Papier: 03.02.05 Regieren und Verwalten in der digital vernetzten Welt: Chancen und Herausforderungen von E-Government Teil 2
Originalversion
1 | Adäquate Wirtschaftlichkeitsberechnung |
2 | |
3 | Insgesamt stellt sich die Herausforderung, öffentlichen |
4 | IT-Projekten grundsätzlich eine sachgerechtere |
5 | Wirtschaftlichkeitsberechnung und Technikfolgenabschätzung |
6 | vorausgehen zu lassen. Bei dieser Analyse besteht die |
7 | Schwierigkeit, die Kosten des Einsatzes vor Inbetriebnahme |
8 | der neuen IT-basierten Infrastruktur abzuschätzen. Es ist |
9 | geradezu charakteristisch für die Entwicklung von |
10 | IT-Produkten, dass bei Vertragsschluss nicht wirklich klar |
11 | ist, welche Kosten durch die verschiedenen in Auftrag |
12 | gegebenen Projekte entstehen werden. Oft übersteigen die |
13 | endgültig entstandenen Kosten, die zu Beginn veranschlagten |
14 | Kosten um ein Vielfaches und geplante Kostensenkungen |
15 | treten, wenn überhaupt, erst über einen langfristigen |
16 | Zeitraum ein. So erfordert jedoch das Fach-, Verfahrens- und |
17 | Haushaltsrecht eine detaillierte Planung, die im Nachhinein |
18 | oftmals aufgrund der sich schnell ändernden Technologie oder |
19 | aber des Ressourcenbedarfs schnell hinfällig wird. |
20 | Kurzfristige Anpassungen an eingetretene Veränderungen sind |
21 | aufgrund der vorhandenen Strukturen oftmals nicht möglich. |
22 | Ein entsprechendes Risikomanagement und eine ggf. |
23 | erforderliche Fehlerkultur sind oftmals nur schwach |
24 | ausgeprägt. |
25 | |
26 | Regelmäßig wiederkehrende Untersuchungen zu IT-Projekten in |
27 | den USA haben zudem ergeben, dass 24% aller dort |
28 | durchgeführten IT-Projekte vollständig und 44% aller |
29 | IT-Projekte sich zumindest verzögern oder aber nicht im |
30 | vorhergesehenen Budgetrahmen beendet werden können [FN: |
31 | Standish Group (2009): Chaos 2009 Summary and EPPM Study, |
32 | Standish Group, West Yarmouth MA ]. |
33 | |
34 | Wesentliche Herausforderungen für laufende und zukünftige |
35 | E-Government-Projekte liegen daher in einer soliden und |
36 | umfassenden Planung und der Einbeziehung möglichst aller |
37 | betroffenen Akteure. Diese Planung muss auch praxistauglich |
38 | sein, um ein späteres Scheitern auszuschließen. Dabei hat |
39 | sich gezeigt, dass eine frühzeitige Definition des zu |
40 | erwartenden Nutzens und eine realistische Kostenkalkulation |
41 | sowie eine frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und |
42 | Mitarbeiter und die Gewährleistung der Unterstützung des |
43 | Projektes durch die Führungskräfte eine besondere Rolle |
44 | spielen. |
45 | |
46 | Eine weitere große Herausforderung ist die |
47 | datenschutzkonforme Gestaltung von E-Government-Prozessen, |
48 | die ebenfalls ein Bestandteil der |
49 | Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist. Zudem stellt sich die |
50 | Frage, wie Führungskräfte im öffentlichen Dienst für Fragen |
51 | des Schutzes und der Sicherheit von personenbezogenen Daten, |
52 | sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von |
53 | Beschäftigten, noch mehr sensibilisiert werden können. |
54 | Entsprechende Fragestellungen (z.B. durch Privacy-by-Design) |
55 | sollten bereits in der Phase der ersten Konzeptionierung von |
56 | E-Government-Abläufen und bei der Zusammenstellung von |
57 | Entwicklungsteams berücksichtigt werden. Auf gemachte |
58 | Erfahrungen aus der Praxis sollte zurückgegriffen werden. |
59 | |
60 | Besondere Anforderungen bestehen damit auch an das mit der |
61 | Durchführung der Projekte betraute Personal. Selbst wenn |
62 | Teile der Projektdurchführung an externe Dienstleister |
