1 | [Dieses Kapitel wird von CDU/CSU und FDP streitig gestellt, |
2 | die jedoch einen Alternativtext vorgelegt haben, siehe: |
3 | www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Sitzungen/201 |
4 | 20625/A-Drs_17_24_053_C_-_PG_Demokratie_und_Staat_Alternativ |
5 | text_CDU_CSU_und_FDP_Kap__3_3.pdf] |
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11 | E-Government – eine Frage der Demokratie |
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13 | Programme, Software, technische Architekturen und Standards |
14 | setzen stets auch rechtliche sowie soziale Normen [FN: Siehe |
15 | dazu: Lawrence Lessig: Code and Other Laws of Cyberspace, |
16 | New York 1999 (Basic Books)]. Offenheit, Transparenz und |
17 | Freiheit im Netz hängen entscheidend von seiner Architektur |
18 | ab. Bei Entscheidungen über öffentliche IT-Infrastrukturen |
19 | werden somit Weichen gestellt, die zentrale Maximen unserer |
20 | Gesellschaft betreffen. Gewaltenteilung, Föderalismus, |
21 | kommunale Selbstverwaltung, kulturelle Teilhabe und |
22 | informationelle Selbstbestimmung – all diese Prinzipien |
23 | müssen sich auch im Netz widerspiegeln, ebenso wie unsere |
24 | Grundrechte wie Meinungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit. |
25 | Die Gestaltung und Umsetzung öffentlicher |
26 | E-Government-Projekte ist eine sehr komplexe Aufgabe, weil |
27 | der Technikeinsatz – sowohl in Bezug auf die Auswahl der |
28 | Technik, ihr Aufbau, ihre Integration in Arbeits- und |
29 | Geschäftsabläufe sowie die Frage, wer sie betreibt und |
30 | kontrolliert – immer auch weitere Auswirkungen zur Folge |
31 | haben kann, beispielsweise sozialer oder politischer Art. |
32 | Hinzu kommt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht |
33 | immer auf die Logik technischer Abläufe ausgerichtet sind. |
34 | Teilweise werden daher gesetzliche Änderungen erforderlich, |
35 | teilweise muss auf technisch Mögliches bewusst aus |
36 | rechtlichen und demokratischen Gründen verzichtet werden. |
37 | |
38 | IT-basiertes Regieren und Verwalten (E-Government) birgt |
39 | nicht nur großes Potenzial für neue, bessere und |
40 | effizientere gemeinwohlorientierte öffentliche Dienste sowie |
41 | neue Formen guter Arbeit, sondern auch neue Möglichkeiten |
42 | der Teilhabe und Partizipation der Bürger/innen sowie neue |
43 | Geschäftsmodelle für Unternehmen. E-Government kann aber |
44 | auch, wenn die politischen und organisatorischen |
45 | Rahmenbedingungen nicht stimmen, das Gegenteil bewirken: |
46 | Soziale Ausgrenzung, Entdemokratisierung, verstärkte |
47 | Überwachung, Abbau von Beschäftigtenrechten, einen Anstieg |
48 | an Bürokratie und enorme Kosten für den Steuerzahler. |
49 | Generell vollzieht sich derzeit eine rasante Modernisierung |
50 | der öffentlichen Einrichtungen mit weitreichenden Folgen für |
51 | Bürger/innen und Beschäftigte. Auf EU-, Bundes- und |
52 | Landesebene wurden neue rechtliche Grundlagen und |
53 | Rahmenbedingungen geschaffen, Geschäftsprozesse und |
54 | Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu |
55 | standardisieren, über elektronische Medien zu erbringen und |
56 | zugänglich zu machen. Dabei hat die Zusammenarbeit von Bund |
57 | und Ländern in der Informationstechnik der öffentlichen |
58 | Verwaltungen Verfassungsrang erhalten über Artikel 91c |
59 | Grundgesetz (vgl. 3.2.1.). Darauf basiert das rechtliche |
60 | Fundament für den IT-Planungsrat von Bund und Ländern unter |
61 | ausschließlich beratender Beteiligung von Kommunen und |
62 | Datenschützern. Die Sozialpartner sind bisher in die Arbeit |
63 | des IT-Planungsrates nicht systematisch eingebunden. |
64 | |
65 | Eine zentrale Herausforderung für den Staat besteht darin, |
66 | eine demokratische Raumordnung für die |
67 | Informationsgesellschaft zu schaffen. Er muss dafür |
68 | rechtliche, technische und soziale Standards setzen und die |
69 | Daseinsvorsorge garantieren. Dabei stellt sich für den Staat |
70 | die Frage, wie er sowohl den Bürger/innen als auch den |
71 | Unternehmen guten und kosteneffizienten Service anbietet, |
72 | der dem technischen Stand der Zeit entspricht, ohne jemanden |
73 | von der Nutzung der staatlichen Angebote auszuschließen und |
74 | wie er seiner Vorbildfunktion bei der Gestaltung der |
75 | Architektur des Netzes mit offenen Standards und bei der |
76 | Wahrung der Rechte von Bürger/innen und Arbeitnehmer/innen |
77 | nachkommt. |
78 | |
79 | Erfahrungen nutzen: Gestaltungskriterien für |
80 | E-Government-Projekte |
81 | |
82 | Etliche neue Verfahren innerhalb öffentlicher Verwaltungen |
83 | sowie viele Online-Dienste für Bürger/innen und Firmen sind |
84 | sehr erfolgreich. Gerade Behörden, die etwa in den Kommunen |
85 | im engen Kontakt mit Bürger/innen stehen, entwickeln oft |
86 | gute Ideen in Sachen E-Government. So werden beispielsweise |
87 | schon in vielen Städten umfangreiche Online-Portale |
88 | angeboten mit selbst entwickelten Leistungen für |
89 | verschiedenste Lebenslagen. Diese reichen vom |
90 | Kindergarten-Navigator bis zum Online-Wunschkennzeichen. |
