Papier: 03.02.05 Regieren und Verwalten in der digital vernetzten Welt: Chancen und Herausforderungen von E-Government Teil 1
Originalversion
1 | In den letzten Jahren haben Bund, Länder und Kommunen eine |
2 | Vielzahl von Onlinediensten und Internetportalen als |
3 | wichtige Anlaufstellen aufgebaut. Die Angebote zeichnen sich |
4 | durch eine sehr hohe inhaltliche Varianz aufgrund des |
5 | breiten Spektrums öffentlicher Aufgaben und den rechtlichen |
6 | Vorgaben durch das Grundgesetz (Gewaltenteilung, |
7 | Ressortprinzip, Föderalismus, kommunale Selbstverwaltung und |
8 | die Grundrechte [FN: beispielsweise das Recht auf |
9 | informationelle Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit, Presse- |
10 | und Koalitionsfreiheit.]) aus. Sie sind damit auch Ausdruck |
11 | der vorgegebenen Differenzierung der Verwaltung und spiegeln |
12 | zum Teil unterschiedliche Digitalisierungskonzepte und |
13 | -grade wider. |
14 | |
15 | Die Ziele und Erwartungen von E-Government in Deutschland |
16 | werden unterschiedlich gesehen. Während häufig |
17 | Effizienzgewinne, Verbesserung des Bürgerservice und der |
18 | Partizipationsmöglichkeiten, Erhöhung der Transparenz |
19 | politisch-administrativen Handelns, Verbesserung der |
20 | Arbeitsbedingungen, Befreiung von überflüssiger Bürokratie; |
21 | Erleichterung von sinnvollen notwendigen Prozessen; |
22 | Sicherung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, |
23 | Baustein einer neuen Bürgergesellschaft, Ermöglichung von |
24 | Barrierefreiheit angeführt werden, gibt es auch viele |
25 | mahnende Stimmen, die vor überzogenen Erwartungen warnen. |
26 | Sie können sich auch auf mehrere fehlgeschlagene Projekte |
27 | der jüngeren Vergangenheit auf Bundesebene, wie |
28 | beispielsweise das sog. ELENA-Verfahren (elektronischer |
29 | Entgeltnachweis), oder aber auch auf Landes- oder kommunaler |
30 | Ebene, wie beispielsweise das Projekt „Würzburg integriert“ |
31 | berufen. |
32 | |
33 | Dies zeigt, dass die Gestaltung und Umsetzung öffentlicher |
34 | E-Government-Projekte eine sehr komplexe Aufgabe ist, weil |
35 | der Technikeinsatz – sowohl in Bezug auf die Auswahl der |
36 | Technik, ihr Aufbau, ihre Integration in Arbeits- und |
37 | Geschäftsabläufe sowie die Frage, wer sie betreibt und |
38 | kontrolliert – immer auch weitere Auswirkungen |
39 | beispielsweise sozialer oder politischer Art zur Folge haben |
40 | kann. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen |
41 | nicht immer auf die Logik technischer Abläufe ausgerichtet |
42 | sind. Teilweise werden daher gesetzliche Änderungen |
43 | erforderlich, teilweise muss auf technisch Mögliches bewusst |
44 | aus rechtlichen und demokratischen Gründen verzichtet |
45 | werden. |
46 | |
47 | Programme, Software, technische Architekturen und Standards |
48 | setzen stets auch rechtliche sowie soziale Normen [FN: Vgl. |
49 | Lawrence Lessig: Code and Other Laws of Cyberspace, New York |
50 | 1999 (Basic Books)]. Offenheit, Transparenz und Freiheit im |
51 | Netz hängen auch entscheidend von seiner Architektur ab. Bei |
52 | Entscheidungen über öffentliche IT-Infrastrukturen werden |
53 | somit Weichen gestellt, die die Grundsätze unserer |
54 | Gesellschaft betreffen. |
55 | |
56 | Generell vollzieht sich derzeit eine rasante Modernisierung |
57 | der öffentlichen Einrichtungen mit weit reichenden Folgen |
58 | für Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte. Auf EU-, |
59 | Bundes- und Landesebene wurden neue rechtliche Grundlagen |
60 | und Rahmenbedingungen geschaffen, Geschäftsprozesse und |
61 | Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu |
