1 | Neben der Möglichkeit, Petitionen direkt an die Parlamente |
2 | zu richten, besteht in vielen Staaten in Europa auch die |
3 | Möglichkeit, sich an eine nationale Ombudsstelle zu wenden. |
4 | In den skandinavischen und baltischen Staaten ist die |
5 | nationale Ombudsstelle beispielsweise das einzige |
6 | vergleichbare Instrument. Dort bearbeiten die Parlamente |
7 | selbst keine Petitionen. |
8 | |
9 | Die nationalen Regelungen auf dem Gebiet des Petitionsrechts |
10 | zeichnen sich daher durch eine hohe Heterogenität aus. So |
11 | setzen manche Länder stark auf die Einbeziehung des |
12 | Internets (9 von 21 Staaten) Andere informieren ihre |
13 | Bürgerinnen und Bürger über das Fernsehen (Österreich, |
14 | Tschechien), über SMS (Schottland), eigene Blogs |
15 | (Schottland, Frankreich) oder haben gar auf das |
16 | Schriftformerfordernis verzichtet, um größtmögliche |
17 | Beteiligung der Bevölkerung zu erzielen (Portugal, |
18 | Slowenien, Ungarn). [FN: Büro für Technikfolgenabschätzung, |
19 | Elektronische Petitionen und Modernisierung des |
20 | Petitionswesens in Europa, Stand Juni 2011.] |
21 | |
22 | |
23 | Europäisches Parlament |
24 | |
25 | Auch das Europäische Parlament ermöglicht es den Bürger, |
26 | Petitionen (Art. 227 AEUV) über das Internet einzureichen. |
27 | [FN: |
28 | https://www.secure.europarl.europa.eu/parliament/public/peti |
29 | tion/secured/submit.do?language=DE] Schließlich gibt es eine |
30 | Art Forum [FN: http://ec.europa.eu/yourvoice/index_de.htm], |
31 | in dem sich die EU-Bürger „aktiv an der Gestaltung von |
32 | EU–Politik beteiligen können“. |
33 | Weiter befindet sich die sog. „Europäische Bürgerinitiative“ |
34 | (ECI) [FN: |
35 | http://ec.europa.eu/dgs/secretariat_general/citizens_initiat |
36 | ive/index_de.htm] in Planung, welche mit dem Vertrag von |
37 | Lissabon [FN: |
38 | http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ:C:2007:306:SOM:DE: |
39 | HTML] eingeführt wurde. Im Unterschied zu einer Petition, |
40 | die nicht notwendigerweise Gesetzvorschläge betreffen muss, |
41 | ist die Bürgerinitiative eine direkte Aufforderung an die |
42 | Kommission, einen neuen Rechtsakt vorzuschlagen. Die |
43 | Bürgerinitiative wird es ermöglichen, dass mindestens eine |
44 | Million Staatsangehörige aus mindestens einem Viertel der |
45 | EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission zur Vorlage |
46 | eines Vorschlags in einem in ihre Zuständigkeit fallenden |
47 | Bereich auffordern können, Art. 11 Abs. 4 EUV. Die |
48 | Organisatoren einer solchen Initiative, bei denen es sich um |
49 | einen Bürgerausschuss bestehend aus mindestens sieben |
50 | EU-Staatsangehörigen handeln muss, die in mindestens sieben |
51 | unterschiedlichen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, haben |
52 | ein Jahr Zeit, die erforderlichen Unterstützungsbekundungen |
53 | zu sammeln. Sollen die Stimmen (auch) online gesammelt |
54 | werden, müssen die Organisatoren die zuständige nationale |
55 | Behörde des EU-Landes, in dem die Daten gespeichert werden, |
56 | auffordern, ihr Online-Sammelsystem zu zertifizieren. Die |
57 | Behörde muss innerhalb eines Monats antworten. Die |
58 | Kommission wird den Organisatoren eine Open–Source-Software |
59 | für die Online-Sammlung von Unterstützungsbekundungen zur |
60 | Verfügung stellen. Sie wird darüber hinaus technische |
61 | Spezifikationen festlegen, um die Organisatoren bei der |
62 | Entwicklung ihres Sammelsystems zu unterstützen. Die Anzahl |
63 | dieser Unterstützungsbekundungen muss von den zuständigen |
64 | Behörden in den Mitgliedstaaten bescheinigt werden. Die |
65 | Kommission hat danach drei Monate Zeit für die Prüfung der |
66 | Initiative und die Festlegung des weiteren Vorgehens. Gemäß |
67 | den Vorschriften der Verordnung über die Bürgerinitiative |
68 | [FN: |
69 | http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2 |
70 | 011:065:0001:0022:DE:PDF] wird es erst ab dem 1. April 2012 |
71 | möglich sein, eine europäische Bürgerinitiative einzuleiten. |
72 | Das hierzu erforderliche nationale Umsetzungsgesetz hat der |
73 | Deutsche Bundestag am 15.12.2011 verabschiedet. |
74 | |
75 | Der Online-Auftritt des Rates der Europäischen Union bietet |
76 | keinen Hinweis auf eine über die zuvor beschriebenen |
77 | Möglichkeiten hinausgehende Option zur direkten Einbindung |
78 | der EU-Bürger in den legislativen Prozess. |
1-1 von 1
-
02.03.01.04 Bestandsaufnahme und Trends digitaler Beteiligungsformen an legislativen Debatten und Trends - Europäischer Vergleich (Originalversion)
von EnqueteSekretariat, angelegt