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Politischer Bugtracker


Was ist ein politischer Bugtracker?

Ein Staat ist im Grunde nichts anderes als eine große Maschine die Gesetze und Verträge durchsetzt und Rechte garantiert. Wie jede größere Maschine hat auch ein Staat Fehler (“Bugs”). Da sowohl im Ingenieurswesen als auch in der IT-Industrie seit langer Zeit Softwaresysteme sehr erfolgreich dazu benutzt werden, Beschreibungen von Problemen an zentraler Stelle zu sammeln, um diese nach eingehender Analyse zu beseitigen, ist es nicht ersichtlich, warum im Staatswesen nicht ein ähnlicher Ansatz gefahren werden sollte. Dies würde es auch dem Durchschnittsbürger leichter machen, in die Politik einzusteigen, da sich die Informationen darüber, was die Menschen beschäftigt, nicht mehr nur in den Händen von Abgeordneten ansammeln, sondern für jeden einsehbar wären.

Warum ein politischer Bugtracker?

Plattformen wie Adhocracy, LiquidFeedback, etc. ermöglichen es einem nur, Vorschläge zur Lösung von Problemen zu unterbreiten. Dies führt jedoch dazu, dass alljene Probleme, für die es noch keine ausgearbeiteten Lösungsvorschläge gibt, gar nicht erst auf dem Radar der Öffentlichkeit auftauchen. Leider sind es genau diese meist überaus schwer zu lösenden Probleme, die einer besonderen Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit bedürfen. Daher ist eine Datenbank, die es auch ermöglicht, Problembeschreibungen jeglicher Art incl. Analysen und anderem Material an zentraler Stelle zu sammeln, von unschätzbarem Wert.


Diskussionen

  • mikelischke ist dafür
    +6

    Ich finde die Idee einer solchen politischen Problemsammlung sehr interessant, auch wenn der Begriff "Politischer Bugtracker" eher ungeeignet für Nicht-Softwareentwickler ist (dennoch hat gerade dieser meine Neugierde geweckt).

    Das ein Staat keine Bugs habe, halte ich für recht kurzsichtig gedacht. Natürlich gibt es Mehrheitsverhältnisse und Machtstrukturen, dennoch werden am Ende Entscheidungen getroffen und Projekte verwirklcht (worunter auch und gerade die Gesetzgebung fällt). Jede dieser Entscheidungen mag zwar von einer politischen Mehrheit in den Abstimmungsgremien als gut befunden werden, dennoch kann sie der Mehrheit der Bevölkerung falsch erscheinen. Außerdem ändern sich Meinungen und Randbedingungen, sodass es z.B. durchaus Sinn ergibt, ein teures Projekt (sagen wir der Bau einer Transrapidstrecke oder eines unteriirdischen Bahnhofs) im Verlauf zu beobachten umd gegebenenfalls Korrekturen anstoßen zu können.

    Ein weiterer Vorteil der Anwendung dieses Prinzips ist Bekanntmachung von Verantwortlichkeiten (wer kann dafür direkt angesprochen werden), die Zeitplanung, Abhängigkeiten mit anderen Projekten, Duplikate entdecken usw usf. Am Ende wären die Bürger vielleicht sogar noch geduldiger, wenn sie sehen könnten, wann ihre Straße wieder repariert wird, statt nur darüber zu rätseln und zu klagen. Ein weiterer wichtiger Effekt wäre die leicht mögliche Benachrichtigung bei neuen Schritten in einem Prozess (die Mehrwertsteuer wurde geändert? Das müssen alle Institute wissen, die damit rechnen, also registrieren sie einen Tracker für dieses Problem. Ich will wissen wann eine Subvention aktiv wird, also trage ich mich private in den entsprechenden Fall ein. Push statt Pull, soviel zum Kanalisieren von Informationen). Wenn man darüber nachdenkt fallen einem gleich viel mehr Möglichkeiten ein (Aggregierung mit anderen Fakten, selektive Sammlung und Publikation usw. usf.).

  • jensbest ist dagegen
    +4

    Ein Staat hat keine Bugs, sondern Mehrheitsverhältnisse und Machtstrukturen (offene und verdeckte), die Entwicklung in die ein oder andere oder noch eine andere Richtung beeinflussen.