91 | Diese Ansätze können mit Möglichkeiten für die Nutzer/innen |
92 | verknüpft werden, eigene Vorschläge für Applikationen und |
93 | Webdienste gemäß des "Crowdsourcing-Prinzips" mit |
94 | einzubringen. |
95 | |
96 | Elektronischer Entgeltnachweis |
97 | |
98 | Nicht alle staatlichen E-Government-Projekte sind indes |
99 | gleichermaßen erfolgreich. Jüngstes Beispiel für die |
100 | mangelnde öffentliche wie auch verwaltungsinterne Akzeptanz |
101 | eines IT-Großprojektes ist der Elektronische |
102 | Entgeltnachweis, ELENA. Die Einführung dieses Verfahrens |
103 | wurde mit dem Ziel, Bürokratie zu mindern und Effizienz zu |
104 | steigern, vom Bundesministerium für Wirtschaft und |
105 | Technologie unter anderem im Zusammenhang mit der Förderung |
106 | von elektronischen Signaturverfahren auf den Weg gebracht. |
107 | Der Aufbau des elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens |
108 | einschließlich einer Zentralen Speicherstelle benötigte |
109 | mehrere hundert Millionen Euro. Es entstand eine zentrale |
110 | Datensammlung mit rund 700 Millionen Einträgen, bei der der |
111 | Bürger jedoch sein Recht auf Selbstauskunft nicht |
112 | verwirklichen konnte. Im Jahr 2010 reichten mehr als 20.000 |
113 | Bürger/innen eine Sammelklage gegen das ELENA-Verfahren ein, |
114 | insbesondere unter dem Aspekt der Vorratsdatenspeicherung |
115 | [FN: Siehe: |
116 | https://www.foebud.org/datenschutz-buergerrechte/arbeitnehme |
117 | rdatenschutz/elena/verfassungsbeschwerde-elena-verfahrensges |
118 | etz.pdf/view]. Vor allem kleinere Unternehmen kritisierten |
119 | finanzielle Belastungen durch das ELENA-Verfahren; die |
120 | Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wies im |
121 | Oktober 2010 darauf hin [FN: Schreiben vom 15.10.2010 der |
122 | Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (des |
123 | Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des |
124 | Deutschen Städte- und Gemeindebundes) siehe: |
125 | http://governet.de/alotta/user/governet.de/img/000/004/4216. |
126 | pdf], dass der erhoffte Bürokratieabbau mittelfristig nicht |
127 | eintreten und die finanzielle Belastung der öffentlichen |
128 | Haushalte durch das neue Verfahren enorm steigen würde. Im |
129 | Herbst 2011 wurde die gesetzliche Regelung zur Aufhebung von |
130 | Vorschriften zum Verfahren des elektronischen |
131 | Entgeltnachweises verabschiedet und das Projekt eingestellt. |
132 | Im Zusammenhang mit der Einstellung des ELENA-Verfahrens |
133 | beschloss das Bundeskabinett ein Folgeprojekt des |
134 | Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Optimiertes |
135 | Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ (OMS) [FN: Siehe: |
136 | https://www.projekt-oms.de/%28S%28im15z1z2k0afgqbp14sydieu%2 |
137 | 9%29/default.aspx]. Regierung und Verwaltung stehen nun vor |
138 | der Herausforderung, Kriterien zu definieren, die, unter |
139 | Berücksichtigung des Datenschutzes, ein kostentechnisch |
140 | vertretbares bürgerfreundliches Verfahren sichern. |
141 | |
142 | Nationale und internationale E-Government-Projekte in der |
143 | Praxis |
144 | |
145 | Auch die Einführung EU-weit vernetzten Verwaltungshandelns |
146 | im Rahmen des „Einheitlichen Ansprechpartners“ der |
147 | EU-Dienstleistungsrichtlinie [FN: ver.di Schriftenreihe |
148 | “Innovation + Neue Medien + Beteiligung: Öffentliche Dienste |
149 | im Wandel”, Band 5: “Öffentlicher Dienst und die bundesweite |
150 | Umsetzung der EU-Dienstleistungrichtlinie”, Dezember 2008; |
151 | siehe: http://www.governet.de/6/viewentry/2659] hat sich als |
152 | schwierig erwiesen. Statt der versprochenen Reduzierung der |
153 | Bürokratie durch IT brachte das Vorhaben bislang vor allem |
154 | deren Ausbau mit sich. Kritik hat auch die VerBIS-Software |
155 | für das "Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem" |
156 | der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Job-Center auf |
157 | sich gezogen. In Verbindung mit der für jeden über das |
158 | Internet zugänglichen Jobbörse konnten zeitweise nicht nur |
159 | die Jobvermittler auf sensible persönliche Daten der |
160 | Arbeitssuchenden zugreifen, sondern auch Dritte. |
161 | Häufig werden IT-Projekte in Kooperation mit privaten |
162 | Unternehmen realisiert. Öffentlich-private Partnerschaften |
163 | und Outsourcing können jedoch in einem Spannungsverhältnis |
164 | zu den Anforderungen an die Selbstverwaltung und |
165 | Steuerungsfähigkeit der öffentlichen Hand stehen. |
166 | Geschäftsverträge solcher "Public Private Partnerships" |
167 | (PPP) sind oft nicht öffentlich zugänglich. Die Transparenz |
168 | öffentlichen Handelns zu stärken, ist jedoch eine der großen |
169 | Chancen des E-Government. |
170 | |
171 | Lehrreiche Erfahrungen ergaben sich auch im Rahmen eines |
172 | E-Government-Projekts in Franken, das unter dem Motto |
173 | "Würzburg integriert" lief. Dabei sollte ein Unternehmen die |
174 | Verfahrensabläufe der Stadt am Main elektronisch auf einer |
175 | zentralen Plattform zusammenführen. So sollte eine |
176 | schnellere Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen und mehr |
