04.03.01 Die Einreichung elektronischer Schriftsätze bei Gericht

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    1 Die Einreichung elektronischer Dokumente als bestimmende
    2 Schriftsätze ist gemäß § 130a ZPO im Zivilverfahren, nach §
    3 41a StPO im Strafverfahren sowie entsprechenden Regelungen
    4 in weiteren Verfahrensordnungen [FN: S. zum Beispiel §§ 46b
    5 und c ArbGG, §§ 55a und b VwGO, §§ 52a und b FGO, §§ 65a und
    6 b SGG. Generell verweisen die verschiedenen
    7 Verfahrensordnungen, sofern sie keine speziellen
    8 verfahrensrechtlichen Regelungen enthalten, auf die ZPO,
    9 vgl. nur § 173 VwGO, § 155 FGG, § 202 SGG.] grundsätzlich
    10 möglich. Zu beachten sind aber in diesem Zusammenhang die
    11 nach § 130a Abs. 2 ZPO, § 41a Abs. 2 StPO sowie
    12 entsprechenden Regelungen in anderen Verfahrensordnungen vom
    13 Bund und den Ländern zu erlassenden Rechtsverordnungen,
    14 welche jeweils für ihren Bereich den Zeitpunkt, von dem an
    15 elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden
    16 können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente
    17 geeignete Form bestimmen. Die Zulassung der elektronischen
    18 Form kann dabei auf einzelne Gerichte oder Verfahren
    19 beschränkt werden. [FN: Eine Liste aller den elektronischen
    20 Rechtsverkehr betreffenden Verordnungen des Bundes und der
    21 Länder kann abgerufen werden unter: Deutscher
    22 EDV-Gerichtstag e.V.: Gemeinsame Kommission elektronischer
    23 Rechtsverkehr – Materialien.
    24 http://www.edvgt.de/pages/gemeinsame-kommission-elektronisch
    25 er-rechtsverkehr/materialien.php]
    26
    27 Bei Dokumenten, bei denen bei der herkömmlichen Papierform
    28 ein Unterschriftenerfordernis besteht, ist es notwendig,
    29 dass der Aussteller das elektronische Dokument (E-Dokument)
    30 mit einer qualifizierten elektronischen Signatur
    31 (E-Signatur) im Sinne des § 2 Nr. 3 SigG versieht (vgl. §
    32 126a Abs. 1 BGB). Hiermit soll zum einen die Echtheit des im
    33 E-Dokument enthaltenen Schriftsatzes sichergestellt werden.
    34 [FN: Degen, Thomas in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno
    35 (Hrsg.). Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage
    36 2011, § 65 Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 4.] Zum anderen
    37 entspricht die qualifizierte E-Signatur der persönlichen
    38 Unterschrift des Ausstellers des Dokuments und garantiert
    39 somit die Integrität und Authentizität des E-Dokuments. [FN:
    40 Schöttle, Hendrik: Anwaltliche Beratung via Internet. 2004,
    41 S. 87. Speziell zur Beweiskraft elektronischer Dokumente im
    42 gerichtlichen Verfahren siehe § 371a ZPO sowie § 416a ZPO. ]
    43
    44 Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs
    45
    46 Die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs liegen
    47 insbesondere in der bereits angesprochenen
    48 Verfahrensbeschleunigung sowie in der Möglichkeit Kosten
    49 einzusparen, indem die relevanten Dokumente nicht mehr
    50 ausgedruckt und versandt werden müssen. [FN: Für Österreich
    51 beziffert Martin Schneider die Kosten für die jährlich in
    52 der Justiz anfallenden Portogebühren auf fast 30 Millionen
    53 Euro. Vgl. Schneider, Martin: e-Justiz in Österreich –
    54 Umsetzung der IT-Strategie. Vortrag im Rahmen des
    55 EDV-Gerichtstag Saarbrücken 2010, S. 18. Vortrag abrufbar
    56 unter: www.edvgt.de/media/Tagung10/DrMSchneider.pdf]
    57 Gleichzeitig erhöhen sich die Bürgerfreundlichkeit und die
    58 Serviceleistung der Gerichte, wodurch das Justizwesen
    59 insgesamt an Ansehen gewinnen kann. [FN: So Schwoerer, Max:
    60 Die elektronische Justiz. 2005, S. 27.] Notwendig ist die
    61 Anwendung offener Standards in Bund und Ländern.
    62
    63 Probleme im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs
    64
    65 Problematisch ist allerdings, dass die für den
    66 elektronischen Rechtsverkehr notwendige qualifizierte
    67 elektronische Signatur bislang kaum genutzt wird. [FN: Auf
    68 die fehlende Akzeptanz der qualifizierten elektronischen
    69 Signatur hinweisend auch die amtierende
    70 Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
    71 vgl. Bundesministerium des Innern: IT-Gipfel 2011 - Impuls
    72 für E-Justice und E-Government. Pressemitteilung vom 06.
