1 | Die Einreichung elektronischer Dokumente als bestimmende |
2 | Schriftsätze ist gemäß § 130a ZPO im Zivilverfahren, nach § |
3 | 41a StPO im Strafverfahren sowie entsprechenden Regelungen |
4 | in weiteren Verfahrensordnungen [FN: S. zum Beispiel §§ 46b |
5 | und c ArbGG, §§ 55a und b VwGO, §§ 52a und b FGO, §§ 65a und |
6 | b SGG. Generell verweisen die verschiedenen |
7 | Verfahrensordnungen, sofern sie keine speziellen |
8 | verfahrensrechtlichen Regelungen enthalten, auf die ZPO, |
9 | vgl. nur § 173 VwGO, § 155 FGG, § 202 SGG.] grundsätzlich |
10 | möglich. Zu beachten sind aber in diesem Zusammenhang die |
11 | nach § 130a Abs. 2 ZPO, § 41a Abs. 2 StPO sowie |
12 | entsprechenden Regelungen in anderen Verfahrensordnungen vom |
13 | Bund und den Ländern zu erlassenden Rechtsverordnungen, |
14 | welche jeweils für ihren Bereich den Zeitpunkt, von dem an |
15 | elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden |
16 | können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente |
17 | geeignete Form bestimmen. Die Zulassung der elektronischen |
18 | Form kann dabei auf einzelne Gerichte oder Verfahren |
19 | beschränkt werden. [FN: Eine Liste aller den elektronischen |
20 | Rechtsverkehr betreffenden Verordnungen des Bundes und der |
21 | Länder kann abgerufen werden unter: Deutscher |
22 | EDV-Gerichtstag e.V.: Gemeinsame Kommission elektronischer |
23 | Rechtsverkehr – Materialien. |
24 | http://www.edvgt.de/pages/gemeinsame-kommission-elektronisch |
25 | er-rechtsverkehr/materialien.php] |
26 | |
27 | Bei Dokumenten, bei denen bei der herkömmlichen Papierform |
28 | ein Unterschriftenerfordernis besteht, ist es notwendig, |
29 | dass der Aussteller das elektronische Dokument (E-Dokument) |
30 | mit einer qualifizierten elektronischen Signatur |
31 | (E-Signatur) im Sinne des § 2 Nr. 3 SigG versieht (vgl. § |
32 | 126a Abs. 1 BGB). Hiermit soll zum einen die Echtheit des im |
33 | E-Dokument enthaltenen Schriftsatzes sichergestellt werden. |
34 | [FN: Degen, Thomas in: Büchting, Hans-Ulrich/Heussen, Benno |
35 | (Hrsg.). Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch. 10. Auflage |
36 | 2011, § 65 Elektronischer Rechtsverkehr, Rn. 4.] Zum anderen |
37 | entspricht die qualifizierte E-Signatur der persönlichen |
38 | Unterschrift des Ausstellers des Dokuments und garantiert |
39 | somit die Integrität und Authentizität des E-Dokuments. [FN: |
40 | Schöttle, Hendrik: Anwaltliche Beratung via Internet. 2004, |
41 | S. 87. Speziell zur Beweiskraft elektronischer Dokumente im |
42 | gerichtlichen Verfahren siehe § 371a ZPO sowie § 416a ZPO. ] |
43 | |
44 | Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs |
45 | |
46 | Die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs liegen |
47 | insbesondere in der bereits angesprochenen |
48 | Verfahrensbeschleunigung sowie in der Möglichkeit Kosten |
49 | einzusparen, indem die relevanten Dokumente nicht mehr |
50 | ausgedruckt und versandt werden müssen. [FN: Für Österreich |
51 | beziffert Martin Schneider die Kosten für die jährlich in |
52 | der Justiz anfallenden Portogebühren auf fast 30 Millionen |
53 | Euro. Vgl. Schneider, Martin: e-Justiz in Österreich – |
54 | Umsetzung der IT-Strategie. Vortrag im Rahmen des |
55 | EDV-Gerichtstag Saarbrücken 2010, S. 18. Vortrag abrufbar |
56 | unter: www.edvgt.de/media/Tagung10/DrMSchneider.pdf] |
57 | Gleichzeitig erhöhen sich die Bürgerfreundlichkeit und die |
58 | Serviceleistung der Gerichte, wodurch das Justizwesen |
59 | insgesamt an Ansehen gewinnen kann. [FN: So Schwoerer, Max: |
60 | Die elektronische Justiz. 2005, S. 27.] Notwendig ist die |
61 | Anwendung offener Standards in Bund und Ländern. |
62 | |
63 | Probleme im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs |
64 | |
65 | Problematisch ist allerdings, dass die für den |
66 | elektronischen Rechtsverkehr notwendige qualifizierte |
67 | elektronische Signatur bislang kaum genutzt wird. [FN: Auf |
68 | die fehlende Akzeptanz der qualifizierten elektronischen |
69 | Signatur hinweisend auch die amtierende |
70 | Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, |
71 | vgl. Bundesministerium des Innern: IT-Gipfel 2011 - Impuls |