62 | standardisieren, über elektronische Medien zu erbringen und |
63 | zugänglich zu machen. Dabei hat die Zusammenarbeit von Bund |
64 | und Ländern in der Informationstechnik der öffentlichen |
65 | Verwaltungen über Artikel 91c Grundgesetz Verfassungsrang |
66 | erhalten (vgl. 3.2.1.). Darauf basiert das rechtliche |
67 | Fundament für den IT-Planungsrat von Bund und Ländern unter |
68 | beratender Beteiligung von Kommunen und |
69 | Datenschutzaufsichtsbehörden. |
70 | |
71 | |
72 | Erfahrungen nutzen: Gestaltungskriterien für |
73 | E-Government-Projekte |
74 | |
75 | Etliche neue Verfahren innerhalb öffentlicher Verwaltungen |
76 | sowie viele Online-Dienste für Bürgerinnen und Bürger sowie |
77 | Firmen sind sehr erfolgreich. Gerade Behörden, die etwa in |
78 | den Kommunen, im engen Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern |
79 | stehen, entwickeln oft gute Ansätze im Bereich des |
80 | E-Governments. So werden beispielsweise in vielen Städten |
81 | umfangreiche Online-Portale mit selbst entwickelten |
82 | Leistungen für verschiedenste Lebenslagen angeboten. Diese |
83 | reichen vom Kindergarten-Navigator bis zum |
84 | Online-Wunschkennzeichen. Diese Ansätze können mit |
85 | Möglichkeiten für die Nutzerinnen und Nutzer verknüpft |
86 | werden, eigene Vorschläge für Applikationen und Webdienste |
87 | gemäß des "Crowdsourcing-Prinzips" einzubringen. |
88 | |
89 | In vielen Fachverwaltungen, insbesondere dort, wo |
90 | gleichförmige Massenverfahren bearbeitet werden, besteht |
91 | bereits jetzt ein sehr hoher Digitalisierungsgrad (z. B. |
92 | Sozialverwaltung, Haushalts- und Kassenwesen, |
93 | Personalverwaltung, Statistik, etc.). Auch funktioniert eine |
94 | bereichsübergreifende Vernetzung über bestehende |
95 | Organisationsgrenzen hinaus, beispielsweise beim |
96 | Statistik-Netz oder beim Steuerverbund. |
97 | |
98 | Der neue Personalausweis soll die Möglichkeiten einer |
99 | sicheren elektronischen Kommunikation mit der Verwaltung |
100 | verbessern. Behörden können nun Formulare im Internet |
101 | anbieten, die der Bürger oder die Bürgerin ausfüllt und über |
102 | die Online-Ausweisfunktion und mittels einer auf dem neuen |
103 | Personalausweis speicherbaren elektronischen Signatur |
104 | rechtsgültig unterschreiben kann. Mit der Nutzung des neuen |
105 | Personalausweises entfallen für die Bürgerinnen und Bürger |
106 | das Ausdrucken, handschriftliche Unterschreiben, der Postweg |
107 | und die Abhängigkeit von Öffnungszeiten der zuständigen |
108 | Behörden. Ziel des neuen Personalausweises ist es, die |
109 | elektronischen Abläufe in der Verwaltung weiter zu |
110 | vereinfachen. Mit dem Erwerb des neuen Personalausweises |
111 | sind für die Bürgerinnen und Bürger allerdings auch höhere |
112 | Kosten verbunden, da die Personalausweisgebührenverordnung |
113 | entsprechend der gestiegenen Herstellungskosten und des |
114 | Aufwandes der ausgebenden Stellen angepasst wurde. Zudem ist |
115 | zu berücksichtigen, dass bisher erst 11 Millionen Menschen |
116 | seit der Einführung im November 2010 einen neuen |
117 | Personalausweis erhalten haben [FN: Klein, Manfred (2012): |
118 | Mehr Schwung für eGovernment, eGovernment Computing, |
119 | 29.03.2012.http://www.egovernment-computing.de/projekte/arti |
120 | cles/358153/], wovon ca. 30% die Online-Ausweisfunktion |
121 | (eID-Funktion) freigeschaltet haben. Zudem ist die Anzahl |
122 | der Angebote, bei der die Funktion eingesetzt werden kann, |
123 | bisher noch begrenzt. |
124 | |
125 | Auch DE-Mail verfolgt das Ziel einer rechtssicheren |
