat. Die heute am |
16 | Markt verfügbaren Endgeräte sind für eine den Einsatz einer |
17 | elektronischen Gerichtsakte optimierungsbedürftig. |
18 | |
19 | In diesem Zusammenhang spielt ferner die Schaffung sog. |
20 | "E-Justice-Kompetenz" eine Rolle, die derzeit auf |
21 | Amtschefebene diskutiert wird. Um es auf den Punkt zu |
22 | bringen: Die elektronische Gerichtsakte darf nicht den in |
23 | Informationstechnik ausgebildeten Juristen voraussetzen. |
24 | Andererseits wird die Arbeit mit einer elektronischen |
25 | Gerichtsakte ohne intensive Schulung und Routine für den |
26 | Richter eher eine Erschwerung seiner Arbeit darstellen. Auch |
27 | insoweit stehen also noch beachtliche Aufgaben bevor und |
28 | reicht es nicht aus, die Probleme allein auf eine rechtliche |
29 | Thematik zu beschränken. |
30 | |
31 | Gleichzeitig tauchen aber auch Probleme bei der digitalen |
32 | Aktenführung auf. So stellt sich in diesem Zusammenhang |
33 | insbesondere das Problem der Umwandlung eines elektronischen |
34 | Dokumentes in ein Papierdokument durch Ausdrucken sowie |
35 | eines Papierdokumentes in ein elektronisches Dokument durch |
36 | Einscannen. Soweit in einem auf herkömmliche Art geführten |
37 | gerichtlichen Verfahren besondere Formvorschriften gelten |
38 | wie z. B. die Schriftform oder die Unterschriftserfordernis, |
39 | so gelten auch für das elektronische Pendant besondere |
40 | Anforderungen. Denn die ausgedruckten Papierdokumente müssen |
41 | die gleiche Rechtsqualität haben wie die zugrundeliegenden |
42 | elektronischen Originaldokumente und umgekehrt. [FN: |
43 | Viefhues, Wolfram, in: Kilian, Wolfgang/Heussen, Benno |
44 | (Hrsg.). Computerrecht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Rn |
45 | 80.] |
46 | |
47 | Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 298 Abs. 1 ZPO, |
48 | wonach ein bei Gericht eingegangenes oder im Gericht |
49 | erstelltes elektronisches Dokument für die Akten ausgedruckt |
50 | werden kann. Gemäß §. 298 Abs. 2 ZPO muss der Ausdruck |
51 | allerdings den Vermerk enthalten, welches Ergebnis die |
52 | Integritätsprüfung des Dokumentes ausweist, wen die |
53 | Signaturprüfung als Inhaber der Signatur nachweist und |
54 | welchen Zeitpunkt die Signaturprüfung für die Anbringung der |
55 | Signatur beglaubigt. |
56 | |
57 | Probleme ergeben sich im umgekehrten Falle, also der |
58 | Transformation eines Papieroriginals in ein elektronisches |
59 | Dokument, im Hinblick auf die Beweiskraft der eingescannten |
60 | elektronischen Kopie. Hierbei sind zwei mögliche Varianten |
61 | denkbar: Zum einen könnte die elektronische Kopie zum |
62 | maßgeblichen Beweisstück werden. Das Original in Papierform |
63 | verliert sodann seine Bedeutung. Für diese Variante besteht |
64 | allerdings bislang keine gesetzliche Regelung. [FN: |
65 | Ausnahme: § 110 b Abs.3 OWiG.] Das JKomG entschied sich mit |
66 | der Neuregelung des § 298a Abs. 2 ZPO vielmehr für die |
67 | zweite Lösung. Danach sollen eingereichte Schriftstücke |
68 | eingescannt werden, wobei die Unterlagen, sofern sie in |
69 | Papierform weiter benötigt werden, bis zum rechtskräftigen |
70 | Abschluss des Verfahrens aufzubewahren sind. [FN: Viefhues: |
71 | Das Gesetz über die Verwendung elektronischer |
72 | Kommunikationsformen in der Justiz, NJW 2005, 1009 (1013).] |
73 | An diese Regelung knüpfen sich allerdings eine Vielzahl |
74 | praktischer Probleme, da für das weiterhin aufzubewahrende |
75 | Dokument ggf. eine parallele Papierakte geführt werden muss, |
76 | wodurch die Vorteile einer elektronischen Aktenführung |
77 | konterkariert werden. Zudem lässt sich die Frage, ob das |
78 | einzuscannende Papierdokument ggf. aufzubewahren ist, beim |
79 | Eingang des Dokuments kaum sicher beantworten. [FN: |
80 | Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). |
81 | Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 |
82 | Justizkommunikation, Rn. 70. |
83 | ] Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens wiederum, |
84 | sind gewisse Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen zu |
85 | vernichten, was zu dem Problem führen kann, dass zahlreiche, |
