1 | Im Petitionswesen des Deutschen Bundestages werden |
2 | Petitionen unterschiedlich kategorisiert (vgl. Art. 17 iVm |
3 | Art. 45 c Abs. 1 GG): |
4 | Einzelpetitionen sind Petitionen, die von einer Einzelperson |
5 | oder aber von einer Interessengruppe individuell zu einem |
6 | (persönlichen) Anliegen gestellt werden. |
7 | Bei Mehrfachpetitionen handelt es sich um eine (zufällige) |
8 | Häufung einzelner Petitionen, die das gleiche Anliegen |
9 | verfolgen. |
10 | |
11 | Sammelpetitionen zeichnen sich dadurch aus, dass für das |
12 | eingereichte Anliegen systematisch Unterschriften von |
13 | Unterstützerinnen und Unterstützern gesammelt wurden. |
14 | |
15 | |
16 | Darüber hinaus kann auch eine Differenzierung aufgrund des |
17 | Übertragungsweges und der Art und Weise der Veröffentlichung |
18 | vorgenommen werden. E-Petitionen (= Online-Petitonen) sind |
19 | demnach Petitionen, die elektronisch an den |
20 | Petitionsadressaten eingereicht werden. Seit der |
21 | Modernisierung des Petitionsrechts im Jahr 2005 erfolgt die |
22 | Übermittlung über ein entsprechendes Formular, aus dem |
23 | sowohl die Postanschrift als auch die Urheberschaft an der |
24 | Petition hervorgeht. Ansonsten erreichen Petitionen den |
25 | Deutschen Bundestag auch weiterhin per Post oder per Fax. |
26 | Nach wie vor ist es nicht möglich, Petitionen einfach per |
27 | E-Mail einzureichen. |
28 | |
29 | Öffentliche Petitionen können zudem nach ihrer Einreichung |
30 | auf der Website des Deutschen Bundestages veröffentlicht und |
31 | zur Mitzeichnung und Kommentierung freigegeben werden. |
32 | Zurzeit sind dies ca. 18 % aller eingehenden Petitionen. Der |
33 | Petitionstext wird dann zunächst für vier Wochen online |
34 | gestellt und kann in diesem Zeitraum von beliebig vielen |
35 | anderen Menschen durch Angabe ihres Namens unterstützt |
36 | werden, vorausgesetzt, diese haben sich vorher im System |
37 | registriert. Die Namen der Unterstützer werden öffentlich |
38 | für alle einsehbar und recherchierbar online gestellt. Eine |
39 | negative Mitzeichnung (gegen das Anliegen) ist nicht |
40 | möglich, jedoch kann jederzeit eine Gegenpetition |
41 | eingereicht werden. |
42 | Derzeit gilt: Wenn eine öffentliche Petition bei Einreichung |
43 | oder innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung im |
44 | Internet mindestens 50.000 Unterstützer gefunden hat, wird |
45 | der Petent in einer öffentlichen Beratung des |
46 | Petitionsausschusses angehört. Der Ausschuss kann mit einer |
47 | Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder |
48 | beschließen, dass hiervon abgesehen wird. Die öffentlichen |
49 | Sitzungen des Petitionsausschusses werden im |
50 | Parlamentsfernsehen übertragen. Zudem sind die Sendungen im |
51 | Internet übertragen und können dort auch jederzeit als |
52 | Video-on-Demand auf der Webseite des Bundestages abgerufen |
53 | werden. |
54 | |
55 | Öffentliche Petitionen am Deutschen Bundestag unterliegen |
56 | einem besonderen Zulassungsverfahren. Die Kriterien der |
57 | Zulassung werden teilweise in den Nutzerforen der |
58 | E-Petitionsplattform kritisch diskutiert. Bei einer |
59 | Befragung von Einreichern öffentlicher Petitionen konnten im |
60 | Jahr 2009 60% der Einreichenden die Begründung für die |
61 | Nichtzulassung aufgrund einer fehlenden Rückmeldung bzw. |
62 | wegen der Unverständlichkeit der Begründung nicht |
63 | nachvollziehen. Von 4.598 zur Veröffentlichung eingereichten |
64 | Petitionen wurden 2010 nur 559, also 12,2% als öffentliche |
65 | Petition zugelassen. Bei etwa 50% aller zur Veröffentlichung |
66 | eingereichten Petitionen handelte es sich um |
67 | Mehrfachpetitionen. Knapp 14% wurden nicht zugelassen, weil |
68 | sie als für eine öffentliche Diskussion ungeeignet oder als |
69 | offensichtlich erfolglos eingeschätzt wurden. [FN: Büro für |
70 | Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und |
71 | Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht |
72 | Nr. 146, Stand Juni 2011.] |
73 | |
74 | Auch Petitionen, die als öffentliche Petition eingereicht, |
75 | jedoch nicht als solche zugelassen wurden, werden im |
76 | Ausschuss behandelt, wobei hierfür das herkömmliche, |
77 | nichtöffentliche Verfahren maßgeblich ist. Nach der Beratung |