63 | vergeben werden, muss eine fachlich kompetente |
64 | Projektsteuerung durch die Verwaltung erfolgen. Falls die |
65 | Erstellung und Umsetzung ausschließlich „Inhouse“ erfolgt, |
66 | muss hierfür ebenfalls das entsprechend geschulte und |
67 | ausgebildete Personal vorhanden sein. Aufgrund der derzeit |
68 | starken Nachfrage nach Fachkräften im IT-Bereich müssen sich |
69 | Bund, Länder und Gemeinden auch in diesem Bereich besonderen |
70 | Herausforderungen stellen. Sie stehen hierbei in einem |
71 | durchaus schwierigen Wettbewerb zur Wirtschaft. Aufgrund der |
72 | Gehaltsstruktur im Öffentlichen Dienst bestehen daher |
73 | erhebliche Schwierigkeiten, qualifizierte IT-Fachkräfte |
74 | dauerhaft an den Öffentlichen Dienst zu binden. |
75 | |
76 | |
77 | Akzeptanzfaktoren bei E-Government-Projekten |
78 | |
79 | Die Akzeptanz entsprechender Projekte hängt auch davon ab, |
80 | dass die Kosten nicht gesteigert und die Qualität, Effizienz |
81 | und die Bürgernähe der Verwaltung verbessert und bestehende |
82 | Rechte der Bürger und Beschäftigten gewahrt werden. Der |
83 | Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger sowie des beteiligten |
84 | Personals bildet den Kern der E-Governmentprojekte. Ist |
85 | dieser nicht evident, können Akzeptanzprobleme entstehen, |
86 | die wiederum schnell zu Reibungsverlusten führen können, die |
87 | die Sinnhaftigkeit der E-Governmentmaßnahmen in Frage |
88 | stellen. |
89 | |
90 | Ein grundsätzliches Akzeptanzproblem und die Möglichkeit |
91 | eines Vertrauensverlustes in E-Government-Verfahren können |
92 | die Gefahr eines Datenverlustes bzw. der nicht ausreichende |
93 | Schutz der eigenen personenbezogenen Daten hervorrufen. Dies |
94 | belegt beispielsweise auch der eGovernment Monitor 2011 [FN: |
95 | Vgl. Kapitel 2.1], bei dem 52% der Befragten die fehlende |
96 | Datensicherheit als Grund für ihre Nichtteilnahme an |
97 | E-Government-Angeboten angaben. Die Berücksichtigung der |
98 | Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger an eine hohe |
99 | Datensicherheit und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten |
100 | müssen daher ebenfalls gewährleistet sein. Sie tragen |
101 | überdurchschnittlich zur Akzeptanz von |
102 | E-Government-Projekten bei. |
103 | |
104 | Öffentliche Diskussionen über möglicherweise rechtswidrige |
105 | Eingriffe des Staates über von ihm zur Verfügung gestellte |
106 | bzw. verwendete Software, beispielsweise an Schulen, können |
107 | daher zu einer erheblichen Verunsicherung der Bürgerinnen |
108 | und Bürger gegenüber den elektronischen Angeboten der |
109 | Verwaltung beitragen. Es kann zudem schnell eine Vermischung |
110 | mit sonstigen von Dritten bewusst gesteuerten |
111 | Sicherheitsrisiken im Bereich des Internets, wie |
112 | beispielsweise durch Trojaner, Angriffe durch sogenanntes |
113 | „Cross-Site-Scripting (XSS)“ oder „Browser-Hijacking“ |
114 | erfolgen. Dies alles verringert die Akzeptanz entsprechender |
115 | E-Government-Angebote und die Bereitschaft, sich auf neue |
116 | technische Lösungen einzulassen. Umso mehr ist es die |
117 | Pflicht der Verwaltung, sich an Recht und Gesetz zu halten |
118 | und auch im Bereich des E-Governments die |
119 | verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte zu beachten. |
120 | |
121 | E-Government steht somit genauso wie analog organisierte |
122 | Verwaltung vor der Herausforderung, Grundrechte, |
123 | Datenschutzbelange und andere staatsbürgerliche Positionen |
124 | der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen. |