86 | teilweise an verschiedenen Stellen gelagerte Dokumente |
87 | herausgesucht und einzeln vernichtet werden müssen. [FN: |
88 | Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). |
89 | Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 |
90 | Justizkommunikation, Rn. 70.] Vor dem Hintergrund der |
91 | aufgezählten Probleme wird teilweise vertreten, dass die |
92 | gesetzliche Regelung des § 298a ZPO - aus vermeintlichen |
93 | Sicherheitsgründen – über die in der Praxis notwendigen |
94 | Anforderungen weit hinausgehe. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, |
95 | Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. |
96 | Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. |
97 | 71.] |
98 | |
99 | Kritisiert wird auch die Regelung des § 298a Abs. 3 ZPO, |
100 | wonach das elektronische Dokument den Vermerk enthalten |
101 | muss, wann und durch wen die Unterlagen in ein |
102 | elektronisches Dokument übertragen worden sind. [FN: Vgl. |
103 | Degen, in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno (Hrsg.). |
104 | Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage 2011, § 65 |
105 | Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 15.] Diese Anforderungen |
106 | entsprächen nicht den Gegebenheiten eines „Massenbetriebs“, |
107 | in denen Dokumente vollautomatisch eingescannt würden. Es |
108 | sei weder sachgerecht noch notwendig, an dieser Stelle eine |
109 | vom Menschen vorgenommene, inhaltliche Überprüfung |
110 | vorzutäuschen. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, |
111 | Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung |
112 | 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 73.] |
113 | |
114 | 2010 hat jedoch der BGH als Dienstgericht des Bundes |
115 | entschieden, dass eine rein elektronische Vorlage von Akten |
116 | die richterliche Unabhängigkeit nicht verletzt [FN: |
117 | Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2010 - RiZ (R) 5/09, |
118 | abrufbar unter |
119 | http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/doc |
120 | ument.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54374&pos=0&anz=1 ]. Damit |
121 | hob er eine Entscheidung des OLG Hamm [FN: Oberlandesgericht |
122 | Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 1 DGH 2/08. Abrufbar |
123 | unter: |
124 | http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_1-DGH-208_OLG-Hamm |
125 | -Richter-darf-Arbeit-mit-dem-PC-verweigern.news9538.htm.] |
126 | auf, nach der keine Verpflichtung zur Nutzung elektronischer |
127 | Akten für Richter bestehen sollte. |
128 | |
129 | Eine elektronische Aktenführung ist auch allgemein mit |
130 | einigem Aufwand verbunden; so setzt sie in der Regel ein |
131 | leistungsfähiges Dokument-Management-System (DMS) voraus, |
132 | welches mit erheblichen Kosten und einigem Anpassungsaufwand |
133 | verbunden sein kann. Zudem sind die bereits angesprochenen, |
134 | strengen formalen Vorschriften für das Verfahrensrecht zu |
135 | beachten. [FN: Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich |
136 | (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, |
137 | Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 30.] Voraussetzung für die |
138 | Effektivität einer elektronischen Aktenführung im Bereich |
139 | des Justizwesens ist überdies die Kompatibilität der |
140 | vorhandenen DMS mit den übrigen Fachsystemen der Justiz, wie |
141 | Datenverwaltungs- und Geschäftsstellenprogrammen, sowie den |
142 | Texterzeugungsprogrammen, dem elektronischen |
143 | Gerichtspostfach und den erforderlichen Signaturkomponenten. |
144 | [FN: Hierauf aufmerksam machend: Viefhues, in: Hoeren, |
145 | Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. |
146 | Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. |
147 | 32.] |
148 | Im Hinblick auf die elektronische Aktenführung in der |
149 | anwaltlichen Praxis können spezifische Probleme auftauchen. |
150 | [FN: Vertiefend hierzu Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, |
151 | Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung |
152 | 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 33.] So ist es |