78 | im Petitionsausschuss werden sowohl öffentliche als auch |
79 | nichtöffentliche Petitionen gemäß § 112 Abs. 1 GOBT in einer |
80 | als Drucksache des Deutschen Bundestages veröffentlichten |
81 | Sammelübersicht dem Plenum des Deutschen Bundestages zur |
82 | Abstimmung vorgelegt. |
83 | |
84 | Die Begrenzung der Diskussionsfrist von früher sechs Wochen |
85 | auf ebenfalls vier Wochen- wie die Mitzeichnungsfrist - ist |
86 | auf die praktische Auswertbarkeit der Beiträge |
87 | zurückzuführen: Die Erfahrung hat gezeigt, dass über die |
88 | frühere Zeitspanne von sechs Wochen teilweise mehr als |
89 | eintausend Diskussionsbeiträge zu einer Petition eingingen. |
90 | Eine Untersuchung des Büros für Technikfolgen-Abschätzung |
91 | des Deutschen Bundestages [FN: Büro für |
92 | Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und |
93 | Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht |
94 | Nr. 146, Stand Juni 2011.] zeigt, dass hierbei Regelverstöße |
95 | gering sind und die Inhalte der Foren als überwiegend |
96 | informativ und sachlich eingeschätzt wurden. Auch |
97 | Befragungen von Petenten und Nutzern der |
98 | E-Petitionsplattform des Deutschen Bundestages ergaben, dass |
99 | 2009 91% die Diskussion in den Foren für informativ und 87% |
100 | für sachlich hielten. [FN: Büro für |
101 | Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und |
102 | Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht |
103 | Nr. 146, Stand Juni 2011.] Das Verfahren ist in den §§ 108 |
104 | ff GO-BT, in den Grundsätzen des Petitionsausschusses über |
105 | die Behandlung von Bitten und Beschwerden |
106 | (Verfahrensgrundsätze) und in der Anlage zu Ziffer 7.1 (4) |
107 | Verfahrensgrundsätze (Richtlinie für die Behandlung von |
108 | öffentlichen Petitionen (öP)) abschließend geregelt. |
109 | |
110 | In der 16. Wahlperiode haben diese Hürde insgesamt sechs |
111 | Petitionen genommen, in der 17. Legislaturperiode haben |
112 | bisher XX [FN: Wird nachgereicht.] Petitionen das Quorum |
113 | erreicht. Der Anteil der elektronisch eingereichten |
114 | Petitionen beim Deutschen Bundestag ist seit 2006 von 17% |
115 | auf 36% im Jahr 2010 gestiegen. Der Anteil öffentlich |
116 | eingereichter Petitionen stieg im selben Zeitraum sogar von |
117 | 5% auf 29%. Insgesamt wurden im Zeitraum von September 2005- |
118 | Ende 2010 mehr als 3 Mio. Mitzeichnungen für etwa 2.100 |
119 | öffentliche Petitionen gezählt und mehr als 100.000 |
120 | Diskussionsbeiträge geschrieben. [FN: Büro für |
121 | Technikfolgenabschätzung, „Elektronische Petitionen und |
122 | Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht |
123 | Nr. 146, Stand Juni 2011.] |
124 | |
125 | Zum 1. Januar 2012 hat der Petitionsausschuss Grundsätze des |
126 | Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und |
127 | Beschwerden (Verfahrensgrundsätze) geändert. So wurde |
128 | beispielsweise die Mitzeichnungsfrist zum Erreichen des |
129 | Quorums als Option für eine öffentliche Beratung von 50.000 |
130 | Unterstützern um eine Woche auf nunmehr vier Wochen |
131 | verlängert. Damit trägt der Ausschuss auch den Wünschen |
132 | vieler Petenten und Diskussionsteilnehmer Rechnung. Ferner |
133 | soll ab Mitte des Jahres 2012, wenn die neue verbesserte |
134 | Internetplattform online gehen wird, auch die Möglichkeit zu |
135 | eröffnen, die elektronischen Mitzeichnungen auf dieser |
136 | Plattform in pseudo-nymisierter Form abgeben zu können. |
137 | Dabei wird es sich jedoch im Gegensatz zum Diskussionsforum |
138 | nicht um frei wählbare Pseudonyme handeln, sondern um eine |
139 | vom System vorgegebene standardisierte Form. |
140 | |
141 | Mit der Angleichung der Fristen und der Einführung der |
142 | anonymen Mitzeichnung setzt der Ausschuss auf mehr |
143 | Datenschutz, mehr Transparenz und auf eine noch |
144 | bürgerfreundlichere Petitionsplattform. Ziel ist es, |
145 | möglichst viele substanzielle Anliegen von öffentlichem |
146 | Interesse zur Diskussion zu stellen [FN: Pressemitteilung |
147 | des Deutschen Bundestages vom 16.11.2011 „Petitionsausschuss |
148 | ändert Verfahrensgrundsätze“, abrufbar unter |
149 | http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2011/pm_11 |
