02.03.01.02 Bestandsaufnahme und Trends digitaler Beteiligungsformen an legislativen Debatten und Trends - Deutscher Bundestag

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  • 02.03.01.02 Bestandsaufnahme und Trends digitaler Beteiligungsformen an legislativen Debatten und Trends - Deutscher Bundestag (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Im Petitionswesen des Deutschen Bundestages werden
    2 Petitionen unterschiedlich kategorisiert (vgl. Art. 17 iVm
    3 Art. 45 c Abs. 1 GG):
    4 Einzelpetitionen sind Petitionen, die von einer Einzelperson
    5 oder aber von einer Interessengruppe individuell zu einem
    6 (persönlichen) Anliegen gestellt werden.
    7 Bei Mehrfachpetitionen handelt es sich um eine (zufällige)
    8 Häufung einzelner Petitionen, die das gleiche Anliegen
    9 verfolgen.
    10
    11 Sammelpetitionen zeichnen sich dadurch aus, dass für das
    12 eingereichte Anliegen systematisch Unterschriften von
    13 Unterstützerinnen und Unterstützern gesammelt wurden.
    14
    15
    16 Darüber hinaus kann auch eine Differenzierung aufgrund des
    17 Übertragungsweges und der Art und Weise der Veröffentlichung
    18 vorgenommen werden. E-Petitionen (= Online-Petitonen) sind
    19 demnach Petitionen, die elektronisch an den
    20 Petitionsadressaten eingereicht werden. Seit der
    21 Modernisierung des Petitionsrechts im Jahr 2005 erfolgt die
    22 Übermittlung über ein entsprechendes Formular, aus dem
    23 sowohl die Postanschrift als auch die Urheberschaft an der
    24 Petition hervorgeht. Ansonsten erreichen Petitionen den
    25 Deutschen Bundestag auch weiterhin per Post oder per Fax.
    26 Nach wie vor ist es nicht möglich, Petitionen einfach per
    27 E-Mail einzureichen.
    28
    29 Öffentliche Petitionen können zudem nach ihrer Einreichung
    30 auf der Website des Deutschen Bundestages veröffentlicht und
    31 zur Mitzeichnung und Kommentierung freigegeben werden.
    32 Zurzeit sind dies ca. 18 % aller eingehenden Petitionen. Der
    33 Petitionstext wird dann zunächst für vier Wochen online
    34 gestellt und kann in diesem Zeitraum von beliebig vielen
    35 anderen Menschen durch Angabe ihres Namens unterstützt
    36 werden, vorausgesetzt, diese haben sich vorher im System
    37 registriert. Die Namen der Unterstützer werden öffentlich
    38 für alle einsehbar und recherchierbar online gestellt. Eine
    39 negative Mitzeichnung (gegen das Anliegen) ist nicht
    40 möglich, jedoch kann jederzeit eine Gegenpetition
    41 eingereicht werden.
    42 Derzeit gilt: Wenn eine öffentliche Petition bei Einreichung
    43 oder innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung im
    44 Internet mindestens 50.000 Unterstützer gefunden hat, wird
    45 der Petent in einer öffentlichen Beratung des
    46 Petitionsausschusses angehört. Der Ausschuss kann mit einer
    47 Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder
    48 beschließen, dass hiervon abgesehen wird. Die öffentlichen
    49 Sitzungen des Petitionsausschusses werden im
    50 Parlamentsfernsehen übertragen. Zudem sind die Sendungen im
    51 Internet übertragen und können dort auch jederzeit als
    52 Video-on-Demand auf der Webseite des Bundestages abgerufen
    53 werden.