126 | elektronischen Kommunikation zwischen Bürgerinnen und |
127 | Bürgern und der Verwaltung. Internetdienstleister bieten in |
128 | einer abgesicherten, verschlüsselten Zone die Möglichkeit, |
129 | mit Behörden E-Mails auszutauschen. Verwaltungsbescheide |
130 | können somit an die Bürgerinnen und Bürger mit |
131 | DE-Mail-Konten rechtsverbindlich zugestellt werden. Eine |
132 | Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist zwar gesetzlich nicht |
133 | verpflichtend kann aber innerhalb des Angebotes eines |
134 | Anbieters für DE-Mail zur Verfügung gestellt werden |
135 | Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die |
136 | einzelnen Verwaltungen (bzw. ihre zuständigen Mitarbeiter |
137 | und Mitarbeiterinnen) sowie die Bürgerinnen und Bürger in |
138 | diesen Systemen registrieren, ein DE-Mail Postfach |
139 | einrichten und den Zugang eröffnen. Entscheidend für den |
140 | Erfolg von DE-Mail im Bereich des E-Government wird auch |
141 | sein, ob es gelingt, die neuen Kommunikationswege ohne |
142 | Medienbrüche in die Abläufe innerhalb der Verwaltungen zu |
143 | integrieren. |
144 | |
145 | |
146 | Elektronischer Entgeltnachweis - ELENA |
147 | |
148 | Nicht alle staatlichen E-Government-Projekte sind indes |
149 | gleichermaßen erfolgreich. Ein Beispiel für die mangelnde |
150 | öffentliche wie auch verwaltungsinterne Akzeptanz eines |
151 | staatlichen IT-Projekts ist der Elektronische |
152 | Entgeltnachweis, ELENA. Die Einführung dieses Verfahrens |
153 | wurde mit dem Ziel, Bürokratie zu mindern und Effizienz zu |
154 | steigern, von der damaligen Bundesregierung unter anderem im |
155 | Zusammenhang mit der Förderung von elektronischen |
156 | Signaturverfahren auf den Weg gebracht. Die jetzige |
157 | Bundesregierung führt in diesem Zusammenhang an, dass das |
158 | Verfahren unter anderem an der Nichtverbreitung der |
159 | qualifizierten elektronischen Signatur gescheitert sei. [FN: |
160 | Vgl. Deutscher Bundestag (2012): Antwort der Bundesregierung |
161 | auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Matthias |
162 | W. Birkwald, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der |
163 | Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/9805 – |
164 | ELENA-Nachfolgeprojekte Bea und OMS Bundestags-Drucksache. |
165 | 17/9897 |
166 | http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/098/1709897.pdf] |
167 | |
168 | Der Aufbau des elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens |
169 | einschließlich einer zentralen Speicherstelle benötigte |
170 | mehrere hundert Millionen Euro. Es entstand eine zentrale |
171 | Datensammlung mit rund 700 Millionen Einträgen, bei der die |
172 | Bürgerinnen und Bürger jedoch ihr Recht auf Selbstauskunft |
173 | während des Speicherzeitraumes aus technischen Gründen nicht |
174 | wahrnehmen konnten. |
175 | |
176 | Zudem wurden in der politischen Diskussion und in einer im |
177 | Jahr 2010 erhobenen und von 22.005 Bürgerinnen und Bürgern |
178 | unterschriebenen Verfassungsbeschwerde erhebliche |
179 | datenschutzrechtliche Bedenken gegen das beabsichtigte |
180 | Verfahren geltend gemacht. Schließlich kritisierten vor |
181 | allem kleinere Unternehmen die bereits entstandenen und ggf. |
182 | noch weiter entstehenden finanziellen Belastungen durch das |
183 | ELENA-Verfahren und den damit verbundenen erhöhten |
184 | bürokratischen Aufwand. Auch die Bundesvereinigung der |
185 | kommunalen Spitzenverbände wies im Oktober 2010 darauf hin, |
186 | dass der erhoffte Bürokratieabbau mittelfristig nicht |
187 | eintreten und die finanzielle Belastung der öffentlichen |