177 | Bürgernähe bei gleichzeitiger Kosteneinsparung ermöglicht |
178 | werden. Die Zusammenarbeit wurde jedoch mittlerweile mangels |
179 | konkreter Einsparmöglichkeiten und wegen |
180 | datenschutzrechtlicher Bedenken beendet. Die Stadtverwaltung |
181 | will E-Government nun in Eigenregie durchführen. Die genauen |
182 | Kosten des gescheiterten Projekts sind nicht bekannt. [FN: |
183 | Unter dem Titel `„Würzburg integriert!“ ein gewaltiger |
184 | Flopp´ hat der Bund der Steuerzahler das im Jahr 2011 |
185 | gescheiterte Würzburger E-Government-Projekt in sein |
186 | Schwarzbuch aufgenommen. Der Artikel endet mit folgenden |
187 | Worten: „Wie viel Steuergelder für das mit viel |
188 | Vorschusslorbeeren versehene Projekt schließlich ausgegeben |
189 | wurden, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Auf entsprechende |
190 | Anfragen des Bundes der Steuerzahler hüllt sich die Stadt |
191 | Würzburg in Schweigen. Aus welchen Gründen wurde das |
192 | Pilotprojekt gleichsam zur Geheimsache erklärt? Wurde es |
193 | etwa zu einer elektronischen Odysee zu Lasten der Würzburger |
194 | Steuerzahler?“. Siehe: |
195 | http://schwarzbuch.steuerzahler.de/Schwarzbuch/4213b1605/ind |
196 | ex.html?katalogkey={%22search_katitemauswid%22%3A{%226%22%3A |
197 | [327]}}] |
198 | |
199 | Adäquate Wirtschaftlichkeitsberechnung |
200 | |
201 | Insgesamt stellt sich die Herausforderung, öffentlichen |
202 | IT-Projekten grundsätzlich eine sachgerechtere |
203 | Wirtschaftlichkeitsberechnung und Technikfolgenabschätzung |
204 | vorausgehen zu lassen. Eine Herausforderung bei dieser |
205 | Analyse ist die Schwierigkeit, die Kosten des IT-Einsatzes |
206 | vor Inbetriebnahme der neuen IT-basierten Infrastruktur |
207 | abzuschätzen. Es ist geradezu charakteristisch für die |
208 | Entwicklung von IT-Produkten, dass bei Vertragsschluss nicht |
209 | wirklich klar ist, welche Kosten durch die verschiedenen in |
210 | Auftrag gegebenen Funktionen entstehen werden [FN: Siehe |
211 | hierzu beispielhaft die Planungsbudgetorganisation der |
212 | E-Government-Projekte des Landes Hessen, Projekthandbuch |
213 | (Strukturen und Organisation sowie Planung, Durchführung und |
214 | Steuerung): |
215 | http://www.egovernment.hessen.de/irj/eGovernment_Internet?ci |
216 | d=faeaa2b331a7513f44d3f191bdad8ae8]. So scheitern nach einer |
217 | regelmäßig durchgeführten Studie [FN: Standish Group (2009) |
218 | Chaos 2009 Summary and EPPM Study, Standish Group, West |
219 | Yarmouth MA.] 24% aller IT-Projekte vollständig, 44% aller |
220 | IT-Projekte verzögern sich oder können nicht im |
221 | vorhergesehenen Budgetrahmen beendet werden. |
222 | |
223 | Vor diesem Hintergrund stehen die Auftraggeber der |
224 | eGovernment-Dienstleistungen, in der Regel die öffentliche |
225 | Hand, vor der Herausforderung, umfassende Kostenanalysen |
226 | durchzuführen. Beispielhaft können in der Vergangenheit die |
227 | Entwicklung von IT-Dienstleistungen aufgeführt werden, bei |
228 | denen die zu Beginn veranschlagten Kosten durch die |
229 | endgültig entstandenen Kosten ein Vielfaches überstiegen. |
230 | [FN: Beispiele: Virtueller Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur, |
231 | http://pressoffice.talkabout.de/uploads/media/arbeitsagentur |
232 | _02.pdf, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Mertens, Universität |
233 | Erlangen-Nürnberg, Wirtschaftsinformatik |
234 | http://www.wi1-mertens.wiso.uni-erlangen.de/veroeffentlichun |
235 | gen/download/SWP_Arbeitsbericht.pdf, Autobahn-Maut Toll |
236 | Collect, |
237 | http://www.heise.de/newsticker/meldung/LKW-Maut-Wikileaks-ve |
238 | roeffentlicht-geheime-Maut-Unterlagen-868208.html, |
239 | http://mirror.wikileaks.info/wiki/Toll_Collect_Vertraege,_20 |
240 | 02] Große IT-Projekte gestalten sich für öffentliche |
241 | Haushalte daher häufig als riskante Projekte. [FN: |
242 | http://www.heise.de/newsticker/meldung/Hessens-CIO-Deutschla |
243 | nd-Online-ist-ein-einziger-Reinfall-170939.html] |
244 | Versprochene Kostensenkungen treten nicht zwangsläufig ein. |
245 | [FN: Memo Universität Bremen, Werner Rügemer, Mythos der |
246 | ökonomischen Effizienz, |
247 | http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m7704.pdf] |
248 | Somit sind wesentliche Herausforderungen für laufende und |
249 | zukünftige E-Government-Projekte, dass sie solide und |
250 | umfassend geplant und praxistauglich sind, um ein späteres |
251 | Scheitern auszuschließen. Dabei hat sich gezeigt, dass eine |
252 | frühzeitige Definition des zu erwartenden Nutzens und eine |
253 | realistische Kostenkalkulation sowie eine frühzeitige |
254 | Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die |
255 | Gewährleistung der Unterstützung des Projektes durch die |
256 | Führungskräfte eine besondere Rolle spielen. |
257 | |
258 | Eine weitere große Herausforderung ist die |
259 | datenschutzkonforme Gestaltung von E-Government-Prozessen, |
260 | die ebenfalls Eingang in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen |
261 | finden sollte. Zudem stellt sich die Frage, wie öffentliche |
