03.07 „Barrierefreiheit“ in der digitalen Gesellschaft

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  • 03.07 „Barrierefreiheit“ in der digitalen Gesellschaft (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Das Internet eröffnet Teilhabechancen und prägt unsere
    2 Lebensqualität in immer größerem Maße. Deshalb ist es so
    3 wichtig, allen Bürgerinnen und Bürgern den Weg in die
    4 digitale Gesellschaft zu ermöglichen. Das bedeutet zum
    5 einen, dass Nichtnutzer noch gezielter mit interessanten und
    6 attraktiven Angeboten angesprochen und an das Internet
    7 herangeführt werden müssen. Immerhin 18 Millionen Menschen
    8 in Deutschland nutzen das Internet bisher noch nicht. [FN:
    9 Siehe Kapitel PG DuS 1.2.] Zum anderen bedeutet es aber
    10 auch, dass die Web-Angebote barrierefrei zugänglich und
    11 nutzerfreundlich gestaltet sein müssen.
    12
    13 Gerade für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt
    14 oder die in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigt sind (z.B.
    15 sehbehinderte, blinde, hör- und lernbehinderte Menschen),
    16 können Internetangebote einen großen Nutzen haben, da sie
    17 den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen, und die
    18 Pflege sozialer Kontakte erleichtern bzw. erst ermöglichen
    19 und damit auch zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. In der
    20 Praxis wird diese Zielgruppe aber häufig nicht ausreichend
    21 berücksichtigt. So können blinde Menschen z.B. eine
    22 grafische Navigation nicht nutzen und das Fehlen von
    23 Alternativtexten bei Grafik- und Formularelementen erschwert
    24 ihnen die Nutzung. Sehbehinderte Menschen haben
    25 Schwierigkeiten mit kleiner Schrift, undeutlicher Farbwahl
    26 und mangelnden Kontrasten. Und Menschen mit kognitiven
    27 Einschränkungen (z.B. einer Lernbehinderung) sind von
    28 komplex aufgebauten Internet-Angeboten oft überfordert. Für
    29 die öffentliche Bundesverwaltung gibt es bereits
    30 Rechtsvorschriften, nach denen Online-Angebote der
    31 öffentlichen Verwaltung zwingend barrierefrei zugänglich und
    32 anwenderfreundlich ausgestaltet sein müssen. Ihre Umsetzung
    33 ist in vielen Bereichen aber noch nicht zufriedenstellend.
    34 Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dies zu ändern.
    35 Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV)
    36 konkretisiert das Behindertengleichstellungsgesetz und
    37 verpflichtet Webangebote des Bundes auf Barrierefreiheit.
    38 Webangebote von Einrichtungen, die im Bundesauftrag
    39 öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sollen für behinderte
    40 Benutzer zugänglich sein. Solche Einrichtungen sind zum
    41 Beispiel Bundesämter, überregionale gesetzliche
    42 Krankenkassen oder Stiftungen. Die Vorschriften der BITV
    43 sollen die universelle Zugänglichkeit von Webangeboten
    44 sicherstellen. Auch blinde, sehbehinderte, motorisch
    45 behinderte und lernbehinderte Benutzer sollen Zugang haben.
    46 In den Ländern existieren vergleichbare gesetzliche
    47 Regelungen in Landesgleichstellungsgesetzen. [FN:
    48 http://www.bitvtest.de]
    49
    50 Das Zugänglichkeit und Barrierefreiheit notwendige
    51 Voraussetzungen für die Realisierung umfassender Teilhabe
    52 sind, spiegelt sich auch in der
    53 UN-Behindertenrechtskonvention wider, die Deutschland 2009
    54 ratifiziert hat. Die Konvention fordert nicht nur
    55 Zugänglichkeit und Barrierefreiheit im öffentlichen Raum
    56 (z.B. bei Gebäuden, Straßen, Transportmitteln,
    57 Einrichtungen, Schulen, Arbeitsstätten), sondern sie
    58 verlangt für Menschen mit Behinderungen explizit einen
    59 gleichberechtigten Zugang zu Informations- und
    60 Kommunikationsangeboten und Diensten. Zur Umsetzung der
    61 Konvention hat die Bundesregierung im Juni 2011 einen
    62 Nationalen Aktionsplan bestückt, mit einem umfassenden
    63 Maßnahmenpaket verabschiedet, der in den nächsten Jahren
    64 umgesetzt werden soll. Eine Reihe von Maßnahmen betreffen
    65 die Bereiche Information und Kommunikation und E-Government.