188 | Haushalte durch das neue Verfahren enorm steigen würde [FN: |
189 | Vgl. Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände |
190 | (2010): Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und |
191 | Technologie, Rainer Brüderle, vom 15.Oktober 2010. |
192 | http://www.bay-bezirke.de/downloads/9356c67d45d97c8650ec02bd |
193 | b90de3d3_RS%2069%20Anlage.pdf]. Im Herbst 2011 wurde die |
194 | gesetzliche Regelung zur Aufhebung von Vorschriften zum |
195 | Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises verabschiedet |
196 | und das Projekt eingestellt. Im Zusammenhang mit der |
197 | Einstellung des ELENA-Verfahrens beschloss das |
198 | Bundeskabinett ein Folgeprojekt des Bundesministeriums für |
199 | Arbeit und Soziales „Optimiertes Meldeverfahren in der |
200 | sozialen Sicherung“ (OMS)4. Regierung und Verwaltung stehen |
201 | nun vor der Herausforderung, Kriterien zu definieren, die, |
202 | unter Berücksichtigung des Datenschutzes, ein |
203 | kostentechnisch vertretbares bürgerfreundliches Verfahren |
204 | sichern. |
205 | |
206 | Weitere praktische Erfahrungen mit E-Government-Projekten |
207 | Die mit der durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie |
208 | verbundene Einführung eines „einheitlichen Ansprechpartners“ |
209 | hat in Deutschland bisher nicht zu einer spürbaren |
210 | Reduzierung der Bürokratie für betroffene Unternehmen |
211 | geführt. Aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der |
212 | Richtlinie in den Ländern variiert auch die jeweils zur |
213 | Verfügung gestellte Technik. |
214 | |
215 | Als Konzept gewann der virtuelle Arbeitsmarkt zwar im Jahre |
216 | 2002 noch den E-Government-Preis der Cebit und wurde damit |
217 | zum IT-Prestige-Projekt der Bundesagentur für Arbeit. Mit |
218 | der Umsetzung sank allerdings die Reputation des Projektes, |
219 | da die geplanten Kosten von 65,5 Mio. Euro um einen |
220 | dreistelligen Millionenbetrag überschritten wurden. |
221 | |
222 | Hinzu kam, dass auch die Entwicklung des neuen Programms von |
223 | Turbulenzen begleitet war. So sollte VerBIS (Vermittlungs-, |
224 | Beratungs- und Integrationssoftware) ursprünglich nur für |
225 | den Rechtskreis des SGB III ausgelegt werden. Dann wurde |
226 | jedoch entschieden, dass auch die Vermittlungsfachkräfte der |
227 | ARGEn damit arbeiten sollen. Da sich die Struktur des |
228 | Programms jedoch nahezu in jeder Hinsicht deutlich von den |
229 | bisher verwendeten Programmen unterscheidet, kam es zu |
230 | entsprechenden Schwierigkeiten bei der täglichen Anwendung |
231 | durch die Fachkräfte. |
232 | |
233 | Zudem konnten in Verbindung mit der für jeden über das |
234 | Internet zugänglichen Jobbörse zeitweise nicht nur die |
235 | Jobvermittler auf persönliche Daten der Arbeitssuchenden |
236 | zugreifen, sondern auch Dritte. |
237 | |
238 | Negative Erfahrungen wurden auch im Rahmen eines |
239 | E-Government-Projekts in Franken, das unter dem Motto |
240 | "Würzburg integriert" lief, gemacht. Dabei sollte ein |
241 | Unternehmen die Verfahrensabläufe der Stadt am Main |
242 | elektronisch auf einer zentralen Plattform zusammenführen. |
243 | So sollte eine schnellere Bearbeitung von |
244 | Verwaltungsvorgängen und mehr Bürgernähe bei gleichzeitiger |
245 | Kosteneinsparung ermöglicht werden. Die Zusammenarbeit wurde |
246 | jedoch mittlerweile mangels konkreter Einsparmöglichkeiten |
247 | und wegen datenschutzrechtlicher Bedenken beendet. Die |
248 | Stadtverwaltung will E-Government nun in Eigenregie |
249 | durchführen. Die genauen Kosten des gescheiterten Projekts |