    Deine mechanistische Sichtweise sozialer menschlicher Interaktion ist völlig weltfremd. Sorry, das ich das so deutlich sagen muss. vielleicht willst du ja was anderes ausdrücken. So eine Art Improvement-Tool für bürokratische Prozesse vielleicht. Mit etwas Mühe lese ich daraus die Forderung nach grundsätzlicher Offenheit von politischen Prozessen, soweit sie im parlamentarischen Raum und dessen direkten Umfeld geschehen - sprich umsetzbare Informationsfreiheit

    • Ich vermute, Du hast mich missverstanden. Folgendes Beispiel macht vielleicht deutlich, worin der Vorteil eines politischen Bugtrackers liegen könnte:

      Der Hurrikan Katrina richtete Ende August 2005 im Süd-Osten der USA heftige Schäden an. Besonders betroffen war die Stadt New Orleans, weil die dortigen Deiche derart marode waren, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen konnten. Außer ein paar Leuten in der Verwaltung wusste das aber keiner, weswegen dieses Problem lange Zeit ungelöst blieb. Hätte es einen politischen Bugtracker gegeben, hätte jemand, der für den Deichbau zuständig und über dies ein Gewissen gehabt hätte, die Möglichkeit gehabt, einen Bug mit dem Titel “Deichsystem von New Orleans ist marode” erstellen können. Dadurch hätten zumindest mehr Menschen die Möglichkeit gehabt, sich über diesen Missstand zu informieren.

      Die Intentionen eines politischen Bugtrackers sind:

      • zu verhindern, dass Probleme wie diese unter den Tisch fallen und
      • problembezogenes Informationsmaterial und aus Analyse gewonnene Erkenntnisse an zentraler zu sammeln, damit nicht jeder mit seiner Recherche von vorn anfangen muss.

      Bist Du immer noch dagegen?

      • okay, aber Bugtracker ist einfach "nerdy talk" - Es geht also um die zeitnahe bzw. realtime Offenlegung von Ergebnissen der öffentlichen Infrastruktur-Versorgung vulgo ein Informationsfreiheitsgesetz, das dem Grundsatz "open als default" verpflichtet ist.

        Dies als Grundlage würde den Weg freimachen, um ein öffentliches Verfolgen von Mängeln zu ermöglichen. Ein reines "open by default" ohne die nachfolgende Befähigung von Bevölkerung und Verwaltung diese Daten zu visualisieren und zu bewerten ist nicht ausreichend - dies sollte also politisch gefordert werden --> womit wir bei einer ernsthaften media literacy wären.

        "Politischer Bugtracker" kann ja gerne das "nerdy codewort" dafür sein, aber eine breite Zustimmung und die nötige politisch-gesellschaftlich Kontextualisierung der dem Bugtracker zugrundeliegenden Denke erreichst du mit einer solchen Vorschlagsüberschrift nicht.

        • Zur Überschrift: mach Vorschläge! Ich hätte zu bieten:

          • Politischer Bugtracker
          • Politischer Issuetracker
          • Politisches Missstandsverzeichnis
          • Politische Problemdatenbank
          • Politisches Problemverzeichnis

          Wenn Du bessere Ideen hast, immer her damit, dann werde ich die Überschrift entsprechend anpassen.

          Zum "open-als-default"-Punkt: Du übersiehst m.E., dass wir bereits jetzt schon an sehr viele Informationen über politische Probleme gelangen, nämlich über die Medien. Allerdings sind es bereits jetzt schon so viele, dass kein normalsterblicher Mensch dies noch handhaben könnte. Wir ertrinken doch dermaßen in Informationen, dass wir uns nur ca. zwei Wochen lang auf eine einzelne Sache konzentrieren können. Wir vergessen einfach zu viel, und da hilft Dir auch ein verbessertes Informationsfreiheitsgesetz nichts, weil Du dann noch mehr Informationen hast, die Du nicht mehr handhaben kannst. Daher auch mein Vorschlag für einen Bugtracker, denn Bugtracker sind genau zu dem Zweck konzipiert worden, Detailinformationen zu Bugs handhabbar zu halten, denn mir ist eines Tages aufgefallen, wie wenig ich an politischen Informationen im Kopf behalten kann, und dass man auch mit Aufschreiben sehr schnell an seine kognitiven Grenzen stößt.

          Und wenn wir dann einen solchen Bugtracker haben, können wir auch einen Eintrag zu dysfunktionalen Informationsfreiheitsgesetzen reintun.

          • Wann ein Zustand ein Bug ist entscheidet keine neutrale Stelle. Bruchstellenbelastung oder z.B. die Festlegung, wann Grenzwerte erreicht sind, unterliegen gesellschaftlichen entscheidungs-Prozessen, die von fortdauernden wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren politischer Implementierung abhängig sind.

            Diese Entscheidung vorausgesetzt, können basierend auf einem "open by default"-Prinzip öffentlich verfügbare Tracking-Tool verfügbar gemacht werden und deren Beobachtung durch zivilgesellschaftliche watch-dogs bequemer durchgeführt werden.

            Mein Vorschlag: Das Bug-Tracking ist die Beschreibung konkreter Anwendungsgruppen in einer Handlungsempfehlung, die Informationsfreiheit mit der notwendigen Medienkompetenz (verstanden als sozial-technische Kompetenz) voraussetzt.

            Ich würde also bei einem passenden Papier, dass aus den Vorschlägen entsteht, dafür plädieren/voten diese Ebene mit dem konkreten Vorschlag des Public Trackings zu ergänzen.