    66 So fördert das BMAS beispielsweise die Entwicklung eines
    67 Webguides für die Verwaltung, der die praktische Umsetzung
    68 der neuen BITV 2.0 erleichtern soll. Eine Studie soll
    69 Aufschluss zur Eignung bestehender E-Partizipationsangebote
    70 für Menschen mit Behinderungen geben und Empfehlungen
    71 formulieren, was zukünftig besser gemacht werden kann.
    72 Darüber hinaus setzt die Bundesregierung beim Thema
    73 Barrierefreiheit gezielt auf den Dialog, um das Bewusstsein
    74 für die Belange behinderter Menschen bei den Akteuren in den
    75 verschiedenen Bereichen zu stärken.
    76
    77 Mangelnde Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit werden
    78 als Problem umso dringender, je mehr Online-Angebote den
    79 Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt werden und in
    80 Entscheidungsprozesse von Politik und Verwaltung einfließen.
    81 Wer sich an diesen Angeboten nicht beteiligen kann, hat
    82 schlechte Chancen seine Interessen einzubringen. Bereits
    83 heute gibt es eine Vielzahl von elektronischen
    84 Konsultations- und Petitionsangeboten die zum Mitmachen
    85 einladen, aber eben noch nicht barrierefrei und auch nicht
    86 immer nutzerfreundlich sind. Das betrifft eine Konsultation
    87 zu einem 70-seitigen PDF-Dokument, das zu studieren im
    88 Grunde einem Bürger nur schwer zuzumuten ist, genauso wie
    89 die Verwendung von Formularen, die nicht barrierefrei sind.
    90
    91 Unter Berücksichtigung der politischen Zielsetzung, das
    92 deutsche E-Government bis 2015 auf einen europäischen
    93 Spitzenplatz zu führen [FN: Nationale E-Government
    94 Strategie] und dem Bekenntnis, Internettechnologien
    95 verstärkt zur Beteiligung der Bevölkerung an politischen
    96 Entscheidungsfindungen zu nutzen [FN: IKT-Strategie der
    97 Bundesregierung „Deutschland Digital 2015“], ist mit einer
    98 weiteren Zunahme entsprechender Online-Angebote zu rechnen.
    99 Hinzu kommt, dass Online-Angebote von der Politik auch als
    100 imagefördernd im Sinne von „Bürgernähe“ angesehen werden und
    101 daher auch Mittel der Wahl sind.
    102
    103 Eine solche Entwicklung, die zu begrüßen ist, weil sie
    104 zusätzliche Zugangswege für eine breitere Bürgerbeteiligung
    105 schafft, birgt aber auch die Gefahr, dass einzelne Gruppen
    106 ausgeschlossen werden, wenn die notwendigen technischen und
    107 inhaltlichen Voraussetzungen an die Zugänglichkeit von
    108 Online-Angeboten nicht erfüllt werden. Damit wird
    109 Barrierefreiheit gleichzeitig zu einem Erfolgsfaktor und
    110 einem Maßstab für die Qualität solcher Angebote. Ein „gutes“
    111 Online-Angebote muss daher von der Konzeption über die
    112 Entwicklung, das Webdesign und die Implementierung das
    113 Kriterium der Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit in
    114 jeder Stufe der Umsetzung mitdenken. Das bedeutet aber auch,
    115 dass bei allen Beteiligten von der Verwaltung, die ein
    116 Vorhaben initiiert, bis zur Agentur, die es umsetzt, ein
    117 Bewusstsein für die Bedeutung von Barrierefreiheit und die
    118 Möglichkeiten ihrer Umsetzung vorhanden sein muss.