262 | Führungskräfte für Fragen des Schutzes der Daten, sowohl von |
263 | Bürgern als auch Beschäftigten, sensibilisiert werden |
264 | können, so dass sie diese Fragestellungen bereits in der |
265 | Phase der ersten Konzeptionierung von E-Government-Abläufen |
266 | und bei der Zusammenstellung von Entwicklungsteams |
267 | berücksichtigen werden und wie sie aus der Praxis |
268 | vorangegangener E-Government-Projekte lernen können. |
269 | Ein Problem besteht, wenn die öffentliche Hand nicht in |
270 | ausreichendem Maß über qualifiziertes IT-Personal im eigenen |
271 | Hause verfügt. In diesem Fall wäre sie nicht in der Lage, |
272 | klar beurteilen zu können, was sie einkauft, könnte keine |
273 | gemeinwohlorientierten Ausschreibungen im IT-Bereich |
274 | formulieren, könnte die Kosten nicht realistisch einschätzen |
275 | und wäre nicht ausreichend unabhängig von der Expertise der |
276 | Vertreter der IT-Branche, die öffentliche Aufträge im |
277 | IT-Bereich akquirieren wollen. |
278 | |
279 | Akzeptanzfaktoren bei E-Government-Projekten |
280 | |
281 | Schließlich hängt die Akzeptanz entsprechender Projekte auch |
282 | davon ab, dass die Kosten nicht gesteigert und die Qualität, |
283 | Effizienz und die Bürgernähe der Verwaltung verbessert und |
284 | bestehende Rechte der Bürger und Beschäftigten nicht |
285 | abgebaut werden. Der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger |
286 | sowie des beteiligten Personals bildet den Kern der |
287 | E-Governmentprojekte. Ist dieser nicht evident, können |
288 | Akzeptanzprobleme entstehen, die wiederum schnell zu |
289 | Reibungsverlusten führen können, die die Sinnhaftigkeit der |
290 | E-Governmentmaßnahmen in Frage stellen. |
291 | Ein Akzeptanzproblem und Vertrauensverlust in |
292 | E-Government-Verfahren kann auch durch parallel laufende |
293 | staatliche Verfahren entstehen, wie dem verfassungsrechtlich |
294 | nicht gedeckten Einsatz von Staatstrojanern [FN: Die im |
295 | Herbst 2011 vom Chaos Computer Club, CCC , analysierte |
296 | Software (Siehe: |
297 | http://ccc.de/de/updates/2011/staatstrojaner) mit der |
298 | Routine "0zapftis" war eigentlich zum Abhören |
299 | verschlüsselter Internet-Telefonate im Rahmen der |
300 | Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) gedacht. |
301 | Sie enthielt aber weit darüber hinausgehende |
302 | Funktionalitäten zum Ausforschen privater Rechner, die das |
303 | Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verurteilt hatte.] |
304 | durch die Sicherheitsbehörden im Jahre 2011. Dies wurde |
305 | deutlich, beim kurz danach erfolgten Aufruf [FN: Aufruf des |
306 | BSI vom 11.01.2012 siehe: |
307 | https://www.bsi.bund.de/ContentBSI/Presse/Pressemitteilungen |
308 | /Presse2012/Hilfe-gegen-Schadsoftware_DNS-Changer_10012012.h |
309 | tml] des Bundesamtes für Sicherheit in der |
310 | Informationstechnik, BSI, zum Durchführen eines |
311 | Online-Selbsttests [FN: Siehe: http://www.dns-ok.de], um die |
312 | Befallenheit des eigenen PCs mit der Schadsoftware |
313 | DNS-Changer zu überprüfen. Viele Bürgerinnen und Bürger |
314 | fürchteten in diesem Zusammenhang, sich über die öffentliche |
315 | Kontrollseite einen Staatstrojaner einzufangen. [FN: Siehe |
316 | Focus Online: |
317 | http://www.focus.de/digital/internet/angst-vor-dem-staatstro |
318 | janer-internetnutzer-trauen-dns-ok-de-nicht_aid_701936.html] |
319 | Dieser Vertrauensverlust stellt eine ernstzunehmende |
320 | Herausforderung für öffentliche E-Government-Projekte dar. |
321 | |
322 | [Fortführung unter 03.02.05 Teil 2] |
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03.02.05 Regieren und Verwalten in der digital vernetzten Welt: Chancen und Herausforderungen von E-Government Teil 1 (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt -
03.02.05 Regieren und Verwalten in der digital vernetzten Welt: Chancen und Herausforderungen von E-Government Teil 1 (Originalversion)
von EnqueteSekretariat, angelegt1 In den letzten Jahren haben Bund, Länder und Kommunen eine 2 Vielzahl von Onlinediensten und Internetportalen als 3 wichtige Anlaufstellen aufgebaut. Die Angebote zeichnen 4 sich durch eine sehr hohe inhaltliche Varianz aufgrund des 5 breiten Spektrums öffentlicher Aufgaben und den rechtlichen 6 Vorgaben durch das Grundgesetz (Gewaltenteilung, 7 Ressortprinzip, Föderalismus, kommunale Selbstverwaltung 8 und die Grundrechte [FN: beispielsweise das Recht auf 9 informationelle Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit, Presse- 10 und Koalitionsfreiheit.]) aus. Sie sind damit auch Ausdruck 11 der vorgegebenen Differenzierung der Verwaltung und 12 spiegeln zum Teil unterschiedliche Digitalisierungskonzepte 13 und -grade wider. 14 15 Die Ziele und Erwartungen von E-Government in Deutschland 16 werden unterschiedlich gesehen. Während häufig 17 Effizienzgewinne, Verbesserung des Bürgerservice und der 18 Partizipationsmöglichkeiten, Erhöhung der Transparenz 19 politisch-administrativen Handelns, Verbesserung der 20 Arbeitsbedingungen, Befreiung von überflüssiger Bürokratie; 21 Erleichterung von sinnvollen notwendigen Prozessen; 22 Sicherung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, 23 Baustein einer neuen Bürgergesellschaft, Ermöglichung von 24 Barrierefreiheit angeführt werden, gibt es auch viele 25 mahnende Stimmen, die vor überzogenen Erwartungen warnen. 