72 | für E-Justice und E-Government. Pressemitteilung vom 06. |
73 | Dezember 2011. ] Teilweise wird das Erfordernis der |
74 | elektronischen Signatur als Haupthindernis für eine schnelle |
75 | Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs gesehen. [FN: |
76 | Vgl. Fischer, Nikolaj: Justiz-Kommunikation. 2004, S. 47 |
77 | ff.; Schwoerer, Max: Die elektronische Justiz. 2005, S. 61.] |
78 | Insofern wird bereits über andere Möglichkeiten der |
79 | Authentifizierung elektronischer Gerichtspost nachgedacht. |
80 | Hier soll beispielsweise auch die Einführung des geplanten |
81 | DE-Mail-Systems einen zusätzlichen Kommunikationsweg für |
82 | einzelne Teile der Gerichtspost eröffnen. [FN: Vgl. |
83 | Bundesministerium des Innern: IT-Gipfel 2011 - Impuls für |
84 | E-Justice und E-Government. Pressemitteilung vom 06. |
85 | Dezember 2011. |
86 | http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011 |
87 | /12/it_gipfel_2.html?nn=109632] Denkbar wären allerdings |
88 | auch andere Systeme mit einem vergleichbaren oder höheren |
89 | Sicherheitsstandard gemäß Signaturgesetz - SigG. [FN: Siehe |
90 | hierzu auch ausführlich 4.8.1] |
91 | |
92 | Weiterhin wird das Fehlen einer elektronischen |
93 | Organisationssignatur (umgs.: „elektronisches |
94 | Behördensigel“) als defizitär empfunden. Eine qualifizierte |
95 | elektronische Signatur einer Behörde ist nach dem |
96 | Signaturrecht jedoch nicht möglich. [FN: Viefhues, Wolfram, |
97 | in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich. Multimedia-Recht. 29. |
98 | Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 Justizkommunikation, Rn. |
99 | 43.] Die Praxis behilft sich diesbezüglich mit dem Einsatz |
100 | von Attributzertifikaten oder Synonymzertifikaten, wodurch |
101 | das grundsätzliche Problem allerdings nicht gelöst wird. |
102 | [FN: Viefhues, Wolfram, in: Hoeren, Thomas/Sieber, Ulrich. |
103 | Multimedia-Recht. 29. Ergänzungslieferung 2011, Teil 4 |
104 | Justizkommunikation, Rn. 43.] |
105 | |
106 | Strittig ist auch die Verwendung sog. „Containersignaturen“. |
107 | Hierunter versteht man die Möglichkeit, das gesamte |
108 | übergeordnete Dokument, welches eine Vielzahl einzelner |
109 | Dokumente und Anhänge enthält, mit einer qualifizierten |
110 | elektronischen Signatur zu versehen, statt jedes einzelne |
111 | Dokument zu signieren. Nach dem Wortlaut von § 130a ZPO soll |
112 | das Dokument signiert werden. Teileweise wird deshalb davon |
113 | ausgegangen, dass jedes einzelne Dokument mit einer |
114 | qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sei. [FN: |
115 | So von Selle, Dirk, in: Vorwerk, Volkert/ Wolf, Christian |
116 | (Hrsg.). Beck'scher Online-Kommentar ZPO. 2011, § 130a ZPO, |
117 | Rn. 8, abrufbar unter: |
118 | http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata/komm/B |
119 | eckOK_ZPR_2/ZPO/cont/beckok.ZPO.p130a.htm; Bacher, Klaus: |
120 | Elektronisch eingereichte Schriftsätze im Zivilprozess. NJW |
121 | 2009, 1548 (1549).] Gleichwohl hat der Bundesfinanzhof in |
122 | einem „obiter dictum“ seines Urteils vom 18. Oktober 2006 |
123 | [FN: Az. XI R 22/06.] die Wirksamkeit der in der |
124 | übermittelten Nachricht zusammengefassten Dokumente |
125 | angenommen, wenn eine das gesamte Dokument signierende |
126 | „Containersignatur“ vorliege, weil der Sinnzusammenhang |
127 | zwischen Text und Unterschrift gewahrt bleibe. [FN: |
128 | Ausdrücklich zustimmend Viefhues, Wolfram: Das Gesetz über |
129 | die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der |
130 | Justiz. NJW 2005, 1009 (1010); Fischer-Dieskau, |
131 | Stefanie/Hornung, Gerrit: Erste höchstrichterliche |
132 | Entscheidung zur elektronischen Signatur. NJW 2007, 2897 |
133 | (2899); Degen, Thomas: Elektronischer Rechtsverkehr aus |
134 | Sicht der Anwaltschaft, VBlBW 2005, 329 (330); Hadidi, |
135 | Haya/Mödl, Robert: Die elektronische Einreichung zu den |
136 | Gerichten. NJW 2010, 2097 ff.] |
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04.03.01 Die Einreichung elektronischer Schriftsätze bei Gericht (Originalversion)
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