05.04.02 Potential des Internets für Partizipation

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  • 05.04.02 Potential des Internets für Partizipation (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Partizipation am politischen Geschehen im oben beschriebenen
    2 Sinne bezieht sich auf das Informieren und frühzeitige
    3 Einholen von Meinungen. Insofern wird eine so geartete
    4 Beteiligung der von politischen Entscheidungen Betroffenen
    5 dem Anspruch an eine hohe Transparenz gerecht. Was mit
    6 direkter Beteiligung von Bürgern, Anwohnern, Mitarbeitern,
    7 Kunden, Bediensteten, Studenten, Schülern, Auszubildenden,
    8 Interessierten oder Fachleuten potentiell erreicht werden
    9 kann, geht jedoch über reines Informieren hinaus.
    10
    11 Noch sind die Formen direkter Beteiligung im Entstehen, und
    12 es ist klar, dass nicht jedermann stets alles mitentscheiden
    13 kann, will oder wird. Dies sollte auch nicht das Ziel
    14 gesteuerter Partizipationsprozesse sein. Es wird aber auch
    15 deutlich, dass mit dem Internet erstmals ein Medium zur
    16 Verfügung steht, das die Aggregation vieler Einzelmeinungen
    17 und –strömungen von Bürgern erlaubt. Dabei müssen auch die
    18 Anforderungen an Geschwindigkeit, Aufwand,
    19 Rückkopplungsmöglichkeit und Reichweite gleichermaßen
    20 erfüllt werden:
    21
    22 Geschwindigkeit
    23 Erhebung, Verarbeitung und Verbreitung der einmal digital
    24 vorliegenden Daten können über das Internet sehr viel
    25 schneller, prinzipiell instantan, als über traditionelle
    26 Medien erfolgen, da Postwege oder manuelle Bearbeitung
    27 entfallen.
    28
    29 Aufwand
    30 Die Beteiligungskosten für den Einzelnen sind gering und,
    31 rein technisch, mit dem Versenden einer E-Mail oder dem
    32 Log-In auf einer Webseite zu vergleichen. Physische
    33 Anwesenheit, als der Haupttreiber der Beteiligungskosten,
    34 ist nicht länger notwendig. Die Verbreitung mobiler Dienste
    35 und die entsprechenden Endgeräte ermöglichen darüber hinaus
    36 auch aktive Beteiligung von überall und jederzeit.
    37 (Entsprechende Dienste für mobile Endgeräte existieren
    38 bereits, zum Beispiel zum Melden von Schlaglöchern oder
    39 wilden Mülldeponien – durch das Mitsenden von Bildern und
    40 Geodaten kann die zuständige Behörde direkt reagieren).
    41
    42 Rückkopplungsmöglichkeit (Feedback) Unter der erstgenannten
    43 Voraussetzung der entsprechenden Geschwindigkeit, können
    44 Dienste über das Internet ein hohes Maß an Unmittelbarkeit
    45 und Interaktion herstellen. Da sämtliche Daten elektronisch
    46 vorliegen, kann nach Eingang jeder neuen Einzelmeldung,
    47 beispielsweise das Gesamtbild einer Abstimmung neu berechnet
    48 und sofort an den Benutzer zurückgeliefert werden. In dieses
    49 Gesamtbild kann eine Einordnung der eigenen Position in den
    50 Gesamtkontext erfolgen oder es können bei Bedarf weitere
    51 Angaben eingefordert werden, da „das System“ (ein
    52 Webservice, die Cloud, eine App) wechselseitig mit dem
    53 Nutzer zu kommunizieren im Stande ist.
    54
    55 Reichweite
    56 Das Internet steht bereits heute einem großen Teil der
    57 Bevölkerung zur Verfügung und wird in hohem Maße und auf
    58 vielfältige Weise genutzt. [FN: Vgl. Kap. 1.4.2.1] Die
    59 Reichweite, technisch und soziologisch, wird sich in Zukunft
    60 noch weiter erhöhen. [FN: Vgl. Kapitel 1.2]
    61
    62 Tatsächlich wurde und wird aktiv betreute Partizipation
    63 heute schon vielfach angewandt – häufig ohne ausreichend zu
    64 durchdenken, welche Entwicklungspfade der Meinungs- und
    65 Entscheidungsbildungsprozess in den gesetzten
    66 Rahmenbedingungen nehmen kann (vgl. Bud-Spencer Tunnel,
    67 etc.). Hier ist im Wesentlichen noch – wie in der Anhörung
    68 dazu mehrfach betont wurde - viel Grundlagenforschung zu
    69 leisten [à Handlungsempfehlungen]. Dies gilt für
    70 Partizipation an Entscheidungsvorbereitung und –findung
    71 gleichermaßen.
    72
    73 Darüber hinaus bietet das Medium Internet auch die
    74 Möglichkeit, Feedback und Umfragen und deren Aggregation
    75 direkter, ansprechender und damit wirkungsvoller zu
    76 gestalten. Bürger einer Gemeinde oder Mitarbeiter einer
    77 Firma können kontinuierlich über die (i.d.R. ohnehin
    78 vorhandene) Web-Plattformen angeben, wie (un-)zufrieden sie
    79 mit den Angeboten ihrer Verwaltung bzw. ihres Arbeitgebers
    80 oder mit anderen Rahmenbedingungen sind (Lärm,
    81 Arbeitszeiten, Sportangebote, Verkehrsanbindung, …) und wie
    82 wichtig ihnen diese Kategorien im Vergleich sind.
    83 Gleichzeitig sehen sie die Einschätzung anderer (und die
    84 ggf. kontinuierlichen Veränderungen) in aggregierter
    85 anonymer Form. Einmal abgegebene Äußerungen können jederzeit
    86 angepasst werden, sofern sich Rahmenbedingungen oder
    87 Lebensumstände ändern. Die analytischen Möglichkeiten zur
    88 sinnvollen Nutzung dieser Information sind immens (z.B. auch
    89 im Hinblick auf die aktuelle Diskussion zu „Alternativen zum
    90 BIP“). Dieses aktive und passive Feedback stellt, sofern es
    91 die einzelnen Teilnehmer repräsentiert und diese sich in
    92 ihrer Gesamtheit berücksichtigt fühlen, eine weitere Form
    93 der Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen
    94 Gestal-tungsprozess dar. Die beschriebenen Methoden kommen
    95 praktisch heute bereits zur Anwendung: Die Eigenschaften
    96 Dezentralität, Unmittelbarkeit und Dynamik werden häufig
    97 unter dem Schlagwort liquid aufgegriffen. Es ist dabei
    98 wichtig herauszustellen, dass Werkzeug (Internet,
    99 Webservices, Infrastruktur) und Umsetzung (Webseite/ App,
    100 Mechanismen, Design) nicht gleichzusetzen sind. Die
    101 tatsächliche Ausgestaltung entscheidet letztlich über
    102 Wirkungsweise und Ergebnis, also das „wie“, und weniger das
    103 „ob“. Spieltheorie und Mechanismus-Design-Theorie
    104 untersuchen die Funktionsweise verschiedener Ausgestaltungen
    105 und Regeln für Koordinationsmechanismen und deren Akteure.
    106 Hinsichtlich der hier aufgeworfenen Fragestellungen gibt es
    107 einen sehr großen Forschungsbedarf, der inter- und
    108 transdisziplinäre disziplinäre Ansätze erfordert.