125 | Digitalisierung und zunehmende Vernetzung, die |
126 | charakteristisch für E-Government-Dienstleistungen sind, |
127 | ermöglichen vielfach einen zentralen Zugriff auf |
128 | personenbezogene Daten der Bürgerinnen und Bürger. Die |
129 | Zentralisierung, die Arbeitsabläufe gerade in großflächigen |
130 | Gegenden effizient auszugestalten vermag, birgt die Gefahr, |
131 | dass personenbezogene Daten auch einen entsprechend großen |
132 | Verbreitungsgrad finden. Im Fokus der elektronischen |
133 | Verwaltung steht u. a. die Optimierung der Datenflüsse |
134 | innerhalb der Behörden. Daher werden vielfach manuelle |
135 | Tätigkeiten durch automatisierte Abläufe ersetzt. |
136 | Informationen einer Akte etwa sollen zentral angefordert, |
137 | individuell bearbeitet und wiederum zentral gespeichert |
138 | werden können. |
139 | |
140 | Die Einhaltung der bestehenden datenschutzrechtlichen |
141 | Regelungen und deren Überwachung durch unabhängige |
142 | Datenschutzbeauftragte bietet bereits eine Grundlage, um das |
143 | Bürgervertrauen in elektronische Verwaltung zu stärken. |
144 | Darüber hinaus gilt es, wichtige Datenschutzgrundsätze, wie |
145 | beispielsweise die Frage der Zweckbindung und der |
146 | Erforderlichkeit, durch die zur Verfügung stehenden Mittel |
147 | von Beratung, Kontrolle, Technik, und Aufsicht täglich |
148 | unmittelbar in die elektronische Verwaltung umzusetzen. Eine |
149 | erfolgreiche Umstellung auf E-Government-Dienstleistung |
150 | geschieht daher sowohl unter Wahrung datenschutzrechtlicher |
151 | Anforderungen als auch durch Effizienzerhöhung der |
152 | Arbeitsabläufe. IT-basierte Verwaltungsdienstleistungen |
153 | werden umso mehr in Anspruch genommen, als Bürgerinnen und |
154 | Bürger in die sichere Verwendung ihrer Daten vertrauen und |
155 | davon überzeugt sind, dass die Grundsätze der |
156 | Datensparsamkeit und Zweckbindung besonders bei |
157 | E-Government-Dienstleistungen „gelebt“ werden. |
158 | |
159 | Eine wichtige Herausforderung der öffentlichen Hand im |
160 | Rahmen modernen E-Governments ist auch der Schutz der Rechte |
161 | der Nutzerinnen und Nutzern sozialer Netzwerke. Die |
162 | Interaktionsmöglichkeiten des Web 2.0, insbesondere durch |
163 | soziale Netzwerke und Portale, ermöglichen auf der einen |
164 | Seite eine schnelle Rückkopplung zu den nutzenden |
165 | Bürgerinnen und Bürgern, um so noch besser auf deren |
166 | Anforderungen und Anliegen einzugehen. Auf der anderen Seite |
167 | gibt es aber auch noch vielfältige Schwierigkeiten bei der |
168 | Durchsetzung nationalen Datenschutzrechts bei international |
169 | agierenden, und im Ausland ansässigen Anbietern. [FN: Vgl. |
170 | hierzu PG Datenschutz Kapitel 2.1.9] |
171 | |
172 | Darüber hinaus besteht das grundsätzliche Risiko, dass die |
173 | Verlagerung von eigentlich öffentlicher Kommunikation in |
174 | soziale Netzwerke zu einer Exklusion und Ausgrenzung von |
175 | Bürgerinnen und Bürgern führt, die eben nicht Mitglied in |
176 | den entsprechenden sozialen Netzwerken sind. Darüber hinaus |
177 | können die Betreiber entsprechender Plattformen auch alle |
178 | zur Verfügung gestellten Informationen und personenbezogenen |
179 | Daten auswerten und nutzen. Dies kann je nach Angebot zu |
180 | erheblichen Akzeptanzproblemen bei den Nutzerinnen und |
181 | Nutzern bzw. zu einem deutlich angepassten Nutzungsverhalten |
182 | führen. E-Government-Strategien müssen daher bei einer |
183 | Nutzung von Social Media-Plattformen auch diese Effekte von |
184 | Beginn an berücksichtigen und in ihre Überlegungen mit |
185 | einbeziehen. |
186 | |