153 | aufgrund der berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten zum |
154 | einen strittig, ob das Bundesdatenschutzgesetz im Verhältnis |
155 | zwischen Rechtsanwalt und Mandant anzuwenden ist. Zum |
156 | anderen können sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen |
157 | Verschwiegenheitspflicht Probleme ergeben, da eine |
158 | anwaltliche E-Mail je nach Inhalt unterschiedlichen |
159 | rechtlichen Regelungen unterworfen sein kann. [FN: Härting, |
160 | Niko: E-Mail und Telekommunikationsgeheimnis. CR 2007, 311 |
161 | ff.] Regelungen hinsichtlich der elektronischen Aktenführung |
162 | in der anwaltlichen Praxis müssen sowohl den Zugriff der in |
163 | den Kanzleien beschäftigten Mitarbeiter auf die Daten |
164 | bedenken, als auch mögliche Zugriffe von außen auf, im |
165 | konkreten Fall nicht relevante, Mandantendaten, bspw. durch |
166 | Strafverfolgungsbehörden, im Blick haben. [FN: Vgl. hierzu |
167 | den Beschluss des BVerfG vom 12. April 2005, 2 BvR 1027/02, |
168 | NJW 2005, 1917 zur Beschlagnahme von Datenträgern in |
169 | Anwaltskanzleien.] |
170 | Um diese aufgezeigten Defizite aufzufangen sollen praktische |
171 | Anregungen zur rechtskonformen Modellierung der „E-Akte“ auf |
172 | der Basis umfangreicher technischer Erhebungen gegeben |
173 | werden. [FN: Vgl. Bundesministerium der Justiz: |
174 | Projektgruppe "Elektronische Akte in Strafsachen". |
175 | http://www.bmj.de/cln_154/DE/Recht/Rechtspflege/Projektgrupp |
176 | eElektronischeAkteStrafsachen/_node.html] |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Der Einsatz elektronischer Akten bei Gericht verändert |
2 | grundlegend die Betriebsabläufe und Arbeitsweise der |
3 | Richter, Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Es gibt bisher |
4 | keine hinreichenden praktischen Erfahrungen um sicher |
5 | einschätzen zu können, wie die elektronische Akte beschaffen |
6 | sein muss und mit welchen Funktionen sie ausgestattet sein |
7 | muss, um auf dieser Basis z. B. eine öffentliche Verhandlung |
8 | durchzuführen. Solche Erfahrungen müssen erst gewonnen |
9 | werden. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass die |
10 | elektronische Akte vor allem ein brauchbares Arbeitsmittel |
11 | für die Richter ist und diese bei ihren Aufgaben |
12 | unterstützt. Nur dann wird man erwarten können, dass eine |
13 | elektronische Gerichtsakte ergonomisch ist und Akzeptanz |
14 | finden wird. Hier steht noch ein langer Weg bevor, bei dem |
15 | auch die Industrie Aufgaben zu erledigen hat. Die heute am |
16 | Markt verfügbaren Endgeräte sind für eine den Einsatz einer |
17 | elektronischen Gerichtsakte optimierungsbedürftig. |
18 | |
19 | In diesem Zusammenhang spielt ferner die Schaffung sog. |
20 | "E-Justice-Kompetenz" eine Rolle, die derzeit auf |
21 | Amtschefebene diskutiert wird. Um es auf den Punkt zu |
22 | bringen: Die elektronische Gerichtsakte darf nicht den in |
23 | Informationstechnik ausgebildeten Juristen voraussetzen. |
24 | Andererseits wird die Arbeit mit einer elektronischen |
25 | Gerichtsakte ohne intensive Schulung und Routine für den |
26 | Richter eher eine Erschwerung seiner Arbeit darstellen. Auch |
27 | insoweit stehen also noch beachtliche Aufgaben bevor und |
28 | reicht es nicht aus, die Probleme allein auf eine rechtliche |
29 | Thematik zu beschränken. |
30 | |
31 | Gleichzeitig tauchen aber auch Probleme bei der digitalen |
32 | Aktenführung auf. So stellt sich in diesem Zusammenhang |
33 | insbesondere das Problem der Umwandlung eines elektronischen |
34 | Dokumentes in ein Papierdokument durch Ausdrucken sowie |
35 | eines Papierdokumentes in ein elektronisches Dokument durch |
36 | Einscannen. Soweit in einem auf herkömmliche Art geführten |
37 | gerichtlichen Verfahren besondere Formvorschriften gelten |
38 | wie z. B. die Schriftform oder die Unterschriftserfordernis, |
39 | so gelten auch für das elektronische Pendant besondere |
40 | Anforderungen. Denn die ausgedruckten Papierdokumente müssen |
41 | die gleiche Rechtsqualität haben wie die zugrundeliegenden |
42 | elektronischen Originaldokumente und umgekehrt. [FN: |