26 Sie können sich auch auf mehrere fehlgeschlagene Projekte 27 der jüngeren Vergangenheit auf Bundesebene, wie 28 beispielsweise das sog. ELENA-Verfahren (elektronischer 29 Entgeltnachweis), oder aber auch auf Landes- oder 30 kommunaler Ebene, wie beispielsweise das Projekt „Würzburg 31 integriert“ berufen. 32 33 Dies zeigt, dass die Gestaltung und Umsetzung öffentlicher 34 E-Government-Projekte eine sehr komplexe Aufgabe ist, weil 35 der Technikeinsatz – sowohl in Bezug auf die Auswahl der 36 Technik, ihr Aufbau, ihre Integration in Arbeits- und 37 Geschäftsabläufe sowie die Frage, wer sie betreibt und 38 kontrolliert – immer auch weitere Auswirkungen 39 beispielsweise sozialer oder politischer Art zur Folge 40 haben kann. Hinzu kommt, dass die rechtlichen 41 Rahmenbedingungen nicht immer auf die Logik technischer 42 Abläufe ausgerichtet sind. Teilweise werden daher 43 gesetzliche Änderungen erforderlich, teilweise muss auf 44 technisch Mögliches bewusst aus rechtlichen und 45 demokratischen Gründen verzichtet werden. 46 47 Programme, Software, technische Architekturen und Standards 48 setzen stets auch rechtliche sowie soziale Normen [FN: Vgl. 49 Lawrence Lessig: Code and Other Laws of Cyberspace, New 50 York 1999 (Basic Books)]. Offenheit, Transparenz und 51 Freiheit im Netz hängen auch entscheidend von seiner 52 Architektur ab. Bei Entscheidungen über öffentliche 53 IT-Infrastrukturen werden somit Weichen gestellt, die die 54 Grundsätze unserer Gesellschaft betreffen. 55 56 Generell vollzieht sich derzeit eine rasante Modernisierung 57 der öffentlichen Einrichtungen mit weit reichenden Folgen 58 für Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte. Auf EU-, 59 Bundes- und Landesebene wurden neue rechtliche Grundlagen 60 und Rahmenbedingungen geschaffen, Geschäftsprozesse und 61 Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu 62 standardisieren, über elektronische Medien zu erbringen und 63 zugänglich zu machen. Dabei hat die Zusammenarbeit von Bund 64 und Ländern in der Informationstechnik der öffentlichen 65 Verwaltungen über Artikel 91c Grundgesetz Verfassungsrang 66 erhalten (vgl. 3.2.1.). Darauf basiert das rechtliche 67 Fundament für den IT-Planungsrat von Bund und Ländern unter 68 beratender Beteiligung von Kommunen und 69 Datenschutzaufsichtsbehörden. 70 71 72 Erfahrungen nutzen: Gestaltungskriterien für 73 E-Government-Projekte 74 75 Etliche neue Verfahren innerhalb öffentlicher Verwaltungen 76 sowie viele Online-Dienste für Bürgerinnen und Bürger sowie 77 Firmen sind sehr erfolgreich. Gerade Behörden, die etwa in 78 den Kommunen, im engen Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern 79 stehen, entwickeln oft gute Ansätze im Bereich des 80 E-Governments. So werden beispielsweise in vielen Städten 81 umfangreiche Online-Portale mit selbst entwickelten 82 Leistungen für verschiedenste Lebenslagen angeboten. Diese 83 reichen vom Kindergarten-Navigator bis zum 84 Online-Wunschkennzeichen. Diese Ansätze können mit 85 Möglichkeiten für die Nutzerinnen und Nutzer verknüpft 86 werden, eigene Vorschläge für Applikationen und Webdienste 87 gemäß des "Crowdsourcing-Prinzips" einzubringen. 88 89 In vielen Fachverwaltungen, insbesondere dort, wo 90 gleichförmige Massenverfahren bearbeitet werden, besteht 91 bereits jetzt ein sehr hoher Digitalisierungsgrad (z. B. 92 Sozialverwaltung, Haushalts- und Kassenwesen, 93 Personalverwaltung, Statistik, etc.). Auch funktioniert 94 eine bereichsübergreifende Vernetzung über bestehende 95 Organisationsgrenzen hinaus, beispielsweise beim 96 Statistik-Netz oder beim Steuerverbund. 97 98 Der neue Personalausweis soll die Möglichkeiten einer 99 sicheren elektronischen Kommunikation mit der Verwaltung 100 verbessern. Behörden können nun Formulare im Internet 101 anbieten, die der Bürger oder die Bürgerin ausfüllt und 102 über die Online-Ausweisfunktion und mittels einer auf dem 103 neuen Personalausweis speicherbaren elektronischen Signatur 104 rechtsgültig unterschreiben kann. Mit der Nutzung des neuen 105 Personalausweises entfallen für die Bürgerinnen und Bürger 106 das Ausdrucken, handschriftliche Unterschreiben, der 107 Postweg und die Abhängigkeit von Öffnungszeiten der 108 zuständigen Behörden. Ziel des neuen Personalausweises ist 109 es, die elektronischen Abläufe in der Verwaltung weiter zu 110 vereinfachen. Mit dem Erwerb des neuen Personalausweises 111 sind für die Bürgerinnen und Bürger allerdings auch höhere 112 Kosten verbunden, da die Personalausweisgebührenverordnung 113 entsprechend der gestiegenen Herstellungskosten und des 114 Aufwandes der ausgebenden Stellen angepasst wurde. Zudem 115 ist zu berücksichtigen, dass bisher erst 11 Millionen 116 Menschen seit der Einführung im November 2010 einen neuen 117 Personalausweis erhalten haben [FN: Klein, Manfred (2012): 118 Mehr Schwung für eGovernment, eGovernment Computing, 119 29.03.2012.http://www.egovernment-computing.de/projekte/arti 120 cles/358153/], wovon ca. 30% die Online-Ausweisfunktion 121 (eID-Funktion) freigeschaltet haben. Zudem ist die Anzahl 122 der Angebote, bei der die Funktion eingesetzt werden kann, 123 bisher noch begrenzt. 