01.03.01 Kanäle digitaler Kommunikation

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  • 01.03.01 Kanäle digitaler Kommunikation (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Digitale Technologien bieten eine Vielzahl von
    2 Kommunikationsformen. Als Kanal der Kommunikation gilt das
    3 Medium, welches eine Information vom Sender zum Empfänger
    4 überträgt. [FN: Shannon, C. E. (1948), "A Mathematical
    5 Theory of Communication", 27 Bell System Technical Journal
    6 379-423, 623-656.] Ursprünglich benutzt für die technische
    7 Unterscheidung von Medien (Bsp. Print, Radio, Fernsehen,
    8 Internet), bezeichnet ein Kommunikationskanal nun auch
    9 verschiedene technische Formen (Bsp. E-Mail, Chat, Webseite)
    10 oder Plattformen (Bsp. Facebook, Twitter, YouTube,
    11 Bundestagswebsite). Der folgende Überblick strukturiert die
    12 wichtigsten digitalen Kanäle oder Formate [FN: Glossar der
    13 Beitligungsformate in: zebralog, IFIB (2008),
    14 "E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von
    15 Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government", Studie im
    16 Auftrag des BMI, http://www.cio.bund.de.] nach
    17 Kommunikationsart (one-to-one, one-to-many, many-to-one,
    18 many-to-many) und politischer Kommunikationsrichtung (C2C,
    19 C2G, G2C, G2G) [FN: Die Einteilung folgt der üblichen
    20 englischen Terminologie. Die Abkürzung "C" steht für Citzen,
    21 "G" für Government. Unter Government wird jegliche
    22 staatliche Institution verstanden. „C2G“ steht somit etwa
    23 für „Citizen-to-Government“.], um Stärken und Schwächen
    24 differenzierter beurteilen zu können.
    25
    26
    27 ART
    28 **One-to-One**
    29
    30
    31 KANÄLE
    32 (Internet-) Telefon (s)
    33 E-Mail (a)
    34 Chat/IM (s)
    35
    36
    37 ZWECK
    38 Individueller Austausch von Informationen
    39
    40
    41 RICHTUNGEN (Bsp.)
    42 C2C (Private Kommunikation)
    43 C2G (Anfrage an MdB)
    44 G2C (Anhörung, Verwaltungsakt)
    45
    46
    47
    48 ART
    49 **One-to-Many**
    50
    51
    52 KANÄLE
    53 Newsletter
    54 Webseite (a)
    55 RSS-Feed (a)
    56 Podcast/Videocast (a)
    57 Streaming (s)
    58 Weblog (a)
    59 Microblog (a/s)
    60
    61
    62 ZWECK
    63 Verbreitung von Informationen, Selbstdarstellung
    64
    65
    66 RICHTUNGEN (Bsp.)
    67 G2C (Information, Kampagnen)
    68 C2C (Politikblog, NGO News)
    69
    70
    71
    72 ART
    73 **Many-to-One**
    74
    75
    76 KANÄLE
    77 Partizipationssysteme (a)
    78 [Eingaben] (a)
    79 [Umfragen] (a)
    80 [Abstimmung] (a)
    81
    82
    83 ZWECK
    84 Aggregation oder Konsultation von Interessen, Abstimmungen
    85
    86
    87 RICHTUNGEN (Bsp.)
    88 C2G (Petition)
    89 G2C (Konsultation)
    90
    91
    92
    93 ART
    94 **Many-to-Many**
    95
    96
    97 KANÄLE
    98 Mailinglisten (a)
    99 Online-Konferenz (s)
    100 Foren (a)
    101 (Gruppen-) Chat (s)
    102 Virtuelle Welten (s)
    103 Wikis (a)
    104 Soziale Netzwerke (a)
    105 Partizipationssysteme (a)
    106 [Debatten] (a)
    107 [Rankings] (a)