187 | Teilhabe durch offene Standards und Barrierefreiheit in |
188 | E-Government- Dienstleistungen |
189 | Um die Teilnahmemöglichkeit aller Bürgerinnen und Bürger an |
190 | E-Government-Angeboten zu gewährleisten, ist es für den |
191 | Staat eine große Herausforderung, deren äußerst |
192 | unterschiedliche Computer-Ausstattung zu berücksichtigen und |
193 | in allen E-Government-Dienstleistungen mit offenen Standards |
194 | und Barrierefreiheit zu verwirklichen. |
195 | |
196 | |
197 | Transparenz /Mobilität |
198 | |
199 | Ein großer Vorteil von E-Government-Dienstleistungen kann im |
200 | Transparenzpotential und der Komfortabilität für Bürgerinnen |
201 | und Bürger bestehen. IT-Dienstleistungen, die Vertrauen |
202 | schaffen und einen Beitrag zur Transparenz von |
203 | Verwaltungsprozessen leisten, können die Nutzung für |
204 | Bürgerinnen und Bürger komfortabel und attraktiv machen. |
205 | Eine weitere Herausforderung aber auch Chance wird darin |
206 | bestehen, die bisher bereits vorhandenen aber auch die |
207 | zukünftig noch folgenden Dienste und E-Government-Angebote |
208 | auch als mobile Dienste zu konzipieren und anzubieten. Mit |
209 | der Verbreitung mobiler Endgeräte werden schließlich auch |
210 | die Anforderungen an mobile E-Government-Dienste steigen. |
211 | Behörden werden daher mittel- und langfristig sicherstellen |
212 | müssen, dass ihre Angebote auch mobil abrufbar und nutzbar |
213 | sind; zumindest soweit sie hierzu geeignet sind. |
214 | |
215 | |
216 | Schlussbetrachtung |
217 | |
218 | Eine zentrale Herausforderung für E-Government in |
219 | Deutschland besteht darin, eine demokratische Raumordnung |
220 | für die Informationsgesellschaft zu schaffen. Rechtliche, |
221 | technische und soziale Standards müssen hierfür fortlaufend |
222 | gesetzt und angepasst werden, um auch in Zukunft die |
223 | Daseinsvorsorge zu garantieren. Dabei stellt sich für die |
224 | Verwaltung die Frage, ob eine IT-Umsetzung sinnvoll ist und |
225 | wie sie sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den |
226 | Unternehmen einen guten und kosteneffizienten Service |
227 | anbietet, der dem technischen Stand der Zeit entspricht, |
228 | ohne jemanden grundsätzlich von der Nutzung staatlicher |
229 | Angebote auszuschließen. Hierbei sollte idealerweise der |
230 | Staat auch noch der ihm zugeschriebenen Vorbildfunktion bei |
231 | der Gestaltung und Ausprägung der angebotenen |
232 | Dienstleistungen (beispielsweise durch offene Standards) |
233 | gerecht werden. |
234 | |
235 | Werden IT-Projekte in Kooperation mit privaten Unternehmen |
236 | realisiert, so gilt es zu beachten, dass öffentlich private |
237 | Partnerschaften oder aber ein Outsourcing von Leistungen in |
238 | einem Spannungsverhältnis zu den Anforderungen an die |
239 | Selbstverwaltung und die Steuerungsfähigkeit der |
240 | öffentlichen Hand stehen können. |
241 | |
242 | IT-basiertes Regieren und Verwalten birgt somit nicht nur |
243 | ein großes Potenzial für neue, bessere und effizientere |
244 | gemeinwohlorientierte öffentliche Dienste, sondern auch neue |
245 | Möglichkeiten der Teilhabe und Partizipation der Bürgerinnen |
246 | und Bürgern sowie neue Geschäftsmodelle für Unternehmen. |
247 | E-Government kann aber auch, wenn die politischen und |
248 | organisatorischen Rahmenbedingungen nicht stimmen oder aber |
249 | die rechtlichen nicht beachtet werden, das Gegenteil |
250 | bewirken: Soziale Ausgrenzung, Entdemokratisierung, |
251 | rechtswidrige Überwachung, Abbau von Bürger- und |
252 | Beschäftigtenrechten und einen Anstieg an Bürokratie und |