250 | sind nicht bekannt. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | In den letzten Jahren haben Bund, Länder und Kommunen eine |
2 | Vielzahl von Onlinediensten und Internetportalen als |
3 | wichtige Anlaufstellen aufgebaut. Die Angebote zeichnen sich |
4 | durch eine sehr hohe inhaltliche Varianz aufgrund des |
5 | breiten Spektrums öffentlicher Aufgaben und den rechtlichen |
6 | Vorgaben durch das Grundgesetz (Gewaltenteilung, |
7 | Ressortprinzip, Föderalismus, kommunale Selbstverwaltung und |
8 | die Grundrechte [FN: beispielsweise das Recht auf |
9 | informationelle Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit, Presse- |
10 | und Koalitionsfreiheit.]) aus. Sie sind damit auch Ausdruck |
11 | der vorgegebenen Differenzierung der Verwaltung und spiegeln |
12 | zum Teil unterschiedliche Digitalisierungskonzepte und |
13 | -grade wider. |
14 | |
15 | Die Ziele und Erwartungen von E-Government in Deutschland |
16 | werden unterschiedlich gesehen. Während häufig |
17 | Effizienzgewinne, Verbesserung des Bürgerservice und der |
18 | Partizipationsmöglichkeiten, Erhöhung der Transparenz |
19 | politisch-administrativen Handelns, Verbesserung der |
20 | Arbeitsbedingungen, Befreiung von überflüssiger Bürokratie; |
21 | Erleichterung von sinnvollen notwendigen Prozessen; |
22 | Sicherung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, |
23 | Baustein einer neuen Bürgergesellschaft, Ermöglichung von |
24 | Barrierefreiheit angeführt werden, gibt es auch viele |
25 | mahnende Stimmen, die vor überzogenen Erwartungen warnen. |
26 | Sie können sich auch auf mehrere fehlgeschlagene Projekte |
27 | der jüngeren Vergangenheit auf Bundesebene, wie |
28 | beispielsweise das sog. ELENA-Verfahren (elektronischer |
29 | Entgeltnachweis), oder aber auch auf Landes- oder kommunaler |
30 | Ebene, wie beispielsweise das Projekt „Würzburg integriert“ |
31 | berufen. |
32 | |
33 | Dies zeigt, dass die Gestaltung und Umsetzung öffentlicher |
34 | E-Government-Projekte eine sehr komplexe Aufgabe ist, weil |
35 | der Technikeinsatz – sowohl in Bezug auf die Auswahl der |
36 | Technik, ihr Aufbau, ihre Integration in Arbeits- und |
37 | Geschäftsabläufe sowie die Frage, wer sie betreibt und |
38 | kontrolliert – immer auch weitere Auswirkungen |
39 | beispielsweise sozialer oder politischer Art zur Folge haben |
40 | kann. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen |
41 | nicht immer auf die Logik technischer Abläufe ausgerichtet |
42 | sind. Teilweise werden daher gesetzliche Änderungen |
43 | erforderlich, teilweise muss auf technisch Mögliches bewusst |
44 | aus rechtlichen und demokratischen Gründen verzichtet |
45 | werden. |
46 | |
47 | Programme, Software, technische Architekturen und Standards |
48 | setzen stets auch rechtliche sowie soziale Normen [FN: Vgl. |
49 | Lawrence Lessig: Code and Other Laws of Cyberspace, New York |
50 | 1999 (Basic Books)]. Offenheit, Transparenz und Freiheit im |
51 | Netz hängen auch entscheidend von seiner Architektur ab. Bei |
52 | Entscheidungen über öffentliche IT-Infrastrukturen werden |
53 | somit Weichen gestellt, die die Grundsätze unserer |
54 | Gesellschaft betreffen. |
55 | |
56 | Generell vollzieht sich derzeit eine rasante Modernisierung |
57 | der öffentlichen Einrichtungen mit weit reichenden Folgen |
58 | für Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte. Auf EU-, |
59 | Bundes- und Landesebene wurden neue rechtliche Grundlagen |
60 | und Rahmenbedingungen geschaffen, Geschäftsprozesse und |
61 | Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung zu |
62 | standardisieren, über elektronische Medien zu erbringen und |