    108
    109
    110 ZWECK
    111 Kollektive Kommunikation, Kollaboration und
    112 Gemeinschaftsbildung
    113
    114
    115 RICHTUNGEN (Bsp.)
    116 C2C (Debattenforum/ -raum)
    117 C2G (Ideenwiki, Wahl-O-Mat)
    118 G2C (Bürgerhaushalt)
    119 G2G (zwischen Behörden)
    120
    121
    122 _ _ _ _ _
    123 (s) = synchron
    124 (a) = asynchron
    125
    126
    127 Kanäle digitaler politischer Kommunikation
    128 [FN: Vgl. zur Struktur Stern, J. (2007), Web 2.0 trifft
    129 Politik 3.11. Bringt politische Kommunikation durch das
    130 Internet mehr Transparenz, Partizipation und Legitimität?,
    131 in: Res publica semper reformanda, Hrsg.: W. Patzelt, M.
    132 Sebaldt, U. Kranenpohl, 168-179; Heise, C. (2010), "Kanäle
    133 für elektronische Beteiligungsformen",
    134 http://www.e-demokratie.org/elektronische-kanaele.]
    135
    136
    137 Die digitale "one-to-one" Kommunikation über *TELEFON auch
    138 mit Bild (Bsp. Skype), *E-MAIL oder *CHAT erfüllt wie das
    139 klassische persönliche Gespräch die Funktion eines
    140 individuellen, vertraulichen Dialogs. Zwar können schnelle
    141 "one-to-one" Kanäle die individuelle Kommunikation des
    142 Bürgers etwa mit der Verwaltung effektiver gestalten.
    143 Angesichts erforderlicher Kapazitäten und mangelnder
    144 Ressourcen der politischen Entscheidungsträger lässt sich
    145 die „one-to-one“ Kommunikation allerdings nicht unbegrenzt
    146 erweitern und kann so nicht der zentrale Weg digitaler
    147 Partizipation sein.
    148
    149 Digitale "one-to-many" Kanäle wie *NEWSLETTER, *WEBSEITEN,
    150 asynchrone *PODCASTS oder synchrones *STREAMING erfüllen
    151 weitgehend die Funktionen klassischer Massenmedien. In der
    152 politischen Kommunikation werden sie vorwiegend zur
    153 Verbreitung von Informationen durch politische Institutionen
    154 oder Entscheidungsträger an viele potentielle Empfänger
    155 genutzt. Diese Kanäle sind meist Einbahnstraßen, welche dem
    156 Sender keine unmittelbare Auskunft über die erzielte Wirkung
    157 geben. Mit *WEBLOGS ("Blogs") ") oder moderierten
    158 *CHAT-Angeboten, z.B. durch Massenmedien durchbricht eine
    159 "one-to-many" Form allerdings die überwiegende politische
    160 Kommunikationsrichtung (G2C). Politische Blogs engagierter
    161 Bürger oder zivilgesellschaftlicher Organisationen (C2C)
    162 kommentieren politische Ereignisse, stellen eigene Meinungen
    163 dar und pluralisieren so die digitale Medienlandschaft.
    164 *MICROBLOGS (Bsp. Twitter) optimieren nicht nur Blogs für
    165 mobile Endgeräte (Bsp. Smartphones und Tablets), sondern
    166 verändern auch deren Kommunikationsstil selbst. Kurze
    167 überall empfangbare Einträge ermöglichen direkte Reaktionen
    168 anderer Nutzer. Fast synchrone Rückkopplungen können so die
    169 politische Blog-Kultur zu einer lebendigen "many-to-many"
    170 Diskussionslandschaft verknüpfen.
    171 Synchrone "many-to-many" Kanäle wie *MAILINGLISTEN,
    172 Gruppen-*CHATS oder *ONLINE-KONFERENZEN ermöglichen
    173 politische Diskussionen mehrerer Nutzer miteinander.