124 125 Auch DE-Mail verfolgt das Ziel einer rechtssicheren 126 elektronischen Kommunikation zwischen Bürgerinnen und 127 Bürgern und der Verwaltung. Internetdienstleister bieten in 128 einer abgesicherten, verschlüsselten Zone die Möglichkeit, 129 mit Behörden E-Mails auszutauschen. Verwaltungsbescheide 130 können somit an die Bürgerinnen und Bürger mit 131 DE-Mail-Konten rechtsverbindlich zugestellt werden. Eine 132 Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist zwar gesetzlich nicht 133 verpflichtend kann aber innerhalb des Angebotes eines 134 Anbieters für DE-Mail zur Verfügung gestellt werden 135 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die 136 einzelnen Verwaltungen (bzw. ihre zuständigen Mitarbeiter 137 und Mitarbeiterinnen) sowie die Bürgerinnen und Bürger in 138 diesen Systemen registrieren, ein DE-Mail Postfach 139 einrichten und den Zugang eröffnen. Entscheidend für den 140 Erfolg von DE-Mail im Bereich des E-Government wird auch 141 sein, ob es gelingt, die neuen Kommunikationswege ohne 142 Medienbrüche in die Abläufe innerhalb der Verwaltungen zu 143 integrieren. 144 145 146 Elektronischer Entgeltnachweis - ELENA 147 148 Nicht alle staatlichen E-Government-Projekte sind indes 149 gleichermaßen erfolgreich. Ein Beispiel für die mangelnde 150 öffentliche wie auch verwaltungsinterne Akzeptanz eines 151 staatlichen IT-Projekts ist der Elektronische 152 Entgeltnachweis, ELENA. Die Einführung dieses Verfahrens 153 wurde mit dem Ziel, Bürokratie zu mindern und Effizienz zu 154 steigern, von der damaligen Bundesregierung unter anderem 155 im Zusammenhang mit der Förderung von elektronischen 156 Signaturverfahren auf den Weg gebracht. Die jetzige 157 Bundesregierung führt in diesem Zusammenhang an, dass das 158 Verfahren unter anderem an der Nichtverbreitung der 159 qualifizierten elektronischen Signatur gescheitert sei. 160 [FN: Vgl. Deutscher Bundestag (2012): Antwort der 161 Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan 162 Korte, Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiterer 163 Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/9805 164 – ELENA-Nachfolgeprojekte Bea und OMS 165 Bundestags-Drucksache. 17/9897 166 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/098/1709897.pdf] 167 168 Der Aufbau des elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens 169 einschließlich einer zentralen Speicherstelle benötigte 170 mehrere hundert Millionen Euro. Es entstand eine zentrale 171 Datensammlung mit rund 700 Millionen Einträgen, bei der die 172 Bürgerinnen und Bürger jedoch ihr Recht auf Selbstauskunft 173 während des Speicherzeitraumes aus technischen Gründen 174 nicht wahrnehmen konnten. 175 176 Zudem wurden in der politischen Diskussion und in einer im 177 Jahr 2010 erhobenen und von 22.005 Bürgerinnen und Bürgern 178 unterschriebenen Verfassungsbeschwerde erhebliche 179 datenschutzrechtliche Bedenken gegen das beabsichtigte 180 Verfahren geltend gemacht. Schließlich kritisierten vor 181 allem kleinere Unternehmen die bereits entstandenen und 182 ggf. noch weiter entstehenden finanziellen Belastungen 183 durch das ELENA-Verfahren und den damit verbundenen 184 erhöhten bürokratischen Aufwand. Auch die Bundesvereinigung 185 der kommunalen Spitzenverbände wies im Oktober 2010 darauf 186 hin, dass der erhoffte Bürokratieabbau mittelfristig nicht 187 eintreten und die finanzielle Belastung der öffentlichen 188 Haushalte durch das neue Verfahren enorm steigen würde [FN: 189 Vgl. Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände 190 (2010): Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und 191 Technologie, Rainer Brüderle, vom 15.Oktober 2010. 192 http://www.bay-bezirke.de/downloads/9356c67d45d97c8650ec02bd 193 b90de3d3_RS%2069%20Anlage.pdf]. Im Herbst 2011 wurde die 194 gesetzliche Regelung zur Aufhebung von Vorschriften zum 195 Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises 196 verabschiedet und das Projekt eingestellt. Im Zusammenhang 197 mit der Einstellung des ELENA-Verfahrens beschloss das 198 Bundeskabinett ein Folgeprojekt des Bundesministeriums für 199 Arbeit und Soziales „Optimiertes Meldeverfahren in der 200 sozialen Sicherung“ (OMS)4. Regierung und Verwaltung stehen 201 nun vor der Herausforderung, Kriterien zu definieren, die, 202 unter Berücksichtigung des Datenschutzes, ein 203 kostentechnisch vertretbares bürgerfreundliches Verfahren 204 sichern. 205 206 Weitere praktische Erfahrungen mit E-Government-Projekten 207 Die mit der durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie 208 verbundene Einführung eines „einheitlichen 209 Ansprechpartners“ hat in Deutschland bisher nicht zu einer 210 spürbaren Reduzierung der Bürokratie für betroffene 211 Unternehmen geführt. Aufgrund der unterschiedlichen 212 Umsetzung der Richtlinie in den Ländern variiert auch die 213 jeweils zur Verfügung gestellte Technik. 