253 | enorme Kosten für den Steuerzahler. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Adäquate Wirtschaftlichkeitsberechnung |
2 | |
3 | Insgesamt stellt sich die Herausforderung, öffentlichen |
4 | IT-Projekten grundsätzlich eine sachgerechtere |
5 | Wirtschaftlichkeitsberechnung und Technikfolgenabschätzung |
6 | vorausgehen zu lassen. Bei dieser Analyse besteht die |
7 | Schwierigkeit, die Kosten des Einsatzes vor Inbetriebnahme |
8 | der neuen IT-basierten Infrastruktur abzuschätzen. Es ist |
9 | geradezu charakteristisch für die Entwicklung von |
10 | IT-Produkten, dass bei Vertragsschluss nicht wirklich klar |
11 | ist, welche Kosten durch die verschiedenen in Auftrag |
12 | gegebenen Projekte entstehen werden. Oft übersteigen die |
13 | endgültig entstandenen Kosten, die zu Beginn veranschlagten |
14 | Kosten um ein Vielfaches und geplante Kostensenkungen |
15 | treten, wenn überhaupt, erst über einen langfristigen |
16 | Zeitraum ein. So erfordert jedoch das Fach-, Verfahrens- und |
17 | Haushaltsrecht eine detaillierte Planung, die im Nachhinein |
18 | oftmals aufgrund der sich schnell ändernden Technologie oder |
19 | aber des Ressourcenbedarfs schnell hinfällig wird. |
20 | Kurzfristige Anpassungen an eingetretene Veränderungen sind |
21 | aufgrund der vorhandenen Strukturen oftmals nicht möglich. |
22 | Ein entsprechendes Risikomanagement und eine ggf. |
23 | erforderliche Fehlerkultur sind oftmals nur schwach |
24 | ausgeprägt. |
25 | |
26 | Regelmäßig wiederkehrende Untersuchungen zu IT-Projekten in |
27 | den USA haben zudem ergeben, dass 24% aller dort |
28 | durchgeführten IT-Projekte vollständig und 44% aller |
29 | IT-Projekte sich zumindest verzögern oder aber nicht im |
30 | vorhergesehenen Budgetrahmen beendet werden können [FN: |
31 | Standish Group (2009): Chaos 2009 Summary and EPPM Study, |
32 | Standish Group, West Yarmouth MA ]. |
33 | |
34 | Wesentliche Herausforderungen für laufende und zukünftige |
35 | E-Government-Projekte liegen daher in einer soliden und |
36 | umfassenden Planung und der Einbeziehung möglichst aller |
37 | betroffenen Akteure. Diese Planung muss auch praxistauglich |
38 | sein, um ein späteres Scheitern auszuschließen. Dabei hat |
39 | sich gezeigt, dass eine frühzeitige Definition des zu |
40 | erwartenden Nutzens und eine realistische Kostenkalkulation |
41 | sowie eine frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und |
42 | Mitarbeiter und die Gewährleistung der Unterstützung des |
43 | Projektes durch die Führungskräfte eine besondere Rolle |
44 | spielen. |
45 | |
46 | Eine weitere große Herausforderung ist die |
47 | datenschutzkonforme Gestaltung von E-Government-Prozessen, |
48 | die ebenfalls ein Bestandteil der |
49 | Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist. Zudem stellt sich die |
50 | Frage, wie Führungskräfte im öffentlichen Dienst für Fragen |
51 | des Schutzes und der Sicherheit von personenbezogenen Daten, |
52 | sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von |
53 | Beschäftigten, noch mehr sensibilisiert werden können. |
54 | Entsprechende Fragestellungen (z.B. durch Privacy-by-Design) |
55 | sollten bereits in der Phase der ersten Konzeptionierung von |
56 | E-Government-Abläufen und bei der Zusammenstellung von |
57 | Entwicklungsteams berücksichtigt werden. Auf gemachte |
58 | Erfahrungen aus der Praxis sollte zurückgegriffen werden. |
59 | |
60 | Besondere Anforderungen bestehen damit auch an das mit der |
61 | Durchführung der Projekte betraute Personal. Selbst wenn |
62 | Teile der Projektdurchführung an externe Dienstleister |
63 | vergeben werden, muss eine fachlich kompetente |
