01.01.01 Legitimation und Partizipation

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  • 01.01.01 Legitimation und Partizipation (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Demokratie beinhaltet die gleiche politische Freiheit aller
    2 an der kollektiven Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.
    3 Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bekennt sich
    4 zum Demokratieprinzip und damit zum Grundsatz der
    5 Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG). Auch Demokratie ist
    6 eine Herrschaftsform, Regierte und Regierende sind nicht
    7 identisch, die Regierenden bedürfen aber einer Legitimation
    8 in einem Verfahren öffentlicher Meinungs- und
    9 Willensbildung, die den Anforderungen der Freiheit nach den
    10 Maßstäben des Grundgesetzes genügt. Dies wird in erster
    11 Linie – aber keineswegs ausschließlich – durch Wahlen und
    12 Abstimmungen sichergestellt. Schon an dieser Stelle werfen
    13 die Entwicklungen im Internet grundsätzliche Fragen auf:
    14 Verändern oder vergrößern sich die Bereiche, in denen es
    15 keiner repräsentativen Vertretung bedarf, weil die
    16 Bürgerinnen und Bürger in diesen Bereichen ihre
    17 Angelegenheiten nun selbst ordnen können? Welche neuen
    18 Aufgaben stellen sich dem Staat beim Aufbau öffentlicher
    19 virtueller Räume? Ermöglicht das Internet neue Formen der
    20 Legitimations-Vermittlung jenseits von Wahlen und
    21 Abstimmungen? Auch mit Blick auf die Kommunikationsordnung
    22 stellen sich Fragen: Werden die Grundrechte wie
    23 Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Kommunikationsfreiheit
    24 gestärkt oder geschwächt? Wo hat die Digitalisierung zu
    25 mehr, wo zu weniger demokratischer Teilhabe geführt? Wo hat
    26 sie bestehende demokratische Verfahren gestärkt, wo
    27 geschwächt? Welchen Gefährdungen gilt es zu begegnen, welche
    28 Chancen zu ergreifen? [FN: Mit den Fragen, etwa welche Rolle
    29 Vermachtungen im Bereich der Intermediaire hier spielen
    30 können, setzt sich die Projektgruppe Medienordnung
    31 auseinander.]
    32
    33 Unter dem Stichwort der „Partizipation“ wird auch die
    34 direkte Teilnahme an Entscheidungen der Staatsgewalten und
    35 ihren Entscheidungsprozessen durch Bürgerinnen und Bürger
    36 bezeichnet. Traditionelle Instrumente sind
    37 Bürgerinitiativen, Bürgerbegehren (Volksbegehren) und
    38 Bürgerentscheide (Volksentscheide). Auf Bundesebene sind die
    39 Möglichkeiten für solche unmittelbaren Entscheidungsprozesse
    40 verfassungsrechtlich eng begrenzt. Einige
    41 Länderverfassungen räumen jedoch sowohl den Ländern als auch
    42 den Kommunen größere Spielräume ein, (etwa Art. 72 f. bei
    43 BayLV). Welche neuen Möglichkeiten der Partizipation
    44 ermöglicht die Internet-basierte Kommunikation und
    45 Interaktion im Rahmen solcher unmittelbarer
    46 Beteiligungsformen?
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    48 Eine Herrschaft des Volkes verdient nur diesen Namen, wenn
    49 sich jeder Adressat des Rechts auch als dessen Autor
    50 verstehen kann. Eine digital vernetzte Demokratie
    51 ermöglicht die Erweiterung der Ausübung von
    52 Volkssouveränität durch eine stärkere substantielle
    53 Verknüpfung politischer Institutionen mit dem öffentlichen
    54 Prozess politischer Willensbildung.
    55
    56 Eine solche Offenheit der Demokratie meint nicht vereinzelte
    57 formale Partizipation (wie etwa in Volksentscheiden),
    58 sondern eine beständige inhaltliche Öffnung des politischen
    59 Prozesses an sich. In einer digital vernetzten Demokratie
    60 wirken sich dabei Umstände wie das technische Design einer
    61 digitalen Plattform und ihre inhaltliche Architektur unter
    62 Umständen unmittelbar auf Art und Umfang der Beteiligung
    63 aus.
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    65 Als Teil des Souveräns hat jeder Bürger ein Recht auf
    66 Rechtfertigung jeder institutionellen politischen Handlung.
    67 Demokratische Legitimation fordert offenen Zugang und
    68 Beteiligung am genuin politischen Prozess des Abwägens von
    69 Positionen und Gründen (Deliberation). Pflichten zur
    70 politischen Offenheit und Begründung (Transparenz) der
    71 Legislative, Exekutive und Judikative ermöglichen eine
    72 substantielle öffentliche Debatte. In dieser bietet sich
    73 Raum für vielfältige und differenzierte politische
    74 Positionen.
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    76 Die während der Beratungen nachvollziehbare, Abwägung von
    77 Gründen vor und wäh-rend der Entscheidung erhöht dabei nicht
    78 nur die Identifikation des Einzelnen mit dem Staat sondern
    79 steigert zugleich auch die Legitimität der Entscheidungen.
    80 Eine digital vernetzte Demokratie kann zu einer solchen
    81 höheren Legitimität der Entscheidungen führen. wenn sie die
    82 folgenden Fragen klärt:
    83 Wie können die digitalen Technologien mehr Transparenz und
    84 Offenheit der politischen Institutionen und der Prozesse
    85 politischer Deliberation befördern? Welche neuen Formen
    86 substantieller Beteiligung an der Arbeit politischer
    87 Institutionen sind möglich und wie lässt sich deren
    88 Responsivität für öffentliche Kritik auf allen Stufen des
    89 politischen Prozesses erhöhen? Was für neue politische
    90 Öffentlichkeiten entstehen und wie lassen sich deren
    91 Potentiale für den Prozess der politischen Willensbildung
    92 nutzen? Wie können digitale Technologien die politische
    93 Vielfalt steigern und soziale Inklusion ermöglichen?