214 215 Als Konzept gewann der virtuelle Arbeitsmarkt zwar im Jahre 216 2002 noch den E-Government-Preis der Cebit und wurde damit 217 zum IT-Prestige-Projekt der Bundesagentur für Arbeit. Mit 218 der Umsetzung sank allerdings die Reputation des Projektes, 219 da die geplanten Kosten von 65,5 Mio. Euro um einen 220 dreistelligen Millionenbetrag überschritten wurden. 221 222 Hinzu kam, dass auch die Entwicklung des neuen Programms 223 von Turbulenzen begleitet war. So sollte VerBIS 224 (Vermittlungs-, Beratungs- und Integrationssoftware) 225 ursprünglich nur für den Rechtskreis des SGB III ausgelegt 226 werden. Dann wurde jedoch entschieden, dass auch die 227 Vermittlungsfachkräfte der ARGEn damit arbeiten sollen. Da 228 sich die Struktur des Programms jedoch nahezu in jeder 229 Hinsicht deutlich von den bisher verwendeten Programmen 230 unterscheidet, kam es zu entsprechenden Schwierigkeiten bei 231 der täglichen Anwendung durch die Fachkräfte. 232 233 Zudem konnten in Verbindung mit der für jeden über das 234 Internet zugänglichen Jobbörse zeitweise nicht nur die 235 Jobvermittler auf persönliche Daten der Arbeitssuchenden 236 zugreifen, sondern auch Dritte. 237 238 Negative Erfahrungen wurden auch im Rahmen eines 239 E-Government-Projekts in Franken, das unter dem Motto 240 "Würzburg integriert" lief, gemacht. Dabei sollte ein 241 Unternehmen die Verfahrensabläufe der Stadt am Main 242 elektronisch auf einer zentralen Plattform zusammenführen. 243 So sollte eine schnellere Bearbeitung von 244 Verwaltungsvorgängen und mehr Bürgernähe bei gleichzeitiger 245 Kosteneinsparung ermöglicht werden. Die Zusammenarbeit 246 wurde jedoch mittlerweile mangels konkreter 247 Einsparmöglichkeiten und wegen datenschutzrechtlicher 248 Bedenken beendet. Die Stadtverwaltung will E-Government nun 249 in Eigenregie durchführen. Die genauen Kosten des 250 gescheiterten Projekts sind nicht immer auf die Logik251 technischer Abläufe ausgerichtet sind. Teilweise werden252 daher gesetzliche Änderungen erforderlich, teilweise muss253 auf technisch Mögliches bewusst aus rechtlichen und254 demokratischen Gründen verzichtet werden.255 256 IT-basiertes Regieren und Verwalten (E-Government) birgt257 nicht nur großes Potenzial für neue, bessere und258 effizientere gemeinwohlorientierte öffentliche Dienste259 sowie neue Formen guter Arbeit, sondern auch neue260 Möglichkeiten der Teilhabe und Partizipation der261 Bürger/innen sowie neue Geschäftsmodelle für Unternehmen.262 E-Government kann aber auch, wenn die politischen und263 organisatorischen Rahmenbedingungen nicht stimmen, das264 Gegenteil bewirken: Soziale Ausgrenzung,265 Entdemokratisierung, verstärkte Überwachung, Abbau von266 Beschäftigtenrechten, einen Anstieg an Bürokratie und267 enorme Kosten für den Steuerzahler.268 Generell vollzieht sich derzeit eine rasante Modernisierung269 der öffentlichen Einrichtungen mit weitreichenden Folgen270 für Bürger/innen und Beschäftigte. Auf EU-, Bundes- und271 Landesebene wurden neue rechtliche Grundlagen und272 Rahmenbedingungen geschaffen, Geschäftsprozesse und273 Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu274 standardisieren, über elektronische Medien zu erbringen und275 zugänglich zu machen. Dabei hat die Zusammenarbeit von Bund276 und Ländern in der Informationstechnik der öffentlichen277 Verwaltungen Verfassungsrang erhalten über Artikel 91c278 Grundgesetz (vgl. 3.2.1.). Darauf basiert das rechtliche279 Fundament für den IT-Planungsrat von Bund und Ländern unter280 ausschließlich beratender Beteiligung von Kommunen und281 Datenschützern. Die Sozialpartner sind bisher in die Arbeit282 des IT-Planungsrates nicht systematisch eingebunden.283 284 Eine zentrale Herausforderung für den Staat besteht darin,285 eine demokratische Raumordnung für die286 Informationsgesellschaft zu schaffen. Er muss dafür287 rechtliche, technische und soziale Standards setzen und die288 Daseinsvorsorge garantieren. Dabei stellt sich für den289 Staat die Frage, wie er sowohl den Bürger/innen als auch290 den Unternehmen guten und kosteneffizienten Service291 anbietet, der dem technischen Stand der Zeit entspricht,292 ohne jemanden von der Nutzung der staatlichen Angebote293 auszuschließen und wie er seiner Vorbildfunktion bei der294 Gestaltung der Architektur des Netzes mit offenen Standards295 und bei der Wahrung der Rechte von Bürger/innen und296 Arbeitnehmer/innen nachkommt.297 298 Erfahrungen nutzen: Gestaltungskriterien für299 E-Government-Projekte300 301 Etliche neue Verfahren innerhalb öffentlicher Verwaltungen302 sowie viele Online-Dienste für Bürger/innen und Firmen sind303 sehr erfolgreich. Gerade Behörden, die etwa in den Kommunen304 im engen Kontakt mit Bürger/innen stehen, entwickeln oft305 gute Ideen in Sachen E-Government. So werden beispielsweise306 schon in vielen Städten umfangreiche Online-Portale307 angeboten mit selbst entwickelten Leistungen für308 verschiedenste Lebenslagen. Diese reichen vom309 Kindergarten-Navigator bis zum Online-Wunschkennzeichen.310 