    73 Dezember 2011. ] Teilweise wird das Erfordernis der
    74 elektronischen Signatur als Haupthindernis für eine schnelle
    75 Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs gesehen. [FN:
    76 Vgl. Fischer, Nikolaj: Justiz-Kommunikation. 2004, S. 47
    77 ff.; Schwoerer, Max: Die elektronische Justiz. 2005, S. 61.]
    78 Insofern wird bereits über andere Möglichkeiten der
    79 Authentifizierung elektronischer Gerichtspost nachgedacht.
    80 Hier soll beispielsweise auch die Einführung des geplanten
    81 DE-Mail-Systems einen zusätzlichen Kommunikationsweg für
    82 einzelne Teile der Gerichtspost eröffnen. [FN: Vgl.
    83 Bundesministerium des Innern: IT-Gipfel 2011 - Impuls für
    84 E-Justice und E-Government. Pressemitteilung vom 06.
    85 Dezember 2011.
    86 http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011
    87 /12/it_gipfel_2.html?nn=109632] Denkbar wären allerdings
    88 auch andere Systeme mit einem vergleichbaren oder höheren
    89 Sicherheitsstandard gemäß Signaturgesetz - SigG. [FN: Siehe
    90 hierzu auch ausführlich 4.8.1]
    91
    92 Weiterhin wird das Fehlen einer elektronischen
    93 Organisationssignatur (umgs.: „elektronisches
    94 Behördensigel“) als defizitär empfunden. Eine qualifizierte
    95 elektronische Signatur einer Behörde ist nach dem
    96 Signaturrecht jedoch nicht möglich. [FN: Viefhues, Wolfram,
    97 in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich. Multimedia-Recht. 29.
    98 Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn.
    99 43.] Die Praxis behilft sich diesbezüglich mit dem Einsatz
    100 von Attributzertifikaten oder Synonymzertifikaten, wodurch
    101 das grundsätzliche Problem allerdings nicht gelöst wird.
    102 [FN: Viefhues, Wolfram, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich.
    103 Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4
    104 Justizkommunikation, Rn. 43.]
    105
    106 Strittig ist auch die Verwendung sog. „Containersignaturen“.
    107 Hierunter versteht man die Möglichkeit, das gesamte
    108 übergeordnete Dokument, welches eine Vielzahl einzelner
    109 Dokumente und Anhänge enthält, mit einer qualifizierten
    110 elektronischen Signatur zu versehen, statt jedes einzelne
    111 Dokument zu signieren. Nach dem Wortlaut von § 130a ZPO soll
    112 das Dokument signiert werden. Teileweise wird deshalb davon
    113 ausgegangen, dass jedes einzelne Dokument mit einer
    114 qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sei. [FN:
    115 So von Selle, Dirk, in: Vorwerk, Volkert/ Wolf, Christian
    116 (Hrsg.). Beck'scher Online-Kommentar ZPO. 2011, § 130a ZPO,
    117 Rn. 8, abrufbar unter:
    118 http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata/komm/B
    119 eckOK_ZPR_2/ZPO/cont/beckok.ZPO.p130a.htm; Bacher, Klaus:
    120 Elektronisch eingereichte Schriftsätze im Zivilprozess. NJW
    121 2009, 1548 (1549).] Gleichwohl hat der Bundesfinanzhof in
    122 einem „obiter dictum“ seines Urteils vom 18. Oktober 2006
    123 [FN: Az. XI R 22/06.] die Wirksamkeit der in der
    124 übermittelten Nachricht zusammengefassten Dokumente
    125 angenommen, wenn eine das gesamte Dokument signierende
    126 „Containersignatur“ vorliege, weil der Sinnzusammenhang
    127 zwischen Text und Unterschrift gewahrt bleibe. [FN:
    128 Ausdrücklich zustimmend Viefhues, Wolfram: Das Gesetz über
    129 die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der
    130 Justiz. NJW 2005, 1009 (1010); Fischer-Dieskau,
    131 Stefanie/Hornung, Gerrit: Erste höchstrichterliche
    132 Entscheidung zur elektronischen Signatur. NJW 2007, 2897
    133 (2899); Degen, Thomas: Elektronischer Rechtsverkehr aus
    134 Sicht der Anwaltschaft, VBlBW 2005, 329 (330); Hadidi,
    135 Haya/Mödl, Robert: Die elektronische Einreichung zu den
    136 Gerichten. NJW 2010, 2097 ff.]