    54
    55 Öffentliche Petitionen am Deutschen Bundestag unterliegen
    56 einem besonderen Zulassungsverfahren. Die Kriterien der
    57 Zulassung werden teilweise in den Nutzerforen der
    58 E-Petitionsplattform kritisch diskutiert. Bei einer
    59 Befragung von Einreichern öffentlicher Petitionen konnten im
    60 Jahr 2009 60% der Einreichenden die Begründung für die
    61 Nichtzulassung aufgrund einer fehlenden Rückmeldung bzw.
    62 wegen der Unverständlichkeit der Begründung nicht
    63 nachvollziehen. Von 4.598 zur Veröffentlichung eingereichten
    64 Petitionen wurden 2010 nur 559, also 12,2% als öffentliche
    65 Petition zugelassen. Bei etwa 50% aller zur Veröffentlichung
    66 eingereichten Petitionen handelte es sich um
    67 Mehrfachpetitionen. Knapp 14% wurden nicht zugelassen, weil
    68 sie als für eine öffentliche Diskussion ungeeignet oder als
    69 offensichtlich erfolglos eingeschätzt wurden. [FN: Büro für
    70 Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und
    71 Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht
    72 Nr. 146, Stand Juni 2011.]
    73
    74 Auch Petitionen, die als öffentliche Petition eingereicht,
    75 jedoch nicht als solche zugelassen wurden, werden im
    76 Ausschuss behandelt, wobei hierfür das herkömmliche,
    77 nichtöffentliche Verfahren maßgeblich ist. Nach der Beratung
    78 im Petitionsausschuss werden sowohl öffentliche als auch
    79 nichtöffentliche Petitionen gemäß § 112 Abs. 1 GOBT in einer
    80 als Drucksache des Deutschen Bundestages veröffentlichten
    81 Sammelübersicht dem Plenum des Deutschen Bundestages zur
    82 Abstimmung vorgelegt.
    83
    84 Die Begrenzung der Diskussionsfrist von früher sechs Wochen
    85 auf ebenfalls vier Wochen- wie die Mitzeichnungsfrist - ist
    86 auf die praktische Auswertbarkeit der Beiträge
    87 zurückzuführen: Die Erfahrung hat gezeigt, dass über die
    88 frühere Zeitspanne von sechs Wochen teilweise mehr als
    89 eintausend Diskussionsbeiträge zu einer Petition eingingen.
    90 Eine Untersuchung des Büros für Technikfolgen-Abschätzung
    91 des Deutschen Bundestages [FN: Büro für
    92 Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und
    93 Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht
    94 Nr. 146, Stand Juni 2011.] zeigt, dass hierbei Regelverstöße
    95 gering sind und die Inhalte der Foren als überwiegend
    96 informativ und sachlich eingeschätzt wurden. Auch
    97 Befragungen von Petenten und Nutzern der
    98 E-Petitionsplattform des Deutschen Bundestages ergaben, dass
    99 2009 91% die Diskussion in den Foren für informativ und 87%
    100 für sachlich hielten. [FN: Büro für
    101 Technikfolgenabschätzung, Elektronische Petitionen und
    102 Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht
    103 Nr. 146, Stand Juni 2011.] Das Verfahren ist in den §§ 108
    104 ff GO-BT, in den Grundsätzen des Petitionsausschusses über
    105 die Behandlung von Bitten und Beschwerden
    106 (Verfahrensgrundsätze) und in der Anlage zu Ziffer 7.1 (4)
    107 Verfahrensgrundsätze (Richtlinie für die Behandlung von
    108 öffentlichen Petitionen (öP)) abschließend geregelt.
    109
    110 In der 16. Wahlperiode haben diese Hürde insgesamt sechs
    111 Petitionen genommen, in der 17. Legislaturperiode haben
    112 bisher XX [FN: Wird nachgereicht.] Petitionen das Quorum
    113 erreicht. Der Anteil der elektronisch eingereichten
    114 Petitionen beim Deutschen Bundestag ist seit 2006 von 17%
    115 auf 36% im Jahr 2010 gestiegen. Der Anteil öffentlich
    116 eingereichter Petitionen stieg im selben Zeitraum sogar von
    117 5% auf 29%. Insgesamt wurden im Zeitraum von September 2005-
    118 Ende 2010 mehr als 3 Mio. Mitzeichnungen für etwa 2.100
    119 öffentliche Petitionen gezählt und mehr als 100.000
    120 Diskussionsbeiträge geschrieben. [FN: Büro für
    121 Technikfolgenabschätzung, „Elektronische Petitionen und
    122 Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht
    123 Nr. 146, Stand Juni 2011.]
    124
    125 Zum 1. Januar 2012 hat der Petitionsausschuss Grundsätze des
    126 Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und
    127 Beschwerden (Verfahrensgrundsätze) geändert. So wurde
    128 beispielsweise die Mitzeichnungsfrist zum Erreichen des
    129 Quorums als Option für eine öffentliche Beratung von 50.000
    130 Unterstützern um eine Woche auf nunmehr vier Wochen
    131 verlängert. Damit trägt der Ausschuss auch den Wünschen
    132 vieler Petenten und Diskussionsteilnehmer Rechnung. Ferner
    133 soll ab Mitte des Jahres 2012, wenn die neue verbesserte
    134 Internetplattform online gehen wird, auch die Möglichkeit zu
    135 eröffnen, die elektronischen Mitzeichnungen auf dieser
    136 Plattform in pseudo-nymisierter Form abgeben zu können.
    137 Dabei wird es sich jedoch im Gegensatz zum Diskussionsforum
    138 nicht um frei wählbare Pseudonyme handeln, sondern um eine
    139 vom System vorgegebene standardisierte Form.
    140
    141 Mit der Angleichung der Fristen und der Einführung der
    142 anonymen Mitzeichnung setzt der Ausschuss auf mehr
    143 Datenschutz, mehr Transparenz und auf eine noch
    144 bürgerfreundlichere Petitionsplattform. Ziel ist es,
    145 möglichst viele substanzielle Anliegen von öffentlichem
    146 Interesse zur Diskussion zu stellen [FN: Pressemitteilung
    147 des Deutschen Bundestages vom 16.11.2011 „Petitionsausschuss
    148 ändert Verfahrensgrundsätze“, abrufbar unter
    149 http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2011/pm_11
    150 11161.html ].