            PS: da es hier ja gerade losgeht, kurz nochmal als Erinnerung - die Vorschläge dienen als eine Grundlage, um Papiere für die Projektgruppe der Enquete zu erarbeiten oder bestehende Papiere durch wichtige und gevotete Vorschläge zu ergänzen.

      • Das klingt aber wie eine Angelegenheit von New Orleans. Will sagen: dieser Bug-Tracker, gerade wenn es um Infrastruktur und Ähnliches geht, sollte auf kommunaler bzw. überkommunaler, aber kaum auf Bundesebene installiert sein.

        • Katrina war ja nur ein Beispiel. Aber einmal ganz hart gefragt: Warum sollte man nicht Probleme, die auf globaler, europäischer, bundesdeutscher, auf Landes- und auf kommunaler Ebene bestehen, in derselben Datenbank verwalten? (von technischen Gründen wie Skalierbarkeit einmal abgesehen)

          Politische Probleme lassen sich oft genug nur in Kollaboration der einzelnen Ebenen angehen, und deswegen wäre es suboptimal die verschiedenen Problembeschreibungen auf fünf oder mehr Datenbanken zu verteilen. Oder würde es Dir Spaß machen, immer fünf verschiedene Webseiten ansurfen zu müssen, wenn Du Dich über die politische Lage informieren willst? Kann ich mir schwer vorstellen.

          Sollten sich wider Erwarten in der Praxis doch unüberwindbare Komplikationen auftun, kann man ja immer noch umdisponieren.

  • tobias@darby42.net ist dafür
    +4

    Und vielleicht erwächst daraus sogar ein Expertensystem für strukturell ähnlich gelagerte Bugs aus - zunächst mal fremden - Politik-Sphären...

  • Bert ist dafür
    +3

    Interessanter Ansatz mit viel Potenzial. Es ließen sich Probleme priorisieren und eine quasi öffentliche ToDo-Liste einrichten. Man könnte die Politik sehr konkret an ihrer ToDo-Liste und den Prioritäten messen. Auch sehr kleine Fehler, die zum Beispiel Sachbearbeitern auf der Verwaltungsebene auffallen, (unnötige Arbeitsschritte, usw.) könnten leichter identifiziert und ausgemerzt werden. Eventuell wäre eine anonyme Meldemöglichkeit (Whistleblowing?) zu überlegen. Vielleicht wäre hierfür auch eine unabhängige 3. Instanz angebracht.

    Zudem könnten sich Verantwortliche nicht mehr aus der Verantwortung stehlen, wenn es trotz Eintrages zum Worstcase-Szenario kommen sollte...

    PS: Imho eine gute Idee für ein Open-Source-Web-Projekt... g

  • Hans Hagedorn ist dafür
    +1

    FixMyStreet-Modell

    Die Idee eines politischen Bugtrackers wird mit Websites die nach dem Modell von FixMyStreet arbeiten schon seit ein paar Jahren erfolgreich aufgegriffen. MärkerBrandenburg ist das bekannteste deutsche Beispiel. Mit etwas Phantasie und politischem Geschick könnte man die Softwareplattformen und die Betriebsmodelle auf die Bundesebene und auf nicht-räumliche Verfahren ausweiten. Letztlich sind auch viele der kommunalen Bürgerhaushaltsprojekte nichts anderes als politische Bugtracker, zumindest wenn sie eine Ansatz fahren wie Berlin-Lichtenberg, wo Projekte von den Bürgern vorgeschlagen werden können und nicht nur über Projekte der Verwaltung abgestimmt wird.

  • FAausK ist dagegen
    +1

    Gerne. Aber die "Bugs" könnte man auch heutzutage schon in einer Datenbank zusammenfassen. Und dann ? Es gibt doch viele Fehler die hinlänglich bekannt und veröffetlicht sind. Was soll (noch) eine Datenbank ändern?

  • Genau dieses Ziel verfolgt die Möglichkeit der Petitionen. Man findet etwas was einem als Fehler erscheint, man schreibt es an die entsprechende Stelle, die dies ändern kann und wenn diese auch meint dies sei ein Fehler, dann wird der Fehler behoben, wenn diese meint das sei richtig so, dann bleibt es dabei - wie bei einem Bugtracker bloß eben per Brief und nicht öffentlich.

    • Wenn ich das richtig verstanden habe, besteht jedoch ein Unterschied zu Petitionen, nämlich der, dass Petitionen (auf Bundesebene) nach der Anhörung vor dem Bundestag erst einmal abgeschlossen sind und sich entsprechende Forderungen dann womöglich im Sand verlaufen. Bei einem Bug-Tracker hingegen bleiben Bugs so lange offen, bis sie behoben wurden. Die Frage wäre dann selbstverständlich, wann ein solcher "politischer Bug" als behoben eingestuft werden kann.

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