64 | Projektsteuerung durch die Verwaltung erfolgen. Falls die |
65 | Erstellung und Umsetzung ausschließlich „Inhouse“ erfolgt, |
66 | muss hierfür ebenfalls das entsprechend geschulte und |
67 | ausgebildete Personal vorhanden sein. Aufgrund der derzeit |
68 | starken Nachfrage nach Fachkräften im IT-Bereich müssen sich |
69 | Bund, Länder und Gemeinden auch in diesem Bereich besonderen |
70 | Herausforderungen stellen. Sie stehen hierbei in einem |
71 | durchaus schwierigen Wettbewerb zur Wirtschaft. Aufgrund der |
72 | Gehaltsstruktur im Öffentlichen Dienst bestehen daher |
73 | erhebliche Schwierigkeiten, qualifizierte IT-Fachkräfte |
74 | dauerhaft an den Öffentlichen Dienst zu binden. |
75 | |
76 | |
77 | Akzeptanzfaktoren bei E-Government-Projekten |
78 | |
79 | Die Akzeptanz entsprechender Projekte hängt auch davon ab, |
80 | dass die Kosten nicht gesteigert und die Qualität, Effizienz |
81 | und die Bürgernähe der Verwaltung verbessert und bestehende |
82 | Rechte der Bürger und Beschäftigten gewahrt werden. Der |
83 | Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger sowie des beteiligten |
84 | Personals bildet den Kern der E-Governmentprojekte. Ist |
85 | dieser nicht evident, können Akzeptanzprobleme entstehen, |
86 | die wiederum schnell zu Reibungsverlusten führen können, die |
87 | die Sinnhaftigkeit der E-Governmentmaßnahmen in Frage |
88 | stellen. |
89 | |
90 | Ein grundsätzliches Akzeptanzproblem und die Möglichkeit |
91 | eines Vertrauensverlustes in E-Government-Verfahren können |
92 | die Gefahr eines Datenverlustes bzw. der nicht ausreichende |
93 | Schutz der eigenen personenbezogenen Daten hervorrufen. Dies |
94 | belegt beispielsweise auch der eGovernment Monitor 2011 [FN: |
95 | Vgl. Kapitel 2.1], bei dem 52% der Befragten die fehlende |
96 | Datensicherheit als Grund für ihre Nichtteilnahme an |
97 | E-Government-Angeboten angaben. Die Berücksichtigung der |
98 | Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger an eine hohe |
99 | Datensicherheit und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten |
100 | müssen daher ebenfalls gewährleistet sein. Sie tragen |
101 | überdurchschnittlich zur Akzeptanz von |
102 | E-Government-Projekten bei. |
103 | |
104 | Öffentliche Diskussionen über möglicherweise rechtswidrige |
105 | Eingriffe des Staates über von ihm zur Verfügung gestellte |
106 | bzw. verwendete Software, beispielsweise an Schulen, können |
107 | daher zu einer erheblichen Verunsicherung der Bürgerinnen |
108 | und Bürger gegenüber den elektronischen Angeboten der |
109 | Verwaltung beitragen. Es kann zudem schnell eine Vermischung |
110 | mit sonstigen von Dritten bewusst gesteuerten |
111 | Sicherheitsrisiken im Bereich des Internets, wie |
112 | beispielsweise durch Trojaner, Angriffe durch sogenanntes |
113 | „Cross-Site-Scripting (XSS)“ oder „Browser-Hijacking“ |
114 | erfolgen. Dies alles verringert die Akzeptanz entsprechender |
115 | E-Government-Angebote und die Bereitschaft, sich auf neue |
116 | technische Lösungen einzulassen. Umso mehr ist es die |
117 | Pflicht der Verwaltung, sich an Recht und Gesetz zu halten |
118 | und auch im Bereich des E-Governments die |
119 | verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte zu beachten. |
120 | |
121 | E-Government steht somit genauso wie analog organisierte |
122 | Verwaltung vor der Herausforderung, Grundrechte, |
123 | Datenschutzbelange und andere staatsbürgerliche Positionen |
124 | der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen. |
125 | Digitalisierung und zunehmende Vernetzung, die |
126 | charakteristisch für E-Government-Dienstleistungen sind, |