    151 Für die Frage nach dem Erfolg von Petitionen ergibt der
    152 Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr
    153 2009, dass fast die Hälfte der Vorgänge im weiteren Sinne
    154 positiv erledigt werden konnte. Davon wurden 38,1% durch
    155 Rat, Auskunft, Verweisung und Materialübersendung erledigt,
    156 7,6% wurden entsprochen und 3,5% wurden an die
    157 Bundesregierung überwiesen. [FN: Büro für
    158 Technikfolgenabschätzung, „Elektronische Petitionen und
    159 Modernisierung des Petitionswesens in Europa, Arbeitsbericht
    160 Nr. 146, Stand Juni 2011]
    161 Bei den Petenten hat sich dagegen nur bei 15,2% der Eindruck
    162 ergeben, dass der Bundestag sich für ihr Anliegen engagiert
    163 habe. Dennoch würden auch weiterhin 75% der Einreicher
    164 öffentlicher Petitionen in einen ähnlichen Situation wieder
    165 eine Petition einreichen, wobei in diesem Zusammenhang zu
    166 betonen ist, dass die Durchsetzung des in der Petition
    167 formulierten Anliegens selten die Motivlage für die
    168 Einreichung ist. [FN: Ebda.]
    169
    170
    171 Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft"
    172
    173 Der Deutsche Bundestag hat im März 2010 die
    174 Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft
    175 eingesetzt, an deren Arbeit sich die interessierten
    176 Bürgerinnen und Bürger als sogenannte "18. Sachverständige"
    177 beteiligen können. Sie können Vorschläge, Ergänzungen und
    178 Änderungsanträge in die Projektgruppen einbringen, die zu
    179 unterschiedlichen Themenbereichen gebildet wurden. Die
    180 Projektgruppen haben auf der Microsite des Gremiums jeweils
    181 ein eigenes Unterforum, in dem ihre Zielsetzung erklärt wird
    182 und Vorschläge unterbreitet werden können, welche Themen
    183 behandelt werden sollten. Darüber hinaus wurde ein Blog und
    184 ein Twitter-Account eingerichtet. Als wesentliches
    185 Instrument bedient sich die Kommission jedoch einer
    186 Beteiligungsplattform [FN:
    187 https://www.enquetebeteiligung.de/] im Internet, um die
    188 Bürgerinnen und Bürger bei konkreten Sachfragen in die
    189 inhaltliche Arbeit der Projektgruppen einzubinden. Von
    190 Beginn an werden Themenvorschläge der Nutzerinnen und Nutzer
    191 in die Arbeitspläne der Projektgruppen aufgenommen, bei den
    192 Bestandsaufnahmen und bei den Handlungsempfehlungen
    193 diskutiert sowie den Berichten der Projektgruppen beigefügt.
    194 Die abgestimmten Texte der Projektgruppen wiederum werden
    195 über die Beteiligungsplattform der Öffentlichkeit zugänglich
    196 gemacht. Über dieses Verfahren sind die Bürger in die
    197 inhaltiche Arbeit der Kommission eingebunden und können
    198 eigene Vorschläge einreichen.
    199
    200
    201 Bundesrat
    202
    203 Im Unterschied zum Deutschen Bundestag bietet der Bundesrat
    204 keine Möglichkeit für die Einwirkung der Bürger. Dies
    205 resultiert aus der verfassungsrechtlichen Stellung des
    206 Bundesrates, bei dem es sich nicht um eine Volksvertretung,
    207 sondern um eine Vertretung der Bundesländer handelt. Bei den
    208 einzelnen Landesparlamenten besteht selbstverständlich ein
    209 Petitionsrecht.
    210
    211
    212 Externe Angebote:
    213
    214 Auch private Initiativen bieten das Einreichen von
    215 Petitionen beim Deutschen Bundestag an. Zuvor kann auf einer
    216 eigenen Plattform das Anliegen dargestellt und um
    217 Mitzeichnungen geworben werden. Nach Ablauf dieser
    218 Mitzeichnungsfrist, die vom Petenten selbst gewählt werden
    219 kann, wird die Petition dann beim Deutschen Bundestag
    220 eingereicht. Nach Einreichen beim Deutschen Bundestag
    221 beginnt dann eine neue Mitzeichungsfrist für die Petition,
    222 da die auf einer externen Plattform erzielten Mitzeichnungen
    223 aufgrund der hohen Registrierungs- und Sicherheitsstandards
    224 des Deutschen Bundestages bisher nicht übertragen werden
    225 können. Aufgrund der hohen Registrierungs- und
    226 Sicherheitsstandards des Deutschen Bundestages ist eine
    227 elektronische Übertragung dieser Daten bisher nicht möglich.