Diese Ansätze können mit Möglichkeiten für die Nutzer/innen311 verknüpft werden, eigene Vorschläge für Applikationen und312 Webdienste gemäß des "Crowdsourcing-Prinzips" mit313 einzubringen.314 315 Elektronischer Entgeltnachweis316 317 Nicht alle staatlichen E-Government-Projekte sind indes318 gleichermaßen erfolgreich. Jüngstes Beispiel für die319 mangelnde öffentliche wie auch verwaltungsinterne Akzeptanz320 eines IT-Großprojektes ist der Elektronische321 Entgeltnachweis, ELENA. Die Einführung dieses Verfahrens322 wurde mit dem Ziel, Bürokratie zu mindern und Effizienz zu323 steigern, vom Bundesministerium für Wirtschaft und324 Technologie unter anderem im Zusammenhang mit der Förderung325 von elektronischen Signaturverfahren auf den Weg gebracht.326 Der Aufbau des elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens327 einschließlich einer Zentralen Speicherstelle benötigte328 mehrere hundert Millionen Euro. Es entstand eine zentrale329 Datensammlung mit rund 700 Millionen Einträgen, bei der der330 Bürger jedoch sein Recht auf Selbstauskunft nicht331 verwirklichen konnte. Im Jahr 2010 reichten mehr als 20.000332 Bürger/innen eine Sammelklage gegen das ELENA-Verfahren333 ein, insbesondere unter dem Aspekt der334 Vorratsdatenspeicherung [FN: Siehe:335 https://www.foebud.org/datenschutz-buergerrechte/arbeitnehme336 rdatenschutz/elena/verfassungsbeschwerde-elena-verfahrensges337 etz.pdf/view]. Vor allem kleinere Unternehmen kritisierten338 finanzielle Belastungen durch das ELENA-Verfahren; die339 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wies im340 Oktober 2010 darauf hin [FN: Schreiben vom 15.10.2010 der341 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (des342 Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des343 Deutschen Städte- und Gemeindebundes) siehe:344 http://governet.de/alotta/user/governet.de/img/000/004/4216.345 pdf], dass der erhoffte Bürokratieabbau mittelfristig nicht346 eintreten und die finanzielle Belastung der öffentlichen347 Haushalte durch das neue Verfahren enorm steigen würde. Im348 Herbst 2011 wurde die gesetzliche Regelung zur Aufhebung349 von Vorschriften zum Verfahren des elektronischen350 Entgeltnachweises verabschiedet und das Projekt351 eingestellt.352 Im Zusammenhang mit der Einstellung des ELENA-Verfahrens353 beschloss das Bundeskabinett ein Folgeprojekt des354 Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Optimiertes355 Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ (OMS) [FN: Siehe:356 https://www.projekt-oms.de/%28S%28im15z1z2k0afgqbp14sydieu%2357 9%29/default.aspx]. Regierung und Verwaltung stehen nun vor358 der Herausforderung, Kriterien zu definieren, die, unter359 Berücksichtigung des Datenschutzes, ein kostentechnisch360 vertretbares bürgerfreundliches Verfahren sichern.361 362 Nationale und internationale E-Government-Projekte in der363 Praxis364 365 Auch die Einführung EU-weit vernetzten Verwaltungshandelns366 im Rahmen des „Einheitlichen Ansprechpartners“ der367 EU-Dienstleistungsrichtlinie [FN: ver.di Schriftenreihe368 “Innovation + Neue Medien + Beteiligung: Öffentliche369 Dienste im Wandel”, Band 5: “Öffentlicher Dienst und die370 bundesweite Umsetzung der EU-Dienstleistungrichtlinie”,371 Dezember 2008; siehe:372 http://www.governet.de/6/viewentry/2659] hat sich als373 schwierig erwiesen. Statt der versprochenen Reduzierung der374 Bürokratie durch IT brachte das Vorhaben bislang vor allem375 deren Ausbau mit sich. Kritik hat auch die VerBIS-Software376 für das "Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem"377 der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Job-Center auf378 sich gezogen. In Verbindung mit der für jeden über das379 Internet zugänglichen Jobbörse konnten zeitweise nicht nur380 die Jobvermittler auf sensible persönliche Daten der381 Arbeitssuchenden zugreifen, sondern auch Dritte.382 Häufig werden IT-Projekte in Kooperation mit privaten383 Unternehmen realisiert. Öffentlich-private Partnerschaften384 und Outsourcing können jedoch in einem Spannungsverhältnis385 zu den Anforderungen an die Selbstverwaltung und386 Steuerungsfähigkeit der öffentlichen Hand stehen.387 Geschäftsverträge solcher "Public Private Partnerships"388 (PPP) sind oft nicht öffentlich zugänglich. Die Transparenz389 öffentlichen Handelns zu stärken, ist jedoch eine der390 großen Chancen des E-Government.391 392 Lehrreiche Erfahrungen ergaben sich auch im Rahmen eines393 E-Government-Projekts in Franken, das unter dem Motto394 "Würzburg integriert" lief. Dabei sollte ein Unternehmen395 die Verfahrensabläufe der Stadt am Main elektronisch auf396 einer zentralen Plattform zusammenführen. So sollte eine397 schnellere Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen und mehr398 Bürgernähe bei gleichzeitiger Kosteneinsparung ermöglicht399 werden. Die Zusammenarbeit wurde jedoch mittlerweile400 mangels konkreter Einsparmöglichkeiten und wegen401 datenschutzrechtlicher Bedenken beendet. Die402 Stadtverwaltung will E-Government nun in Eigenregie403 durchführen. Die genauen Kosten des gescheiterten Projekts404 sind nichtbekannt.405 406