127 | ermöglichen vielfach einen zentralen Zugriff auf |
128 | personenbezogene Daten der Bürgerinnen und Bürger. Die |
129 | Zentralisierung, die Arbeitsabläufe gerade in großflächigen |
130 | Gegenden effizient auszugestalten vermag, birgt die Gefahr, |
131 | dass personenbezogene Daten auch einen entsprechend großen |
132 | Verbreitungsgrad finden. Im Fokus der elektronischen |
133 | Verwaltung steht u. a. die Optimierung der Datenflüsse |
134 | innerhalb der Behörden. Daher werden vielfach manuelle |
135 | Tätigkeiten durch automatisierte Abläufe ersetzt. |
136 | Informationen einer Akte etwa sollen zentral angefordert, |
137 | individuell bearbeitet und wiederum zentral gespeichert |
138 | werden können. |
139 | |
140 | Die Einhaltung der bestehenden datenschutzrechtlichen |
141 | Regelungen und deren Überwachung durch unabhängige |
142 | Datenschutzbeauftragte bietet bereits eine Grundlage, um das |
143 | Bürgervertrauen in elektronische Verwaltung zu stärken. |
144 | Darüber hinaus gilt es, wichtige Datenschutzgrundsätze, wie |
145 | beispielsweise die Frage der Zweckbindung und der |
146 | Erforderlichkeit, durch die zur Verfügung stehenden Mittel |
147 | von Beratung, Kontrolle, Technik, und Aufsicht täglich |
148 | unmittelbar in die elektronische Verwaltung umzusetzen. Eine |
149 | erfolgreiche Umstellung auf E-Government-Dienstleistung |
150 | geschieht daher sowohl unter Wahrung datenschutzrechtlicher |
151 | Anforderungen als auch durch Effizienzerhöhung der |
152 | Arbeitsabläufe. IT-basierte Verwaltungsdienstleistungen |
153 | werden umso mehr in Anspruch genommen, als Bürgerinnen und |
154 | Bürger in die sichere Verwendung ihrer Daten vertrauen und |
155 | davon überzeugt sind, dass die Grundsätze der |
156 | Datensparsamkeit und Zweckbindung besonders bei |
157 | E-Government-Dienstleistungen „gelebt“ werden. |
158 | |
159 | Eine wichtige Herausforderung der öffentlichen Hand im |
160 | Rahmen modernen E-Governments ist auch der Schutz der Rechte |
161 | der Nutzerinnen und Nutzern sozialer Netzwerke. Die |
162 | Interaktionsmöglichkeiten des Web 2.0, insbesondere durch |
163 | soziale Netzwerke und Portale, ermöglichen auf der einen |
164 | Seite eine schnelle Rückkopplung zu den nutzenden |
165 | Bürgerinnen und Bürgern, um so noch besser auf deren |
166 | Anforderungen und Anliegen einzugehen. Auf der anderen Seite |
167 | gibt es aber auch noch vielfältige Schwierigkeiten bei der |
168 | Durchsetzung nationalen Datenschutzrechts bei international |
169 | agierenden, und im Ausland ansässigen Anbietern. [FN: Vgl. |
170 | hierzu PG Datenschutz Kapitel 2.1.9] |
171 | |
172 | Darüber hinaus besteht das grundsätzliche Risiko, dass die |
173 | Verlagerung von eigentlich öffentlicher Kommunikation in |
174 | soziale Netzwerke zu einer Exklusion und Ausgrenzung von |
175 | Bürgerinnen und Bürgern führt, die eben nicht Mitglied in |
176 | den entsprechenden sozialen Netzwerken sind. Darüber hinaus |
177 | können die Betreiber entsprechender Plattformen auch alle |
178 | zur Verfügung gestellten Informationen und personenbezogenen |
179 | Daten auswerten und nutzen. Dies kann je nach Angebot zu |
180 | erheblichen Akzeptanzproblemen bei den Nutzerinnen und |
181 | Nutzern bzw. zu einem deutlich angepassten Nutzungsverhalten |
182 | führen. E-Government-Strategien müssen daher bei einer |
183 | Nutzung von Social Media-Plattformen auch diese Effekte von |
184 | Beginn an berücksichtigen und in ihre Überlegungen mit |
185 | einbeziehen. |
186 | |
187 | Teilhabe durch offene Standards und Barrierefreiheit in |
188 | E-Government- Dienstleistungen |