    174 Allerdings findet die Möglichkeit tatsächlicher Interaktion
    175 eine pragmatische Grenze, da ab einer gewissen Anzahl kein
    176 echter Dialog mit wechselseitigem Eingehen auf den Anderen
    177 mehr möglich ist. Asynchrone "many-to-many" Diskussionen
    178 finden vor allem in *FOREN aber vor allem auch in den
    179 Kommentarbereichen von *WEBLOGS statt. Durch die
    180 strukturierte Dokumentation von Verlauf und Inhalt der
    181 Diskussion können sie eine transparente Form der Information
    182 und Partizipation an politischen Prozessen der Deliberation
    183 und der öffentlichen Meinungsbildung garantieren. Wenig
    184 erschlossen für politische Kommunikation sind auch
    185 Kommunikationsorte in *VIRTUELLEN WELTEN (Bsp. Second Life,
    186 Online-Spiele). Ihr Potential für spielerische politische
    187 Zukunftsvisionen sind bisher noch weitgehend unerforscht.
    188
    189 Die digitale "many-to-many" Kommunikation wuchs besonders
    190 durch das Entstehen eines neuen Universums sogenannter
    191 "sozialer Medien" (Social media) und wächst beständig
    192 weiter. [FN: Solis, B., "The Conversation Prism. The Art of
    193 Listening, Learning and Sharing", 2011,
    194 http://www.theconversationprism.com; Bundesverband Digitale
    195 Wirtschaft, Hrsg. (2009), Social Media Kompass, Düsseldorf;
    196 Kaplan, A. M., M. Haenlein (2010), "Users of the world,
    197 unite! The challenges and opportunities of Social Media", 53
    198 Business Horizons 59-68.] Zentral für diese auch als "Web
    199 2.0" bezeichnete Entwicklung ist der Austausch von
    200 Nutzer-generierten Inhalten (Sharing) in verschiedensten
    201 Medienformaten (Text, Musik, Bilder) und die soziale
    202 Vernetzung und Kollaboration etwa in Form von *WIKIS (Bsp.
    203 Wikipedia). [FN: O'Reilly, T. (2005), "What is Web 2.0.
    204 Design Patterns and Business Models for the Next Generation
    205 of Software",
    206 http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html.] Die
    207 Nutzung und Untersuchung sozialer Medien für die politische
    208 Kommunikation konzentriert sich bisher weitestgehend auf
    209 *SOZIALE NETZWERKE (Bsp. Facebook, StudiVZ). [FN: Ketchum
    210 Pleum (2010), "Digital Democracy Study: How do Politicians
    211 in Europe use Social Media in their everyday work?",
    212 www.digital-democracy-study.org.] Die kollaborativen
    213 Potenziale sozialer Medien für die politische Partizipation
    214 zu erschließen, ist eine der zentralen Herausforderungen
    215 einer digital vernetzten Demokratie (dazu unten 1.3.2).
    216
    217 Eine digitale "many-to-one" Kommunikation hat sich bisher -
    218 abgesehen von marginalen Ausnahmen (Bsp. Kommentarfunktion)
    219 - kaum in etablierten Formen entfaltet. Neben den neuen
    220 Möglichkeiten, welche digitale "many-to-many" Kommunikation
    221 (C2C) für politische Öffentlichkeiten und eine aktive
    222 demokratische Meinungsbildung schafft, bietet eine
    223 "many-to-one" Dimension (C2G) die größten partizipativen
    224 Potentiale der Digitalisierung. Die politischen Akteure
    225 können aufgrund ihrer reinen Masse nicht alle, nicht einmal
    226 besonders viele Stimmen aktiv hören. Wirkungsvolle
    227 politische Partizipation entsteht erst dann, wenn sich aus
    228 einer „verrauschten“ "many-to-many" (C2C) Kommunikation
    229 klare "many-to-one" (C2G) Stimmen herausbilden. Dazu bedarf
    230 es der Kanalisierung, Strukturierung und Bewertung von
    231 Meinungen. Die Hoffnung besteht, dass die digitale
    232 Technologie hier neue Übergänge der Öffentlichkeit zu den
    233 politischen Institutionen gestalten kann. So entstanden etwa
    234 verschiedene digitale *PARTIZIPATIONSSYSTEME für kollektive
    235 Diskussionen, Bewertungen und Entscheidungen (Bsp.
    236 Adhocracy, Votorola). An der Weiterentwicklung, praktischen
    237 Anwendung und politischen Einbettung solcher Systeme zeigt
    238 sich die neue Gestalt einer digital vernetzten Demokratie
    239 (dazu unten 1.3.4).