63 | zugänglich zu machen. Dabei hat die Zusammenarbeit von Bund |
64 | und Ländern in der Informationstechnik der öffentlichen |
65 | Verwaltungen über Artikel 91c Grundgesetz Verfassungsrang |
66 | erhalten (vgl. 3.2.1.). Darauf basiert das rechtliche |
67 | Fundament für den IT-Planungsrat von Bund und Ländern unter |
68 | beratender Beteiligung von Kommunen und |
69 | Datenschutzaufsichtsbehörden. |
70 | |
71 | |
72 | Erfahrungen nutzen: Gestaltungskriterien für |
73 | E-Government-Projekte |
74 | |
75 | Etliche neue Verfahren innerhalb öffentlicher Verwaltungen |
76 | sowie viele Online-Dienste für Bürgerinnen und Bürger sowie |
77 | Firmen sind sehr erfolgreich. Gerade Behörden, die etwa in |
78 | den Kommunen, im engen Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern |
79 | stehen, entwickeln oft gute Ansätze im Bereich des |
80 | E-Governments. So werden beispielsweise in vielen Städten |
81 | umfangreiche Online-Portale mit selbst entwickelten |
82 | Leistungen für verschiedenste Lebenslagen angeboten. Diese |
83 | reichen vom Kindergarten-Navigator bis zum |
84 | Online-Wunschkennzeichen. Diese Ansätze können mit |
85 | Möglichkeiten für die Nutzerinnen und Nutzer verknüpft |
86 | werden, eigene Vorschläge für Applikationen und Webdienste |
87 | gemäß des "Crowdsourcing-Prinzips" einzubringen. |
88 | |
89 | In vielen Fachverwaltungen, insbesondere dort, wo |
90 | gleichförmige Massenverfahren bearbeitet werden, besteht |
91 | bereits jetzt ein sehr hoher Digitalisierungsgrad (z. B. |
92 | Sozialverwaltung, Haushalts- und Kassenwesen, |
93 | Personalverwaltung, Statistik, etc.). Auch funktioniert eine |
94 | bereichsübergreifende Vernetzung über bestehende |
95 | Organisationsgrenzen hinaus, beispielsweise beim |
96 | Statistik-Netz oder beim Steuerverbund. |
97 | |
98 | Der neue Personalausweis soll die Möglichkeiten einer |
99 | sicheren elektronischen Kommunikation mit der Verwaltung |
100 | verbessern. Behörden können nun Formulare im Internet |
101 | anbieten, die der Bürger oder die Bürgerin ausfüllt und über |
102 | die Online-Ausweisfunktion und mittels einer auf dem neuen |
103 | Personalausweis speicherbaren elektronischen Signatur |
104 | rechtsgültig unterschreiben kann. Mit der Nutzung des neuen |
105 | Personalausweises entfallen für die Bürgerinnen und Bürger |
106 | das Ausdrucken, handschriftliche Unterschreiben, der Postweg |
107 | und die Abhängigkeit von Öffnungszeiten der zuständigen |
108 | Behörden. Ziel des neuen Personalausweises ist es, die |
109 | elektronischen Abläufe in der Verwaltung weiter zu |
110 | vereinfachen. Mit dem Erwerb des neuen Personalausweises |
111 | sind für die Bürgerinnen und Bürger allerdings auch höhere |
112 | Kosten verbunden, da die Personalausweisgebührenverordnung |
113 | entsprechend der gestiegenen Herstellungskosten und des |
114 | Aufwandes der ausgebenden Stellen angepasst wurde. Zudem ist |
115 | zu berücksichtigen, dass bisher erst 11 Millionen Menschen |
116 | seit der Einführung im November 2010 einen neuen |
117 | Personalausweis erhalten haben [FN: Klein, Manfred (2012): |
118 | Mehr Schwung für eGovernment, eGovernment Computing, |
119 | 29.03.2012.http://www.egovernment-computing.de/projekte/arti |
120 | cles/358153/], wovon ca. 30% die Online-Ausweisfunktion |
121 | (eID-Funktion) freigeschaltet haben. Zudem ist die Anzahl |
122 | der Angebote, bei der die Funktion eingesetzt werden kann, |
123 | bisher noch begrenzt. |
124 | |
125 | Auch DE-Mail verfolgt das Ziel einer rechtssicheren |
126 | elektronischen Kommunikation zwischen Bürgerinnen und |