189 | Um die Teilnahmemöglichkeit aller Bürgerinnen und Bürger an |
190 | E-Government-Angeboten zu gewährleisten, ist es für den |
191 | Staat eine große Herausforderung, deren äußerst |
192 | unterschiedliche Computer-Ausstattung zu berücksichtigen und |
193 | in allen E-Government-Dienstleistungen mit offenen Standards |
194 | und Barrierefreiheit zu verwirklichen. |
195 | |
196 | |
197 | Transparenz /Mobilität |
198 | |
199 | Ein großer Vorteil von E-Government-Dienstleistungen kann im |
200 | Transparenzpotential und der Komfortabilität für Bürgerinnen |
201 | und Bürger bestehen. IT-Dienstleistungen, die Vertrauen |
202 | schaffen und einen Beitrag zur Transparenz von |
203 | Verwaltungsprozessen leisten, können die Nutzung für |
204 | Bürgerinnen und Bürger komfortabel und attraktiv machen. |
205 | Eine weitere Herausforderung aber auch Chance wird darin |
206 | bestehen, die bisher bereits vorhandenen aber auch die |
207 | zukünftig noch folgenden Dienste und E-Government-Angebote |
208 | auch als mobile Dienste zu konzipieren und anzubieten. Mit |
209 | der Verbreitung mobiler Endgeräte werden schließlich auch |
210 | die Anforderungen an mobile E-Government-Dienste steigen. |
211 | Behörden werden daher mittel- und langfristig sicherstellen |
212 | müssen, dass ihre Angebote auch mobil abrufbar und nutzbar |
213 | sind; zumindest soweit sie hierzu geeignet sind. |
214 | |
215 | |
216 | Schlussbetrachtung |
217 | |
218 | Eine zentrale Herausforderung für E-Government in |
219 | Deutschland besteht darin, eine demokratische Raumordnung |
220 | für die Informationsgesellschaft zu schaffen. Rechtliche, |
221 | technische und soziale Standards müssen hierfür fortlaufend |
222 | gesetzt und angepasst werden, um auch in Zukunft die |
223 | Daseinsvorsorge zu garantieren. Dabei stellt sich für die |
224 | Verwaltung die Frage, ob eine IT-Umsetzung sinnvoll ist und |
225 | wie sie sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den |
226 | Unternehmen einen guten und kosteneffizienten Service |
227 | anbietet, der dem technischen Stand der Zeit entspricht, |
228 | ohne jemanden grundsätzlich von der Nutzung staatlicher |
229 | Angebote auszuschließen. Hierbei sollte idealerweise der |
230 | Staat auch noch der ihm zugeschriebenen Vorbildfunktion bei |
231 | der Gestaltung und Ausprägung der angebotenen |
232 | Dienstleistungen (beispielsweise durch offene Standards) |
233 | gerecht werden. |
234 | |
235 | Werden IT-Projekte in Kooperation mit privaten Unternehmen |
236 | realisiert, so gilt es zu beachten, dass öffentlich private |
237 | Partnerschaften oder aber ein Outsourcing von Leistungen in |
238 | einem Spannungsverhältnis zu den Anforderungen an die |
239 | Selbstverwaltung und die Steuerungsfähigkeit der |
240 | öffentlichen Hand stehen können. |
241 | |
242 | IT-basiertes Regieren und Verwalten birgt somit nicht nur |
243 | ein großes Potenzial für neue, bessere und effizientere |
244 | gemeinwohlorientierte öffentliche Dienste, sondern auch neue |
245 | Möglichkeiten der Teilhabe und Partizipation der Bürgerinnen |
246 | und Bürgern sowie neue Geschäftsmodelle für Unternehmen. |
247 | E-Government kann aber auch, wenn die politischen und |
248 | organisatorischen Rahmenbedingungen nicht stimmen oder aber |
249 | die rechtlichen nicht beachtet werden, das Gegenteil |
250 | bewirken: Soziale Ausgrenzung, Entdemokratisierung, |
251 | rechtswidrige Überwachung, Abbau von Bürger- und |
252 | Beschäftigtenrechten und einen Anstieg an Bürokratie und |
253 | enorme Kosten für den Steuerzahler. |
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