43 | Viefhues, Wolfram, in: Kilian, Wolfgang/Heussen, Benno |
44 | (Hrsg.). Computerrecht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Rn |
45 | 80.] |
46 | |
47 | Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 298 Abs. 1 ZPO, |
48 | wonach ein bei Gericht eingegangenes oder im Gericht |
49 | erstelltes elektronisches Dokument für die Akten ausgedruckt |
50 | werden kann. Gemäß §. 298 Abs. 2 ZPO muss der Ausdruck |
51 | allerdings den Vermerk enthalten, welches Ergebnis die |
52 | Integritätsprüfung des Dokumentes ausweist, wen die |
53 | Signaturprüfung als Inhaber der Signatur nachweist und |
54 | welchen Zeitpunkt die Signaturprüfung für die Anbringung der |
55 | Signatur beglaubigt. |
56 | |
57 | Probleme ergeben sich im umgekehrten Falle, also der |
58 | Transformation eines Papieroriginals in ein elektronisches |
59 | Dokument, im Hinblick auf die Beweiskraft der eingescannten |
60 | elektronischen Kopie. Hierbei sind zwei mögliche Varianten |
61 | denkbar: Zum einen könnte die elektronische Kopie zum |
62 | maßgeblichen Beweisstück werden. Das Original in Papierform |
63 | verliert sodann seine Bedeutung. Für diese Variante besteht |
64 | allerdings bislang keine gesetzliche Regelung. [FN: |
65 | Ausnahme: § 110 b Abs.3 OWiG.] Das JKomG entschied sich mit |
66 | der Neuregelung des § 298a Abs. 2 ZPO vielmehr für die |
67 | zweite Lösung. Danach sollen eingereichte Schriftstücke |
68 | eingescannt werden, wobei die Unterlagen, sofern sie in |
69 | Papierform weiter benötigt werden, bis zum rechtskräftigen |
70 | Abschluss des Verfahrens aufzubewahren sind. [FN: Viefhues: |
71 | Das Gesetz über die Verwendung elektronischer |
72 | Kommunikationsformen in der Justiz, NJW 2005, 1009 (1013).] |
73 | An diese Regelung knüpfen sich allerdings eine Vielzahl |
74 | praktischer Probleme, da für das weiterhin aufzubewahrende |
75 | Dokument ggf. eine parallele Papierakte geführt werden muss, |
76 | wodurch die Vorteile einer elektronischen Aktenführung |
77 | konterkariert werden. Zudem lässt sich die Frage, ob das |
78 | einzuscannende Papierdokument ggf. aufzubewahren ist, beim |
79 | Eingang des Dokuments kaum sicher beantworten. [FN: |
80 | Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). |
81 | Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 |
82 | Justizkommunikation, Rn. 70. |
83 | ] Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens wiederum, |
84 | sind gewisse Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen zu |
85 | vernichten, was zu dem Problem führen kann, dass zahlreiche, |
86 | teilweise an verschiedenen Stellen gelagerte Dokumente |
87 | herausgesucht und einzeln vernichtet werden müssen. [FN: |
88 | Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). |
89 | Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 |
90 | Justizkommunikation, Rn. 70.] Vor dem Hintergrund der |
91 | aufgezählten Probleme wird teilweise vertreten, dass die |
92 | gesetzliche Regelung des § 298a ZPO - aus vermeintlichen |
93 | Sicherheitsgründen – über die in der Praxis notwendigen |
94 | Anforderungen weit hinausgehe. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, |
95 | Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. |
96 | Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. |
97 | 71.] |
98 | |
99 | Kritisiert wird auch die Regelung des § 298a Abs. 3 ZPO, |
100 | wonach das elektronische Dokument den Vermerk enthalten |
101 | muss, wann und durch wen die Unterlagen in ein |
102 | elektronisches Dokument übertragen worden sind. [FN: Vgl. |
103 | Degen, in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno (Hrsg.). |
104 | Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage 2011, § 65 |
105 | Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 15.] Diese Anforderungen |
106 | entsprächen nicht den Gegebenheiten eines „Massenbetriebs“, |
107 | in denen Dokumente vollautomatisch eingescannt würden. Es |
108 | sei weder sachgerecht noch notwendig, an dieser Stelle eine |
109 | vom Menschen vorgenommene, inhaltliche Überprüfung |
110 | vorzutäuschen. [FN: So Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, |
111 | Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung |
112 | 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 73.] |
113 | |
114 | 2010 hat jedoch der BGH als Dienstgericht des Bundes |
115 | entschieden, dass eine rein elektronische Vorlage von Akten |
116 | die richterliche Unabhängigkeit nicht verletzt [FN: |
117 | Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2010 - RiZ (R) 5/09, |
118 | abrufbar unter |
119 | http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/doc |
120 | ument.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=54374&pos=0&anz=1 ]. Damit |
121 | hob er eine Entscheidung des OLG Hamm [FN: Oberlandesgericht |
122 | Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 1 DGH 2/08. Abrufbar |
123 | unter: |
124 | http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_1-DGH-208_OLG-Hamm |
125 | -Richter-darf-Arbeit-mit-dem-PC-verweigern.news9538.htm.] |
126 | auf, nach der keine Verpflichtung zur Nutzung elektronischer |
127 | Akten für Richter bestehen sollte. |
128 | |
129 | Eine elektronische Aktenführung ist auch allgemein mit |
130 | einigem Aufwand verbunden; so setzt sie in der Regel ein |
131 | leistungsfähiges Dokument-Management-System (DMS) voraus, |
132 | welches mit erheblichen Kosten und einigem Anpassungsaufwand |
133 | verbunden sein kann. Zudem sind die bereits angesprochenen, |
134 | strengen formalen Vorschriften für das Verfahrensrecht zu |
135 | beachten. [FN: Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich |
136 | (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, |
137 | Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 30.] Voraussetzung für die |
138 | Effektivität einer elektronischen Aktenführung im Bereich |
139 | des Justizwesens ist überdies die Kompatibilität der |
140 | vorhandenen DMS mit den übrigen Fachsystemen der Justiz, wie |
141 | Datenverwaltungs- und Geschäftsstellenprogrammen, sowie den |
142 | Texterzeugungsprogrammen, dem elektronischen |
143 | Gerichtspostfach und den erforderlichen Signaturkomponenten. |
144 | [FN: Hierauf aufmerksam machend: Viefhues, in: Hoeren, |
145 | Thomas/Sieber, Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. |
146 | Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. |
147 | 32.] |
148 | Im Hinblick auf die elektronische Aktenführung in der |
149 | anwaltlichen Praxis können spezifische Probleme auftauchen. |
150 | [FN: Vertiefend hierzu Viefhues, in: Hoeren, Thomas/Sieber, |
151 | Ulrich (Hrsg.). Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung |
152 | 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. 33.] So ist es |
153 | aufgrund der berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten zum |
154 | einen strittig, ob das Bundesdatenschutzgesetz im Verhältnis |
155 | zwischen Rechtsanwalt und Mandant anzuwenden ist. Zum |
156 | anderen können sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen |
157 | Verschwiegenheitspflicht Probleme ergeben, da eine |
158 | anwaltliche E-Mail je nach Inhalt unterschiedlichen |
159 | rechtlichen Regelungen unterworfen sein kann. [FN: Härting, |
160 | Niko: E-Mail und Telekommunikationsgeheimnis. CR 2007, 311 |
161 | ff.] Regelungen hinsichtlich der elektronischen Aktenführung |
162 | in der anwaltlichen Praxis müssen sowohl den Zugriff der in |
163 | den Kanzleien beschäftigten Mitarbeiter auf die Daten |
164 | bedenken, als auch mögliche Zugriffe von außen auf, im |
165 | konkreten Fall nicht relevante, Mandantendaten, bspw. durch |
166 | Strafverfolgungsbehörden, im Blick haben. [FN: Vgl. hierzu |
167 | den Beschluss des BVerfG vom 12. April 2005, 2 BvR 1027/02, |
168 | NJW 2005, 1917 zur Beschlagnahme von Datenträgern in |
169 | Anwaltskanzleien.] |
170 | Um diese aufgezeigten Defizite aufzufangen sollen praktische |
171 | Anregungen zur rechtskonformen Modellierung der „E-Akte“ auf |
172 | der Basis umfangreicher technischer Erhebungen gegeben |
173 | werden. [FN: Vgl. Bundesministerium der Justiz: |
174 | Projektgruppe "Elektronische Akte in Strafsachen". |
175 | http://www.bmj.de/cln_154/DE/Recht/Rechtspflege/Projektgrupp |
176 | eElektronischeAkteStrafsachen/_node.html] |
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