127 | Bürgern und der Verwaltung. Internetdienstleister bieten in |
128 | einer abgesicherten, verschlüsselten Zone die Möglichkeit, |
129 | mit Behörden E-Mails auszutauschen. Verwaltungsbescheide |
130 | können somit an die Bürgerinnen und Bürger mit |
131 | DE-Mail-Konten rechtsverbindlich zugestellt werden. Eine |
132 | Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist zwar gesetzlich nicht |
133 | verpflichtend kann aber innerhalb des Angebotes eines |
134 | Anbieters für DE-Mail zur Verfügung gestellt werden |
135 | Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die |
136 | einzelnen Verwaltungen (bzw. ihre zuständigen Mitarbeiter |
137 | und Mitarbeiterinnen) sowie die Bürgerinnen und Bürger in |
138 | diesen Systemen registrieren, ein DE-Mail Postfach |
139 | einrichten und den Zugang eröffnen. Entscheidend für den |
140 | Erfolg von DE-Mail im Bereich des E-Government wird auch |
141 | sein, ob es gelingt, die neuen Kommunikationswege ohne |
142 | Medienbrüche in die Abläufe innerhalb der Verwaltungen zu |
143 | integrieren. |
144 | |
145 | |
146 | Elektronischer Entgeltnachweis - ELENA |
147 | |
148 | Nicht alle staatlichen E-Government-Projekte sind indes |
149 | gleichermaßen erfolgreich. Ein Beispiel für die mangelnde |
150 | öffentliche wie auch verwaltungsinterne Akzeptanz eines |
151 | staatlichen IT-Projekts ist der Elektronische |
152 | Entgeltnachweis, ELENA. Die Einführung dieses Verfahrens |
153 | wurde mit dem Ziel, Bürokratie zu mindern und Effizienz zu |
154 | steigern, von der damaligen Bundesregierung unter anderem im |
155 | Zusammenhang mit der Förderung von elektronischen |
156 | Signaturverfahren auf den Weg gebracht. Die jetzige |
157 | Bundesregierung führt in diesem Zusammenhang an, dass das |
158 | Verfahren unter anderem an der Nichtverbreitung der |
159 | qualifizierten elektronischen Signatur gescheitert sei. [FN: |
160 | Vgl. Deutscher Bundestag (2012): Antwort der Bundesregierung |
161 | auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Matthias |
162 | W. Birkwald, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der |
163 | Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/9805 – |
164 | ELENA-Nachfolgeprojekte Bea und OMS Bundestags-Drucksache. |
165 | 17/9897 |
166 | http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/098/1709897.pdf] |
167 | |
168 | Der Aufbau des elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens |
169 | einschließlich einer zentralen Speicherstelle benötigte |
170 | mehrere hundert Millionen Euro. Es entstand eine zentrale |
171 | Datensammlung mit rund 700 Millionen Einträgen, bei der die |
172 | Bürgerinnen und Bürger jedoch ihr Recht auf Selbstauskunft |
173 | während des Speicherzeitraumes aus technischen Gründen nicht |
174 | wahrnehmen konnten. |
175 | |
176 | Zudem wurden in der politischen Diskussion und in einer im |
177 | Jahr 2010 erhobenen und von 22.005 Bürgerinnen und Bürgern |
178 | unterschriebenen Verfassungsbeschwerde erhebliche |
179 | datenschutzrechtliche Bedenken gegen das beabsichtigte |
180 | Verfahren geltend gemacht. Schließlich kritisierten vor |
181 | allem kleinere Unternehmen die bereits entstandenen und ggf. |
182 | noch weiter entstehenden finanziellen Belastungen durch das |
183 | ELENA-Verfahren und den damit verbundenen erhöhten |
184 | bürokratischen Aufwand. Auch die Bundesvereinigung der |
185 | kommunalen Spitzenverbände wies im Oktober 2010 darauf hin, |
186 | dass der erhoffte Bürokratieabbau mittelfristig nicht |
187 | eintreten und die finanzielle Belastung der öffentlichen |
188 | Haushalte durch das neue Verfahren enorm steigen würde [FN: |