150 | 11161.html ]. |
151 | Für die Frage nach dem Erfolg von Petitionen ergibt der |
152 | Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr |
153 | 2009, dass fast die Hälfte der Vorgänge im weiteren Sinne |
154 | positiv erledigt werden konnte. Davon wurden 38,1% durch |
155 | Rat, Auskunft, Verweisung und Materialübersendung erledigt, |
156 | 7,6% wurden entsprochen und 3,5% wurden an die |
157 | Bundesregierung überwiesen. [FN: Büro für |
158 | Technikfolgenabschätzung, „Elektronische Petitionen und |
159 | Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht |
160 | Nr. 146, Stand Juni 2011] |
161 | Bei den Petenten hat sich dagegen nur bei 15,2% der Eindruck |
162 | ergeben, dass der Bundestag sich für ihr Anliegen engagiert |
163 | habe. Dennoch würden auch weiterhin 75% der Einreicher |
164 | öffentlicher Petitionen in einen ähnlichen Situation wieder |
165 | eine Petition einreichen, wobei in diesem Zusammenhang zu |
166 | betonen ist, dass die Durchsetzung des in der Petition |
167 | formulierten Anliegens selten die Motivlage für die |
168 | Einreichung ist. [FN: Ebda.] |
169 | |
170 | |
171 | Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" |
172 | |
173 | Der Deutsche Bundestag hat im März 2010 die |
174 | Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft |
175 | eingesetzt, an deren Arbeit sich die interessierten |
176 | Bürgerinnen und Bürger als sogenannte "18. Sachverständige" |
177 | beteiligen können. Sie können Vorschläge, Ergänzungen und |
178 | Änderungsanträge in die Projektgruppen einbringen, die zu |
179 | unterschiedlichen Themenbereichen gebildet wurden. Die |
180 | Projektgruppen haben auf der Microsite des Gremiums jeweils |
181 | ein eigenes Unterforum, in dem ihre Zielsetzung erklärt wird |
182 | und Vorschläge unterbreitet werden können, welche Themen |
183 | behandelt werden sollten. Darüber hinaus wurde ein Blog und |
184 | ein Twitter-Account eingerichtet. Als wesentliches |
185 | Instrument bedient sich die Kommission jedoch einer |
186 | Beteiligungsplattform [FN: |
187 | https://www.enquetebeteiligung.de/] im Internet, um die |
188 | Bürgerinnen und Bürger bei konkreten Sachfragen in die |
189 | inhaltliche Arbeit der Projektgruppen einzubinden. Von |
190 | Beginn an werden Themenvorschläge der Nutzerinnen und Nutzer |
191 | in die Arbeitspläne der Projektgruppen aufgenommen, bei den |
192 | Bestandsaufnahmen und bei den Handlungsempfehlungen |
193 | diskutiert sowie den Berichten der Projektgruppen beigefügt. |
194 | Die abgestimmten Texte der Projektgruppen wiederum werden |
195 | über die Beteiligungsplattform der Öffentlichkeit zugänglich |
196 | gemacht. Über dieses Verfahren sind die Bürger in die |
197 | inhaltiche Arbeit der Kommission eingebunden und können |
198 | eigene Vorschläge einreichen. |
199 | |
200 | |
201 | Bundesrat |
202 | |
203 | Im Unterschied zum Deutschen Bundestag bietet der Bundesrat |
204 | keine Möglichkeit für die Einwirkung der Bürger. Dies |
205 | resultiert aus der verfassungsrechtlichen Stellung des |
206 | Bundesrates, bei dem es sich nicht um eine Volksvertretung, |
207 | sondern um eine Vertretung der Bundesländer handelt. Bei den |
208 | einzelnen Landesparlamenten besteht selbstverständlich ein |
209 | Petitionsrecht. |
210 | |
211 | |
212 | Externe Angebote: |
213 | |
214 | Auch private Initiativen bieten das Einreichen von |
215 | Petitionen beim Deutschen Bundestag an. Zuvor kann auf einer |
216 | eigenen Plattform das Anliegen dargestellt und um |
217 | Mitzeichnungen geworben werden. Nach Ablauf dieser |
218 | Mitzeichnungsfrist, die vom Petenten selbst gewählt werden |
219 | kann, wird die Petition dann beim Deutschen Bundestag |
220 | eingereicht. Nach Einreichen beim Deutschen Bundestag |
221 | beginnt dann eine neue Mitzeichungsfrist für die Petition, |
222 | da die auf einer externen Plattform erzielten Mitzeichnungen |
223 | aufgrund der hohen Registrierungs- und Sicherheitsstandards |
224 | des Deutschen Bundestages bisher nicht übertragen werden |
225 | können. Aufgrund der hohen Registrierungs- und |
226 | Sicherheitsstandards des Deutschen Bundestages ist eine |
227 | elektronische Übertragung dieser Daten bisher nicht möglich. |
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