189 | Vgl. Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände |
190 | (2010): Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und |
191 | Technologie, Rainer Brüderle, vom 15.Oktober 2010. |
192 | http://www.bay-bezirke.de/downloads/9356c67d45d97c8650ec02bd |
193 | b90de3d3_RS%2069%20Anlage.pdf]. Im Herbst 2011 wurde die |
194 | gesetzliche Regelung zur Aufhebung von Vorschriften zum |
195 | Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises verabschiedet |
196 | und das Projekt eingestellt. Im Zusammenhang mit der |
197 | Einstellung des ELENA-Verfahrens beschloss das |
198 | Bundeskabinett ein Folgeprojekt des Bundesministeriums für |
199 | Arbeit und Soziales „Optimiertes Meldeverfahren in der |
200 | sozialen Sicherung“ (OMS)4. Regierung und Verwaltung stehen |
201 | nun vor der Herausforderung, Kriterien zu definieren, die, |
202 | unter Berücksichtigung des Datenschutzes, ein |
203 | kostentechnisch vertretbares bürgerfreundliches Verfahren |
204 | sichern. |
205 | |
206 | Weitere praktische Erfahrungen mit E-Government-Projekten |
207 | Die mit der durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie |
208 | verbundene Einführung eines „einheitlichen Ansprechpartners“ |
209 | hat in Deutschland bisher nicht zu einer spürbaren |
210 | Reduzierung der Bürokratie für betroffene Unternehmen |
211 | geführt. Aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der |
212 | Richtlinie in den Ländern variiert auch die jeweils zur |
213 | Verfügung gestellte Technik. |
214 | |
215 | Als Konzept gewann der virtuelle Arbeitsmarkt zwar im Jahre |
216 | 2002 noch den E-Government-Preis der Cebit und wurde damit |
217 | zum IT-Prestige-Projekt der Bundesagentur für Arbeit. Mit |
218 | der Umsetzung sank allerdings die Reputation des Projektes, |
219 | da die geplanten Kosten von 65,5 Mio. Euro um einen |
220 | dreistelligen Millionenbetrag überschritten wurden. |
221 | |
222 | Hinzu kam, dass auch die Entwicklung des neuen Programms von |
223 | Turbulenzen begleitet war. So sollte VerBIS (Vermittlungs-, |
224 | Beratungs- und Integrationssoftware) ursprünglich nur für |
225 | den Rechtskreis des SGB III ausgelegt werden. Dann wurde |
226 | jedoch entschieden, dass auch die Vermittlungsfachkräfte der |
227 | ARGEn damit arbeiten sollen. Da sich die Struktur des |
228 | Programms jedoch nahezu in jeder Hinsicht deutlich von den |
229 | bisher verwendeten Programmen unterscheidet, kam es zu |
230 | entsprechenden Schwierigkeiten bei der täglichen Anwendung |
231 | durch die Fachkräfte. |
232 | |
233 | Zudem konnten in Verbindung mit der für jeden über das |
234 | Internet zugänglichen Jobbörse zeitweise nicht nur die |
235 | Jobvermittler auf persönliche Daten der Arbeitssuchenden |
236 | zugreifen, sondern auch Dritte. |
237 | |
238 | Negative Erfahrungen wurden auch im Rahmen eines |
239 | E-Government-Projekts in Franken, das unter dem Motto |
240 | "Würzburg integriert" lief, gemacht. Dabei sollte ein |
241 | Unternehmen die Verfahrensabläufe der Stadt am Main |
242 | elektronisch auf einer zentralen Plattform zusammenführen. |
243 | So sollte eine schnellere Bearbeitung von |
244 | Verwaltungsvorgängen und mehr Bürgernähe bei gleichzeitiger |
245 | Kosteneinsparung ermöglicht werden. Die Zusammenarbeit wurde |
246 | jedoch mittlerweile mangels konkreter Einsparmöglichkeiten |
247 | und wegen datenschutzrechtlicher Bedenken beendet. Die |
248 | Stadtverwaltung will E-Government nun in Eigenregie |
249 | durchführen. Die genauen Kosten des gescheiterten Projekts |
250 | sind nicht bekannt. |
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